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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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ein von den Abgeordneten Wiggers und Genossen eingebrachter und an eine
Commission verwiesener Gesetzentwurf über Vereine und Versammlungen im
Reichstag zwar zur Berichterstattung, aber nicht zur Berathung gelangt war.
die Vorlegung eines solchen Gesetzes in Aussicht gestellt/)

Auch ist hier daran zu erinnern, wie durch das nunmehrige Reichsgesetz vom
4. Juli 1868, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirth¬
schaftsgenossenschaften und durch die in der Neichsgewerbeordnung statuirte
Assoeiationsfreiheit/*) bereits in bedeutsamer Weise für eine zeitgemäße Umge¬
staltung des Vereinswesens gewirkt worden ist. Auch ist hier der Vor-
schrift des (Reichs)-Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 (§. 17) zu gedenken,
wonach die Wahlberechtigten das Recht haben, zum Betrieb der den Reichs¬
tag betreffenden Wahlangelegenheiten Vereine zu bilden und in geschlossenen
Räumen öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Und wenn endlich im
Reichs-Militärgesetz vom 2. Mai 1874 (§. 49) den zum activen Heere ge¬
hörigen Mtlitärpersonen die Theilnahme an politischen Bereinen und Ver¬
sammlungen untersagt ist, so ist darauf hinzuweisen, daß auch im Art. VII
der Grundrechte bestimmt war, daß die Vorschriften über Versammlungen
und Vereine auf das Heer und die Kriegsflotte nur insoweit Anwendung
finden sollten, als die militärischen Disciplinarvorschriften nicht entgegen¬
standen, so daß also auch hiernach den Militärpersonen jeder Zeit die
Theilnahme an solchen Vereinen und Versammlungen untersagt werden
konnte.

Der Art. VIII stellte zunächst den allgemeinen Satz auf: "Das Eigen-
thum ist unverletzlich;" ein Grundsatz, der, wenn er auch in vielen deutschen
Berfassungsurkunden wiederholt ist, doch bei seiner Allgemeinheit nur durch
die daraus gezogenen Consequenzen Bedeutung gewinnen konnte. Zu den
letzteren gehört aber in erster Linie die Bestimmung, daß eine zwangsweise
Enteignung nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines
Gesetzes und nur gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden dürfe.
Wie dies ebenfalls in den meisten deutschen Berfassungsurkunden^) ausdrücklich
anerkannt und in den Expropriationsgesetzen der einzelnen Staaten ausge-
führt ist. Freilich enthalten diese Gesetze keineswegs ein gleichförmiges System
des Expropriationsrechtes, und es wäre in der That wünschenswert!), wenn
auch auf diesem wichtigen Gebiete die Rechtseinheit durch die Reichsgesetz-





Vcrcinsgesches bezog fich nur auf die privatrechtliche Stellung der Vereine und namentlich
auf die Voraussehungen der Rechtspersönlichkeit derselben.
") Stenogr. Bericht des Reichstags, 1874 lit, Actenstück 44, S. 186.
") Neichsgewerbeordnung K§. 81 ff.
Vgl. die Zusammenstellung bei Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht (3. Auf¬
lage) i, §. 89. Ur. 2U.
Grenzboten lit. 1870. 68

ein von den Abgeordneten Wiggers und Genossen eingebrachter und an eine
Commission verwiesener Gesetzentwurf über Vereine und Versammlungen im
Reichstag zwar zur Berichterstattung, aber nicht zur Berathung gelangt war.
die Vorlegung eines solchen Gesetzes in Aussicht gestellt/)

Auch ist hier daran zu erinnern, wie durch das nunmehrige Reichsgesetz vom
4. Juli 1868, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirth¬
schaftsgenossenschaften und durch die in der Neichsgewerbeordnung statuirte
Assoeiationsfreiheit/*) bereits in bedeutsamer Weise für eine zeitgemäße Umge¬
staltung des Vereinswesens gewirkt worden ist. Auch ist hier der Vor-
schrift des (Reichs)-Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 (§. 17) zu gedenken,
wonach die Wahlberechtigten das Recht haben, zum Betrieb der den Reichs¬
tag betreffenden Wahlangelegenheiten Vereine zu bilden und in geschlossenen
Räumen öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Und wenn endlich im
Reichs-Militärgesetz vom 2. Mai 1874 (§. 49) den zum activen Heere ge¬
hörigen Mtlitärpersonen die Theilnahme an politischen Bereinen und Ver¬
sammlungen untersagt ist, so ist darauf hinzuweisen, daß auch im Art. VII
der Grundrechte bestimmt war, daß die Vorschriften über Versammlungen
und Vereine auf das Heer und die Kriegsflotte nur insoweit Anwendung
finden sollten, als die militärischen Disciplinarvorschriften nicht entgegen¬
standen, so daß also auch hiernach den Militärpersonen jeder Zeit die
Theilnahme an solchen Vereinen und Versammlungen untersagt werden
konnte.

Der Art. VIII stellte zunächst den allgemeinen Satz auf: „Das Eigen-
thum ist unverletzlich;" ein Grundsatz, der, wenn er auch in vielen deutschen
Berfassungsurkunden wiederholt ist, doch bei seiner Allgemeinheit nur durch
die daraus gezogenen Consequenzen Bedeutung gewinnen konnte. Zu den
letzteren gehört aber in erster Linie die Bestimmung, daß eine zwangsweise
Enteignung nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines
Gesetzes und nur gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden dürfe.
Wie dies ebenfalls in den meisten deutschen Berfassungsurkunden^) ausdrücklich
anerkannt und in den Expropriationsgesetzen der einzelnen Staaten ausge-
führt ist. Freilich enthalten diese Gesetze keineswegs ein gleichförmiges System
des Expropriationsrechtes, und es wäre in der That wünschenswert!), wenn
auch auf diesem wichtigen Gebiete die Rechtseinheit durch die Reichsgesetz-





Vcrcinsgesches bezog fich nur auf die privatrechtliche Stellung der Vereine und namentlich
auf die Voraussehungen der Rechtspersönlichkeit derselben.
") Stenogr. Bericht des Reichstags, 1874 lit, Actenstück 44, S. 186.
") Neichsgewerbeordnung K§. 81 ff.
Vgl. die Zusammenstellung bei Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht (3. Auf¬
lage) i, §. 89. Ur. 2U.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/465>, abgerufen am 27.09.2024.