Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wachsenen Materials wurde von der Goltz betraut; im April 1874 wurden
von dem Ausschuß des Conzresses die Geldmittel zum Druck der Enquete
bewilligt; Januar 1873 lag sie fertig vor und wurde am 9. Februar 1876
von der Enquetecommission dem Congresse selbst überreicht.

Inzwischen aber hatten sich die Verhältnisse des Congresses so geändert,
daß eine unerwartete und staunenswerthe Aufnahme dem Werke seitens des
Congresses bereitet werden konnte.

Derselben Aufgabe, die anscheinend der landwirthschaftliche Congreß auch
unter seine Aufgaben mit Wohlwollen und Humanität aufgenommen hatte,
wurde 1872 und 1873 auch noch von anderer Seite Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Hebung des Arbetterstandes bietet ja verschiedene Seiten dar, die materielle
Verbesserung, die sociale Förderung, die sittliche und religiöse Einwirkung;
und gerade die letztere Beziehung war von dem Oberconststorialrath Wiehern
aufgenommen worden. Der Centralausschuß für innere Mission hatte eine
Versammlung von Landwirthen und Männern der Wissenschaft Ende April
1872 in Berlin veranlaßt, welche unter dem Vorsitz des Professor von der
Goltz die Lage der ländlichen Arbeiter und die Mittel zu ihrer Aufbesserung
besprach. Aus dieser Anregung bildete sich auch ein Deutscher Verein*
ländlicher Arbeitgeber, der im Mai 1873 zusammenkam und sich unter
dem Vorsitz des Grafen Stolberg-Wernigerode constituirte. Aber eine bleibende
Wirksamkeit, ein eigentlicher Wirkungskreis schien dem neuen Verein nicht
zuzufallen; in der Stille, ohne weitere Zeichen seines Lebens verschwand er
von der Bühne.

Dagegen war im April 1872 eine sehr wichtige und sehr aussichtsreiche
Neubildung geschehen, zu welcher die früheren Bemühungen des Congresses
den Anstoß gegeben. Es trat die constituirende Versammlung des Deutschen
Landwirthschastsrath es in Berlin am 8. April 1872 zusammen. Die
Idee war, neben dem Landesökonomieeollegium in Preußen die landwirth-
schaftlichen Vereine sämmtlich in einem Centralorgan zusammenzubringen
und somit eine aus freier Vereinsthätigkeit geschaffene Vertretung dieses
Standes ins Leben zu rufen. Die einzelnen Bereine wählten dazu ihre Ver¬
treter; das Ganze konnte demnach als Ausfluß einer Art von Selbstverwaltung
auf landwirthschaftlichem Gebiete gelten. Die Sache war so geordnet, daß
alle berechtigten Wünsche und Forderungen der Landwirthe durch diese Or¬
ganisation zum Ausdruck kommen konnten. Der deutsche Landwirthschaftsrath
hatte einen bleibenden Ausschuß, er besoldete seinen Generalsecretair, anfangs
den damaligen Redacteur des landwirtschaftlichen Centralblattes, Krocker in
Berlin, sodann seit 1874 den Oekonomierath Hausburg aus Königsberg,
bisher Secretair der preußischen landwirtschaftlichen Vereine. Und es lag,
nachdem eine derartige geordnete Vertretung der landwirthschaftlichen Inder-


wachsenen Materials wurde von der Goltz betraut; im April 1874 wurden
von dem Ausschuß des Conzresses die Geldmittel zum Druck der Enquete
bewilligt; Januar 1873 lag sie fertig vor und wurde am 9. Februar 1876
von der Enquetecommission dem Congresse selbst überreicht.

Inzwischen aber hatten sich die Verhältnisse des Congresses so geändert,
daß eine unerwartete und staunenswerthe Aufnahme dem Werke seitens des
Congresses bereitet werden konnte.

Derselben Aufgabe, die anscheinend der landwirthschaftliche Congreß auch
unter seine Aufgaben mit Wohlwollen und Humanität aufgenommen hatte,
wurde 1872 und 1873 auch noch von anderer Seite Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Hebung des Arbetterstandes bietet ja verschiedene Seiten dar, die materielle
Verbesserung, die sociale Förderung, die sittliche und religiöse Einwirkung;
und gerade die letztere Beziehung war von dem Oberconststorialrath Wiehern
aufgenommen worden. Der Centralausschuß für innere Mission hatte eine
Versammlung von Landwirthen und Männern der Wissenschaft Ende April
1872 in Berlin veranlaßt, welche unter dem Vorsitz des Professor von der
Goltz die Lage der ländlichen Arbeiter und die Mittel zu ihrer Aufbesserung
besprach. Aus dieser Anregung bildete sich auch ein Deutscher Verein*
ländlicher Arbeitgeber, der im Mai 1873 zusammenkam und sich unter
dem Vorsitz des Grafen Stolberg-Wernigerode constituirte. Aber eine bleibende
Wirksamkeit, ein eigentlicher Wirkungskreis schien dem neuen Verein nicht
zuzufallen; in der Stille, ohne weitere Zeichen seines Lebens verschwand er
von der Bühne.

Dagegen war im April 1872 eine sehr wichtige und sehr aussichtsreiche
Neubildung geschehen, zu welcher die früheren Bemühungen des Congresses
den Anstoß gegeben. Es trat die constituirende Versammlung des Deutschen
Landwirthschastsrath es in Berlin am 8. April 1872 zusammen. Die
Idee war, neben dem Landesökonomieeollegium in Preußen die landwirth-
schaftlichen Vereine sämmtlich in einem Centralorgan zusammenzubringen
und somit eine aus freier Vereinsthätigkeit geschaffene Vertretung dieses
Standes ins Leben zu rufen. Die einzelnen Bereine wählten dazu ihre Ver¬
treter; das Ganze konnte demnach als Ausfluß einer Art von Selbstverwaltung
auf landwirthschaftlichem Gebiete gelten. Die Sache war so geordnet, daß
alle berechtigten Wünsche und Forderungen der Landwirthe durch diese Or¬
ganisation zum Ausdruck kommen konnten. Der deutsche Landwirthschaftsrath
hatte einen bleibenden Ausschuß, er besoldete seinen Generalsecretair, anfangs
den damaligen Redacteur des landwirtschaftlichen Centralblattes, Krocker in
Berlin, sodann seit 1874 den Oekonomierath Hausburg aus Königsberg,
bisher Secretair der preußischen landwirtschaftlichen Vereine. Und es lag,
nachdem eine derartige geordnete Vertretung der landwirthschaftlichen Inder-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136563"/>
          <p xml:id="ID_1166" prev="#ID_1165"> wachsenen Materials wurde von der Goltz betraut; im April 1874 wurden<lb/>
von dem Ausschuß des Conzresses die Geldmittel zum Druck der Enquete<lb/>
bewilligt; Januar 1873 lag sie fertig vor und wurde am 9. Februar 1876<lb/>
von der Enquetecommission dem Congresse selbst überreicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1167"> Inzwischen aber hatten sich die Verhältnisse des Congresses so geändert,<lb/>
daß eine unerwartete und staunenswerthe Aufnahme dem Werke seitens des<lb/>
Congresses bereitet werden konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1168"> Derselben Aufgabe, die anscheinend der landwirthschaftliche Congreß auch<lb/>
unter seine Aufgaben mit Wohlwollen und Humanität aufgenommen hatte,<lb/>
wurde 1872 und 1873 auch noch von anderer Seite Aufmerksamkeit geschenkt.<lb/>
Die Hebung des Arbetterstandes bietet ja verschiedene Seiten dar, die materielle<lb/>
Verbesserung, die sociale Förderung, die sittliche und religiöse Einwirkung;<lb/>
und gerade die letztere Beziehung war von dem Oberconststorialrath Wiehern<lb/>
aufgenommen worden. Der Centralausschuß für innere Mission hatte eine<lb/>
Versammlung von Landwirthen und Männern der Wissenschaft Ende April<lb/>
1872 in Berlin veranlaßt, welche unter dem Vorsitz des Professor von der<lb/>
Goltz die Lage der ländlichen Arbeiter und die Mittel zu ihrer Aufbesserung<lb/>
besprach. Aus dieser Anregung bildete sich auch ein Deutscher Verein*<lb/>
ländlicher Arbeitgeber, der im Mai 1873 zusammenkam und sich unter<lb/>
dem Vorsitz des Grafen Stolberg-Wernigerode constituirte. Aber eine bleibende<lb/>
Wirksamkeit, ein eigentlicher Wirkungskreis schien dem neuen Verein nicht<lb/>
zuzufallen; in der Stille, ohne weitere Zeichen seines Lebens verschwand er<lb/>
von der Bühne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1169" next="#ID_1170"> Dagegen war im April 1872 eine sehr wichtige und sehr aussichtsreiche<lb/>
Neubildung geschehen, zu welcher die früheren Bemühungen des Congresses<lb/>
den Anstoß gegeben. Es trat die constituirende Versammlung des Deutschen<lb/>
Landwirthschastsrath es in Berlin am 8. April 1872 zusammen. Die<lb/>
Idee war, neben dem Landesökonomieeollegium in Preußen die landwirth-<lb/>
schaftlichen Vereine sämmtlich in einem Centralorgan zusammenzubringen<lb/>
und somit eine aus freier Vereinsthätigkeit geschaffene Vertretung dieses<lb/>
Standes ins Leben zu rufen. Die einzelnen Bereine wählten dazu ihre Ver¬<lb/>
treter; das Ganze konnte demnach als Ausfluß einer Art von Selbstverwaltung<lb/>
auf landwirthschaftlichem Gebiete gelten. Die Sache war so geordnet, daß<lb/>
alle berechtigten Wünsche und Forderungen der Landwirthe durch diese Or¬<lb/>
ganisation zum Ausdruck kommen konnten. Der deutsche Landwirthschaftsrath<lb/>
hatte einen bleibenden Ausschuß, er besoldete seinen Generalsecretair, anfangs<lb/>
den damaligen Redacteur des landwirtschaftlichen Centralblattes, Krocker in<lb/>
Berlin, sodann seit 1874 den Oekonomierath Hausburg aus Königsberg,<lb/>
bisher Secretair der preußischen landwirtschaftlichen Vereine. Und es lag,<lb/>
nachdem eine derartige geordnete Vertretung der landwirthschaftlichen Inder-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0452] wachsenen Materials wurde von der Goltz betraut; im April 1874 wurden von dem Ausschuß des Conzresses die Geldmittel zum Druck der Enquete bewilligt; Januar 1873 lag sie fertig vor und wurde am 9. Februar 1876 von der Enquetecommission dem Congresse selbst überreicht. Inzwischen aber hatten sich die Verhältnisse des Congresses so geändert, daß eine unerwartete und staunenswerthe Aufnahme dem Werke seitens des Congresses bereitet werden konnte. Derselben Aufgabe, die anscheinend der landwirthschaftliche Congreß auch unter seine Aufgaben mit Wohlwollen und Humanität aufgenommen hatte, wurde 1872 und 1873 auch noch von anderer Seite Aufmerksamkeit geschenkt. Die Hebung des Arbetterstandes bietet ja verschiedene Seiten dar, die materielle Verbesserung, die sociale Förderung, die sittliche und religiöse Einwirkung; und gerade die letztere Beziehung war von dem Oberconststorialrath Wiehern aufgenommen worden. Der Centralausschuß für innere Mission hatte eine Versammlung von Landwirthen und Männern der Wissenschaft Ende April 1872 in Berlin veranlaßt, welche unter dem Vorsitz des Professor von der Goltz die Lage der ländlichen Arbeiter und die Mittel zu ihrer Aufbesserung besprach. Aus dieser Anregung bildete sich auch ein Deutscher Verein* ländlicher Arbeitgeber, der im Mai 1873 zusammenkam und sich unter dem Vorsitz des Grafen Stolberg-Wernigerode constituirte. Aber eine bleibende Wirksamkeit, ein eigentlicher Wirkungskreis schien dem neuen Verein nicht zuzufallen; in der Stille, ohne weitere Zeichen seines Lebens verschwand er von der Bühne. Dagegen war im April 1872 eine sehr wichtige und sehr aussichtsreiche Neubildung geschehen, zu welcher die früheren Bemühungen des Congresses den Anstoß gegeben. Es trat die constituirende Versammlung des Deutschen Landwirthschastsrath es in Berlin am 8. April 1872 zusammen. Die Idee war, neben dem Landesökonomieeollegium in Preußen die landwirth- schaftlichen Vereine sämmtlich in einem Centralorgan zusammenzubringen und somit eine aus freier Vereinsthätigkeit geschaffene Vertretung dieses Standes ins Leben zu rufen. Die einzelnen Bereine wählten dazu ihre Ver¬ treter; das Ganze konnte demnach als Ausfluß einer Art von Selbstverwaltung auf landwirthschaftlichem Gebiete gelten. Die Sache war so geordnet, daß alle berechtigten Wünsche und Forderungen der Landwirthe durch diese Or¬ ganisation zum Ausdruck kommen konnten. Der deutsche Landwirthschaftsrath hatte einen bleibenden Ausschuß, er besoldete seinen Generalsecretair, anfangs den damaligen Redacteur des landwirtschaftlichen Centralblattes, Krocker in Berlin, sodann seit 1874 den Oekonomierath Hausburg aus Königsberg, bisher Secretair der preußischen landwirtschaftlichen Vereine. Und es lag, nachdem eine derartige geordnete Vertretung der landwirthschaftlichen Inder-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/452
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/452>, abgerufen am 27.09.2024.