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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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mit Recht wurde dieser Passus des Art. VI schon in dem sogen. Berliner
Entwurf der Grundrechte gestrichen. Denn die Erziehung der Kinder ist doch
in erster Linie Sache der Eltern, und es ist in der That kein Grund vor¬
handen, weshalb bemittelte Eltern der Zahlung eines Beitrags zu den Er¬
ziehungskosten enthoben werden sollten. Letztere wären eben alsdann lediglich
durch Umlagen aufzubringen, die auch den weniger Bemittelten, sowie den
Unverhenatheten und Kinderlosen in unbilliger Weise belasten würden. Eben¬
so war es ungerechtfertigt, wenn in einem Gesetz , welches die Grundrechte
eines jeden Deutschen enthalten sollte, die öffentlichen Lehrer, die Volksschul--
lehrer mit inbegriffen, für Staatsdiener erklärt wurden, also die Verhältnisse
eines einzelnen Standes normirt werden sollten. Damit würde zudem auch
die Verpflichtung des Staats zur Besoldung der Volksschullehrer und
eine Entlastung der Gemeinden ausgesprochen werden, zu welcher in der That
keinerlei Veranlassung vorliegt, indem nach dem herrschenden System z. B.
nach der preuß. Verfassung*) der Staat nur subsidiär eintritt, wenn und so¬
weit das Gemeindevermögen nicht zureicht.

Der Art. VII der Grundrechte handelte vom Vereins- und Ver¬
sa in ni un gsrecht: "Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und
ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubniß dazu bedarf es nicht.
Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für
die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden. Die Deutschen
haben das Recht, Vereine zu bilden. Dies Recht soll durch keine vorbeu¬
gende Maßregel beschränkt werden." Diese Sätze, freilich so kurz gehalten,
daß eine nähere Ausführung derselben in einem Vereinsgesetz unerläßlich ge¬
wesen wäre, waren namentlich gegen den Beschluß der deutschen Bundesver¬
sammlung vom S. Juli 1832 gerichtet, welcher Volksversammlungen und
politische Vereine so gut wie verboten hatte. Dieselben gingen auch in ver¬
schiedene deutsche Verfassungsurkunden über, und ebenso haben die neueren
Gesetze über das Vereins- und Versammlungsrecht**) im Wesentlichen die
gleichen Principien aufgestellt, wenn sie auch etwaigem Mißbrauch derselben
gleichzeitig zu steuern suchen. In den Kleinstaaten fehlt es dagegen fast
durchweg an solchen Vereinsgesetzen, und da nunmehr die deutsche Reichsver¬
fassung (Art. 4, Ur. 16) das Bereinswesen in den Competenzkreis der
Reichsgesetzgebung gezogen hat, so wäre es allerdings wünschenswerth,
wenn diese für das politische Leben des Volks so wichtigen Fragen
durch Reichsgesetz für ganz Deutschland in einheitlicher Weise normirt
würden.***) In der That hat auch die Reichsregierung, nachdem bereits





") Preuß. Verf. Art. vom 31, Januar 185U, §. 2S.
") S. die Zusammenstellung derselben bei Rönne a. a. O., S. 189.
Der von Schule - Delihsch 18K9 und dann wiederholt eine>et>rächte Entwurf eine

mit Recht wurde dieser Passus des Art. VI schon in dem sogen. Berliner
Entwurf der Grundrechte gestrichen. Denn die Erziehung der Kinder ist doch
in erster Linie Sache der Eltern, und es ist in der That kein Grund vor¬
handen, weshalb bemittelte Eltern der Zahlung eines Beitrags zu den Er¬
ziehungskosten enthoben werden sollten. Letztere wären eben alsdann lediglich
durch Umlagen aufzubringen, die auch den weniger Bemittelten, sowie den
Unverhenatheten und Kinderlosen in unbilliger Weise belasten würden. Eben¬
so war es ungerechtfertigt, wenn in einem Gesetz , welches die Grundrechte
eines jeden Deutschen enthalten sollte, die öffentlichen Lehrer, die Volksschul--
lehrer mit inbegriffen, für Staatsdiener erklärt wurden, also die Verhältnisse
eines einzelnen Standes normirt werden sollten. Damit würde zudem auch
die Verpflichtung des Staats zur Besoldung der Volksschullehrer und
eine Entlastung der Gemeinden ausgesprochen werden, zu welcher in der That
keinerlei Veranlassung vorliegt, indem nach dem herrschenden System z. B.
nach der preuß. Verfassung*) der Staat nur subsidiär eintritt, wenn und so¬
weit das Gemeindevermögen nicht zureicht.

Der Art. VII der Grundrechte handelte vom Vereins- und Ver¬
sa in ni un gsrecht: „Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und
ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubniß dazu bedarf es nicht.
Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für
die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden. Die Deutschen
haben das Recht, Vereine zu bilden. Dies Recht soll durch keine vorbeu¬
gende Maßregel beschränkt werden." Diese Sätze, freilich so kurz gehalten,
daß eine nähere Ausführung derselben in einem Vereinsgesetz unerläßlich ge¬
wesen wäre, waren namentlich gegen den Beschluß der deutschen Bundesver¬
sammlung vom S. Juli 1832 gerichtet, welcher Volksversammlungen und
politische Vereine so gut wie verboten hatte. Dieselben gingen auch in ver¬
schiedene deutsche Verfassungsurkunden über, und ebenso haben die neueren
Gesetze über das Vereins- und Versammlungsrecht**) im Wesentlichen die
gleichen Principien aufgestellt, wenn sie auch etwaigem Mißbrauch derselben
gleichzeitig zu steuern suchen. In den Kleinstaaten fehlt es dagegen fast
durchweg an solchen Vereinsgesetzen, und da nunmehr die deutsche Reichsver¬
fassung (Art. 4, Ur. 16) das Bereinswesen in den Competenzkreis der
Reichsgesetzgebung gezogen hat, so wäre es allerdings wünschenswerth,
wenn diese für das politische Leben des Volks so wichtigen Fragen
durch Reichsgesetz für ganz Deutschland in einheitlicher Weise normirt
würden.***) In der That hat auch die Reichsregierung, nachdem bereits





") Preuß. Verf. Art. vom 31, Januar 185U, §. 2S.
") S. die Zusammenstellung derselben bei Rönne a. a. O., S. 189.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/464>, abgerufen am 27.09.2024.