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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Löschpapier gedruckt und mit einem Holzschnitt der Laokoongruppe versehen,
der in seiner technischen Ausführung an die Vignetten auf den Papierdüten
mancher Colonialwaarenhändler erinnert, erwähne ich nur der Vollständigkeit
wegen. Buschmann hat ebenfalls den Lessing'schen Text "bearbeitet" und die
Anmerkungen einfach gestrichen; seine Erläuterungen 'sind meistens aus den
Cosack'schen verkürzt, natürlich mit sorgfältiger Schonung der Fehler, hie und da
hat er aber auch selbständige Leistungen, den Cosack'schen ebenbürtig, hinzugefügt,
wie wenn er z. B. den Timomachus von Byzanz, den bekannten Maler der
Diadochenzeit, in das erste Jahrhundert nach Chr. versetzt, obgleich er richtig
hinzufügt, daß seine von Lessing erwähnten Gemälde Cäsar in Rom aufstellen
ließ. Was der Herausgeber mit seinem Buche neben dem von Cosack eigent¬
lich gewollt hat, ist schwer zu sagen.

Nicht ohne eigenthümlichen Werth ist die Ausgabe von Gosche*). Zwar
ist auch Gosche nicht Archäolog von Fach, so daß er, nach dem oben be¬
merkten, wenigstens nicht in erster Linie zu einer derartigen Arbeit berufen
ist. Archäologischen Fragen geht er denn auch in seinen Erläuterungen mög¬
lichst aus dem Wege. Dagegen sind, wie es von dem tüchtigen Literar¬
historiker nicht anders zu erwarten, seine literargeschichtlichen Anmerkungen
meist höchst dankenswert!), namentlich deshalb, weil sie immer zugleich dar¬
über orienttren, warum der oder jener Schriftsteller, dies oder jenes Buch gerade
an dieser Stelle von Lessing benutzt ist. An sachlicher Kritik fehlt es bei
Gosche wenigstens nicht ganz; in der Einleitung ebenso wie in den Anmerkungen
begegnet man ihr wiederholt. Den Lessing'schen Text findet man bei ihm
uncastrirt und im Wesentlichen correct. Hie und da hat Gosche auch sprach¬
liche Erläuterungen gegeben. An solchen fehlt es auch bet den beiden andern
Herausgebern nicht, doch zeichnen die von Gosche sich dadurch aus, daß sie
immer die sprachgeschichtliche Seite im Auge haben. Leider ist aus den An¬
merkungen in ihrer Gesammtheit nicht zu ersehen, was für Leser Gosche im
Auge gehabt hat. Daß er sich an höher gebildete wendet, als die andern
beiden, ist klar; aber seine Erläuterungen machen zu sehr den Eindruck des
Zufälligen; wo er nichts zu sagen gewußt hat, schweigt er sich aus. Uebrigens
gehört die Gosche'sche Ausgabe in die bekannte Sammlung " illustrirter"
Classtkerausgaben. durch die sich in den letzten Jahren der Grote'sche Verlag
verdient gemacht hat. Wer diese Ausgaben kennt, der weiß, daß ihre Illustra¬
tionen von ungleichem Werthe sind; und leider gehört der "Laokoon" zu
denjenigen Bänden, die am schlechtesten dabei weggekommen. Bei einer neuen



von Dr. I. Buschmann, Oberlehrer c>in Gymnasium zu Trier. Paderborn, Ferdinand
Schöningh. 1874.
'
') Lessings Laokoon. Herausgegeben von Richard Gosche. Berlin, Grote, 187V.

Löschpapier gedruckt und mit einem Holzschnitt der Laokoongruppe versehen,
der in seiner technischen Ausführung an die Vignetten auf den Papierdüten
mancher Colonialwaarenhändler erinnert, erwähne ich nur der Vollständigkeit
wegen. Buschmann hat ebenfalls den Lessing'schen Text „bearbeitet" und die
Anmerkungen einfach gestrichen; seine Erläuterungen 'sind meistens aus den
Cosack'schen verkürzt, natürlich mit sorgfältiger Schonung der Fehler, hie und da
hat er aber auch selbständige Leistungen, den Cosack'schen ebenbürtig, hinzugefügt,
wie wenn er z. B. den Timomachus von Byzanz, den bekannten Maler der
Diadochenzeit, in das erste Jahrhundert nach Chr. versetzt, obgleich er richtig
hinzufügt, daß seine von Lessing erwähnten Gemälde Cäsar in Rom aufstellen
ließ. Was der Herausgeber mit seinem Buche neben dem von Cosack eigent¬
lich gewollt hat, ist schwer zu sagen.

Nicht ohne eigenthümlichen Werth ist die Ausgabe von Gosche*). Zwar
ist auch Gosche nicht Archäolog von Fach, so daß er, nach dem oben be¬
merkten, wenigstens nicht in erster Linie zu einer derartigen Arbeit berufen
ist. Archäologischen Fragen geht er denn auch in seinen Erläuterungen mög¬
lichst aus dem Wege. Dagegen sind, wie es von dem tüchtigen Literar¬
historiker nicht anders zu erwarten, seine literargeschichtlichen Anmerkungen
meist höchst dankenswert!), namentlich deshalb, weil sie immer zugleich dar¬
über orienttren, warum der oder jener Schriftsteller, dies oder jenes Buch gerade
an dieser Stelle von Lessing benutzt ist. An sachlicher Kritik fehlt es bei
Gosche wenigstens nicht ganz; in der Einleitung ebenso wie in den Anmerkungen
begegnet man ihr wiederholt. Den Lessing'schen Text findet man bei ihm
uncastrirt und im Wesentlichen correct. Hie und da hat Gosche auch sprach¬
liche Erläuterungen gegeben. An solchen fehlt es auch bet den beiden andern
Herausgebern nicht, doch zeichnen die von Gosche sich dadurch aus, daß sie
immer die sprachgeschichtliche Seite im Auge haben. Leider ist aus den An¬
merkungen in ihrer Gesammtheit nicht zu ersehen, was für Leser Gosche im
Auge gehabt hat. Daß er sich an höher gebildete wendet, als die andern
beiden, ist klar; aber seine Erläuterungen machen zu sehr den Eindruck des
Zufälligen; wo er nichts zu sagen gewußt hat, schweigt er sich aus. Uebrigens
gehört die Gosche'sche Ausgabe in die bekannte Sammlung „ illustrirter"
Classtkerausgaben. durch die sich in den letzten Jahren der Grote'sche Verlag
verdient gemacht hat. Wer diese Ausgaben kennt, der weiß, daß ihre Illustra¬
tionen von ungleichem Werthe sind; und leider gehört der „Laokoon" zu
denjenigen Bänden, die am schlechtesten dabei weggekommen. Bei einer neuen



von Dr. I. Buschmann, Oberlehrer c>in Gymnasium zu Trier. Paderborn, Ferdinand
Schöningh. 1874.
'
') Lessings Laokoon. Herausgegeben von Richard Gosche. Berlin, Grote, 187V.
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[0419] Löschpapier gedruckt und mit einem Holzschnitt der Laokoongruppe versehen, der in seiner technischen Ausführung an die Vignetten auf den Papierdüten mancher Colonialwaarenhändler erinnert, erwähne ich nur der Vollständigkeit wegen. Buschmann hat ebenfalls den Lessing'schen Text „bearbeitet" und die Anmerkungen einfach gestrichen; seine Erläuterungen 'sind meistens aus den Cosack'schen verkürzt, natürlich mit sorgfältiger Schonung der Fehler, hie und da hat er aber auch selbständige Leistungen, den Cosack'schen ebenbürtig, hinzugefügt, wie wenn er z. B. den Timomachus von Byzanz, den bekannten Maler der Diadochenzeit, in das erste Jahrhundert nach Chr. versetzt, obgleich er richtig hinzufügt, daß seine von Lessing erwähnten Gemälde Cäsar in Rom aufstellen ließ. Was der Herausgeber mit seinem Buche neben dem von Cosack eigent¬ lich gewollt hat, ist schwer zu sagen. Nicht ohne eigenthümlichen Werth ist die Ausgabe von Gosche*). Zwar ist auch Gosche nicht Archäolog von Fach, so daß er, nach dem oben be¬ merkten, wenigstens nicht in erster Linie zu einer derartigen Arbeit berufen ist. Archäologischen Fragen geht er denn auch in seinen Erläuterungen mög¬ lichst aus dem Wege. Dagegen sind, wie es von dem tüchtigen Literar¬ historiker nicht anders zu erwarten, seine literargeschichtlichen Anmerkungen meist höchst dankenswert!), namentlich deshalb, weil sie immer zugleich dar¬ über orienttren, warum der oder jener Schriftsteller, dies oder jenes Buch gerade an dieser Stelle von Lessing benutzt ist. An sachlicher Kritik fehlt es bei Gosche wenigstens nicht ganz; in der Einleitung ebenso wie in den Anmerkungen begegnet man ihr wiederholt. Den Lessing'schen Text findet man bei ihm uncastrirt und im Wesentlichen correct. Hie und da hat Gosche auch sprach¬ liche Erläuterungen gegeben. An solchen fehlt es auch bet den beiden andern Herausgebern nicht, doch zeichnen die von Gosche sich dadurch aus, daß sie immer die sprachgeschichtliche Seite im Auge haben. Leider ist aus den An¬ merkungen in ihrer Gesammtheit nicht zu ersehen, was für Leser Gosche im Auge gehabt hat. Daß er sich an höher gebildete wendet, als die andern beiden, ist klar; aber seine Erläuterungen machen zu sehr den Eindruck des Zufälligen; wo er nichts zu sagen gewußt hat, schweigt er sich aus. Uebrigens gehört die Gosche'sche Ausgabe in die bekannte Sammlung „ illustrirter" Classtkerausgaben. durch die sich in den letzten Jahren der Grote'sche Verlag verdient gemacht hat. Wer diese Ausgaben kennt, der weiß, daß ihre Illustra¬ tionen von ungleichem Werthe sind; und leider gehört der „Laokoon" zu denjenigen Bänden, die am schlechtesten dabei weggekommen. Bei einer neuen von Dr. I. Buschmann, Oberlehrer c>in Gymnasium zu Trier. Paderborn, Ferdinand Schöningh. 1874. ' ') Lessings Laokoon. Herausgegeben von Richard Gosche. Berlin, Grote, 187V.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/419>, abgerufen am 27.09.2024.