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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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wie es schließlich im October 187S gedruckt vorlag, ein sehr trauriges Mach¬
werk, das der Enquete an keiner Stelle eine Wunde beigebracht oder ihre
Ergebnisse entkräftet hat. Man kann es plebe anders als eine Schmähschrift
nennen, deren Veröffentlichung seitens des Ausschusses selbst von den Agrariern
nicht wohl erwartet werden durfte. Und doch ist dies -- nach neuen Kämpfen
und Zerwürfnissen -- geschehen.

Der Ausschuß wurde auf den 2S. Oktober nach Berlin berufen zur
weiteren Verhandlung des Enquetewerkes. Zu dieser Sitzung waren auch die
ausgetretenen Mitglieder der Enquetecommisfion geladen und ihnen das in¬
zwischen durch Stadtrichter Wilmanns in Druck gegebene "Referat Wede¬
meyer's" mitgetheilt, indem auf Bitten der Angehörigen des schwer erkrankten
Herrn von Wedemeyer sie um discretionäre Behandlung der Broschüre ersucht
wurden. Selbstverständlich erschienen die betreffenden Herren nicht mehr in der
Sitzung, in der die heftigsten Debatten stattfanden, ohne daß es zu einem Be-
schlüße kam. In einer neuen Sitzung am 10, Dezember wurde Fürst Hohenlohe-
Langenburg, der früher gar nicht zum Ausschuß gehört hatte, mit dem
Präsidium betraut. An dem Beschlusse dieser Sitzung nahmen aber der neue
Vorsitzende und mit ihm einige andere Mitglieder nicht Theil, da sie vor der
Abstimmung zu einer Reichstagssitzung weggehen mußten. Der Beschluß ging
dahin, von der eigenen Prüfung der Enquete abzusehen und zur Kenntni߬
nahme dem Reichskanzler u. s. w. das Enquetewerk mitzutheilen, zu gleicher
Zeit aber dem Werke den von dem verstorbenen Herrn von Wedemeyer im
Auftrage des Ausschusses erstatteten Bericht (d. h. jene von Wilmanns ge¬
druckte Schmähschrift Wedemeyer's) beizufügen. Der Ausschuß kaufte deshalb
die nöthigen Exemplare der Broschüre und verschickte sie. Formell enthielt
der Ausschuß sich des Urtheiles, aber indem er ohne jeden Zusatz das so
wegwerfende Urtheil seines Berichterstatters einreichte, trat er dadurch dem
Inhalte desselben zustimmend bei. Nun wurde auch, ebenfalls mit der Bei¬
lage jener Schmähschrift, an die Mitglieder das Enquetewerk verschickt, dessen
Ausgabe, wie schon erwähnt, durch Wedemeyer und Wilmanns ein Jahr
vorher unterbrochen war. -- Der Generalsecretair des Congresses hatte den
Ausschuß gewarnt, nicht ohne eine Antwort der Enquete-Bearbeiter die An¬
griffe Wedemeyer's ausgehen zu lassen; bei wirklicher Objectivität des Aus^
Schusses hätte es sich von selbst verstanden, daß dem Referate Wedemeyer's
noch ein Correferat beigegeben wurde. Vergebens!

Da so die agrarische Richtung des Congreßausschusses völlig über jeden.
Zweifel hinaus deutlich gemacht war, und die Agrarier ohne jede Rücksicht¬
nahme von jetzt ab vorzugehen sich entschlossen hatten, sahen die so schwer
gekränkten Mitglieder der Enquetecommission sich genöthigt, im Januar 1876
in einer kurzen aber schlagenden Erklärung die öffentliche Meinung über diese


wie es schließlich im October 187S gedruckt vorlag, ein sehr trauriges Mach¬
werk, das der Enquete an keiner Stelle eine Wunde beigebracht oder ihre
Ergebnisse entkräftet hat. Man kann es plebe anders als eine Schmähschrift
nennen, deren Veröffentlichung seitens des Ausschusses selbst von den Agrariern
nicht wohl erwartet werden durfte. Und doch ist dies — nach neuen Kämpfen
und Zerwürfnissen — geschehen.

Der Ausschuß wurde auf den 2S. Oktober nach Berlin berufen zur
weiteren Verhandlung des Enquetewerkes. Zu dieser Sitzung waren auch die
ausgetretenen Mitglieder der Enquetecommisfion geladen und ihnen das in¬
zwischen durch Stadtrichter Wilmanns in Druck gegebene „Referat Wede¬
meyer's" mitgetheilt, indem auf Bitten der Angehörigen des schwer erkrankten
Herrn von Wedemeyer sie um discretionäre Behandlung der Broschüre ersucht
wurden. Selbstverständlich erschienen die betreffenden Herren nicht mehr in der
Sitzung, in der die heftigsten Debatten stattfanden, ohne daß es zu einem Be-
schlüße kam. In einer neuen Sitzung am 10, Dezember wurde Fürst Hohenlohe-
Langenburg, der früher gar nicht zum Ausschuß gehört hatte, mit dem
Präsidium betraut. An dem Beschlusse dieser Sitzung nahmen aber der neue
Vorsitzende und mit ihm einige andere Mitglieder nicht Theil, da sie vor der
Abstimmung zu einer Reichstagssitzung weggehen mußten. Der Beschluß ging
dahin, von der eigenen Prüfung der Enquete abzusehen und zur Kenntni߬
nahme dem Reichskanzler u. s. w. das Enquetewerk mitzutheilen, zu gleicher
Zeit aber dem Werke den von dem verstorbenen Herrn von Wedemeyer im
Auftrage des Ausschusses erstatteten Bericht (d. h. jene von Wilmanns ge¬
druckte Schmähschrift Wedemeyer's) beizufügen. Der Ausschuß kaufte deshalb
die nöthigen Exemplare der Broschüre und verschickte sie. Formell enthielt
der Ausschuß sich des Urtheiles, aber indem er ohne jeden Zusatz das so
wegwerfende Urtheil seines Berichterstatters einreichte, trat er dadurch dem
Inhalte desselben zustimmend bei. Nun wurde auch, ebenfalls mit der Bei¬
lage jener Schmähschrift, an die Mitglieder das Enquetewerk verschickt, dessen
Ausgabe, wie schon erwähnt, durch Wedemeyer und Wilmanns ein Jahr
vorher unterbrochen war. — Der Generalsecretair des Congresses hatte den
Ausschuß gewarnt, nicht ohne eine Antwort der Enquete-Bearbeiter die An¬
griffe Wedemeyer's ausgehen zu lassen; bei wirklicher Objectivität des Aus^
Schusses hätte es sich von selbst verstanden, daß dem Referate Wedemeyer's
noch ein Correferat beigegeben wurde. Vergebens!

Da so die agrarische Richtung des Congreßausschusses völlig über jeden.
Zweifel hinaus deutlich gemacht war, und die Agrarier ohne jede Rücksicht¬
nahme von jetzt ab vorzugehen sich entschlossen hatten, sahen die so schwer
gekränkten Mitglieder der Enquetecommission sich genöthigt, im Januar 1876
in einer kurzen aber schlagenden Erklärung die öffentliche Meinung über diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/460>, abgerufen am 27.09.2024.