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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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gebung hergestellt würde. Uebrigens sind bereits durch das deutsche Festungs-
Rayon-Gesetz vom 21. December 1871 diejenigen Beschränkungen, welche
das Grundeigenthum in Ansehung des Festungsbaues und in der Um¬
gebung von Festungen überhaupt unterliegt, in einheitlicher Weise geregelt
worden.

Wenn aber weiter im Art. VIII die Befreiung des Grundbesitzes von
den Feudallasten angestrebt, wenn insbesondere die Aufhebung jedes Unter-
thänigkeits- und Hörigkeitsverbandes, der Patrimonialgerichtsbarkeit und der
grundherrlichen Polizei sammt den daraus fließenden Befugnissen, Exemtionen
und Abgaben, sowie die Aufhebung des Lehnsverbandes ausgesprochen, auch
die Ablösbarkeit aller Grundlasten, namentlich der Zehnten, decretirt wurde,
so genügt es wohl daran zu erinnern, wie inzwischen durch die Ablösungs¬
gesetzgebung der Einzelstaaten jene Belastungen des Grundvermögens beseitigt
sind, wie die Allodisication der Lehngüter und die Umwandlung der bäuer¬
lichen Nutzungsrechte in volles Eigenthum durchgeführt oder doch bereits
soweit gediehen ist, daß nur noch wenige Ueberreste jener einstigen Belastungen
und Beschränkungen des Grundvermögens in die Gegenwart hereinragen,
deren Tage ebenfalls gezählt sind. Dagegen läßt sich die im Art. VIII
weiter verfügte Aufhebung der Familiensideicommtsse aus dem Princip der
Freiheit des Eigenthums in der That nicht rechtfertigen, wenn es auch zu
billigen ist. daß die moderne Gesetzgebung die Errichtung solcher Institute
regelmäßig von der landesherrlichen oder richterlichen Zustimmung abhängig
macht. Das Unionsparlament sah daher von der Abschaffung der Familien-
fideicommisse wieder ab und auch das im Anschlusse an die Frankfurte-
Grundrechte in der Preußischen Verfassungsurkunde*) ausgesprochene Verbot
derselben wurde durch Gesetz vom 3. Juni 1852 wieder zurückgezogen.

Vielfach erörtert ist ferner der in demselben Artikel aufgestellte Grund¬
satz von der unb eschränkten Theilbarkeit d es Grundeigenthums.
Wenn nämlich auch die nähere Gesetzgebung die sogen. Dismembrationsver-
bote mehrfach beseitigt hat, so wird doch an dem Princip der Geschlossenheit
der Bauerngüter in manchen Gegenden zum Zweck der Erhaltung eines
wohlhabenden und selbständigen Bauernstandes und einer rationellen Land¬
wirthschaft nach wie vor festgehalten, oder es darf doch wenigstens bei etwaiger
Parcellirung eines Gutes nicht unter ein gewisses Minimum heruntergegangen
werden; auch sucht man in machen Staaten, wie in Bayern und Württem¬
berg, einer systematisch betriebenen Dismembration, der sog. Güterschlächterei
durch zweckmäßige gesetzliche Bestimmung vorzubeugen. Müssen wir aber
auch hier von einem näheren Eingehen auf die namentlich von den Nationlal-



") Preuß. Vcrfass. Art. v. Januar 185l>, dz. 40.

gebung hergestellt würde. Uebrigens sind bereits durch das deutsche Festungs-
Rayon-Gesetz vom 21. December 1871 diejenigen Beschränkungen, welche
das Grundeigenthum in Ansehung des Festungsbaues und in der Um¬
gebung von Festungen überhaupt unterliegt, in einheitlicher Weise geregelt
worden.

Wenn aber weiter im Art. VIII die Befreiung des Grundbesitzes von
den Feudallasten angestrebt, wenn insbesondere die Aufhebung jedes Unter-
thänigkeits- und Hörigkeitsverbandes, der Patrimonialgerichtsbarkeit und der
grundherrlichen Polizei sammt den daraus fließenden Befugnissen, Exemtionen
und Abgaben, sowie die Aufhebung des Lehnsverbandes ausgesprochen, auch
die Ablösbarkeit aller Grundlasten, namentlich der Zehnten, decretirt wurde,
so genügt es wohl daran zu erinnern, wie inzwischen durch die Ablösungs¬
gesetzgebung der Einzelstaaten jene Belastungen des Grundvermögens beseitigt
sind, wie die Allodisication der Lehngüter und die Umwandlung der bäuer¬
lichen Nutzungsrechte in volles Eigenthum durchgeführt oder doch bereits
soweit gediehen ist, daß nur noch wenige Ueberreste jener einstigen Belastungen
und Beschränkungen des Grundvermögens in die Gegenwart hereinragen,
deren Tage ebenfalls gezählt sind. Dagegen läßt sich die im Art. VIII
weiter verfügte Aufhebung der Familiensideicommtsse aus dem Princip der
Freiheit des Eigenthums in der That nicht rechtfertigen, wenn es auch zu
billigen ist. daß die moderne Gesetzgebung die Errichtung solcher Institute
regelmäßig von der landesherrlichen oder richterlichen Zustimmung abhängig
macht. Das Unionsparlament sah daher von der Abschaffung der Familien-
fideicommisse wieder ab und auch das im Anschlusse an die Frankfurte-
Grundrechte in der Preußischen Verfassungsurkunde*) ausgesprochene Verbot
derselben wurde durch Gesetz vom 3. Juni 1852 wieder zurückgezogen.

Vielfach erörtert ist ferner der in demselben Artikel aufgestellte Grund¬
satz von der unb eschränkten Theilbarkeit d es Grundeigenthums.
Wenn nämlich auch die nähere Gesetzgebung die sogen. Dismembrationsver-
bote mehrfach beseitigt hat, so wird doch an dem Princip der Geschlossenheit
der Bauerngüter in manchen Gegenden zum Zweck der Erhaltung eines
wohlhabenden und selbständigen Bauernstandes und einer rationellen Land¬
wirthschaft nach wie vor festgehalten, oder es darf doch wenigstens bei etwaiger
Parcellirung eines Gutes nicht unter ein gewisses Minimum heruntergegangen
werden; auch sucht man in machen Staaten, wie in Bayern und Württem¬
berg, einer systematisch betriebenen Dismembration, der sog. Güterschlächterei
durch zweckmäßige gesetzliche Bestimmung vorzubeugen. Müssen wir aber
auch hier von einem näheren Eingehen auf die namentlich von den Nationlal-



") Preuß. Vcrfass. Art. v. Januar 185l>, dz. 40.
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[0466] gebung hergestellt würde. Uebrigens sind bereits durch das deutsche Festungs- Rayon-Gesetz vom 21. December 1871 diejenigen Beschränkungen, welche das Grundeigenthum in Ansehung des Festungsbaues und in der Um¬ gebung von Festungen überhaupt unterliegt, in einheitlicher Weise geregelt worden. Wenn aber weiter im Art. VIII die Befreiung des Grundbesitzes von den Feudallasten angestrebt, wenn insbesondere die Aufhebung jedes Unter- thänigkeits- und Hörigkeitsverbandes, der Patrimonialgerichtsbarkeit und der grundherrlichen Polizei sammt den daraus fließenden Befugnissen, Exemtionen und Abgaben, sowie die Aufhebung des Lehnsverbandes ausgesprochen, auch die Ablösbarkeit aller Grundlasten, namentlich der Zehnten, decretirt wurde, so genügt es wohl daran zu erinnern, wie inzwischen durch die Ablösungs¬ gesetzgebung der Einzelstaaten jene Belastungen des Grundvermögens beseitigt sind, wie die Allodisication der Lehngüter und die Umwandlung der bäuer¬ lichen Nutzungsrechte in volles Eigenthum durchgeführt oder doch bereits soweit gediehen ist, daß nur noch wenige Ueberreste jener einstigen Belastungen und Beschränkungen des Grundvermögens in die Gegenwart hereinragen, deren Tage ebenfalls gezählt sind. Dagegen läßt sich die im Art. VIII weiter verfügte Aufhebung der Familiensideicommtsse aus dem Princip der Freiheit des Eigenthums in der That nicht rechtfertigen, wenn es auch zu billigen ist. daß die moderne Gesetzgebung die Errichtung solcher Institute regelmäßig von der landesherrlichen oder richterlichen Zustimmung abhängig macht. Das Unionsparlament sah daher von der Abschaffung der Familien- fideicommisse wieder ab und auch das im Anschlusse an die Frankfurte- Grundrechte in der Preußischen Verfassungsurkunde*) ausgesprochene Verbot derselben wurde durch Gesetz vom 3. Juni 1852 wieder zurückgezogen. Vielfach erörtert ist ferner der in demselben Artikel aufgestellte Grund¬ satz von der unb eschränkten Theilbarkeit d es Grundeigenthums. Wenn nämlich auch die nähere Gesetzgebung die sogen. Dismembrationsver- bote mehrfach beseitigt hat, so wird doch an dem Princip der Geschlossenheit der Bauerngüter in manchen Gegenden zum Zweck der Erhaltung eines wohlhabenden und selbständigen Bauernstandes und einer rationellen Land¬ wirthschaft nach wie vor festgehalten, oder es darf doch wenigstens bei etwaiger Parcellirung eines Gutes nicht unter ein gewisses Minimum heruntergegangen werden; auch sucht man in machen Staaten, wie in Bayern und Württem¬ berg, einer systematisch betriebenen Dismembration, der sog. Güterschlächterei durch zweckmäßige gesetzliche Bestimmung vorzubeugen. Müssen wir aber auch hier von einem näheren Eingehen auf die namentlich von den Nationlal- ") Preuß. Vcrfass. Art. v. Januar 185l>, dz. 40.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/466>, abgerufen am 20.10.2024.