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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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legen mögen, können wir doch nicht verkennen, daß sie einen altsemitischen
Kern enthalten. Die Anklänge an die mosaische Schöpfungsgeschichte sind
schwerlich aus den heiligen Urkunden Israels entlehnt, sondern beruhen höchst
wahrscheinlich auf Vorstellungen, welche die Jsraeliten von ihren Ursprüngen
her mit ihren Stammverwandten gemein hatten.

Die zweite Abhandlung beschäftigt sich mit der noch nirgends ausführlich
erörterten Frage nach der Stellung des Alten Testaments zum Heidenthume.
Das Endergebniß ist hier folgendes. Die volksthümliche Anschauung Israels
betrachtete die Götter der Heidenwelt als "Elohim" wie Jehova. Noch bei
Ezechiel's Zeitgenossen war letzterer eine Lokalgottheit. Auch die geistig Ge¬
wecktesten des Volkes werden in älterer Zeit diese Anschauung getheilt haben.
Von den alttestamentlichen Schriftstellern denkt sich aber wohl keiner Jehova
nur als einen Volksgott. Sie reden zwar bis in die nachexilische Zeit hinein
von den heidnischen Gottheiten als von "Elohim," aber auch wir bezeichnen
ja ohne Bedenken die Gegenstände der Verehrung bei den Heiden als Götter.
Mit Sicherheit ist zu behaupten, daß die Propheten von Hosea an für Israel
keine andere reale göttliche Macht anerkennen neben Jehova, und daß nach
ihrer Anschauung die Götter für Israel blos als Bilder Dasein haben.
Daß sie aber auch für die Heiden nichts als Bilder seien, denen keine
wirklichen Götter entsprechen, wird zuerst von dem Deuteronomiker und Jeremia
und unter den Späteren besonders deutlich vom Deutero-Jesaja verkündet. Der
Deuteronomiker und Jesaja zeigen sich dabei auf der Grenzscheide der beiden An¬
schauungen stehend, indem sie häufig von "andern Göttern" oder "Göttern der
Fremde" oder auch einfach von "Göttern" reden, während die späteren Propheten
(Mal. 2,11 ausgenommen) sich dieser Ausdrücke ohne hinzugefügte Rectificirung
nicht mehr bedienen. Allein lediglich jene Be Nennungen haben der Deuterono¬
miker und Jeremia noch aus der älteren Anschauung behalten; wo sie von diesen
Göttern Aussagen thun, erkennen sie ihnen jene Realität als Götter nicht
zu. Parallellaufend mit der Entwickelung der Auffassung von den Heiden¬
göttern läßt sich eine Ausbildung der Anschauung von der Einzigkeit Je-
hova's nachweisen. Es sind drei Stufen, welche wir, seitdem in Israel ein ein¬
ziger Gott verehrt wurde, in der Entwickelung der Vorstellung von der
Einzigkeit dieses Gottes bemerken. Aus der ältesten Auffassung Jehova's als
alleinigen Gottes der Nation bildet sich die eines einzigen Gottes heraus,
der aber zunächst nur nach seiner Bedeutung für Israel in das Bewußtsein
tritt. Erst auf einer dritten Stufe wird die auf der zweiten schon latente
Folgerung wirklich gezogen, daß es neben diesem Gotte auch für andere
Völker keine Götter gebe.

Der dritte Aufsatz zeigt die Haltlosigkeit der Annahme eines heidnischen
Gottes Jao -- Jahwe, welche gerade in der neueren Zeit viele Vertreter


legen mögen, können wir doch nicht verkennen, daß sie einen altsemitischen
Kern enthalten. Die Anklänge an die mosaische Schöpfungsgeschichte sind
schwerlich aus den heiligen Urkunden Israels entlehnt, sondern beruhen höchst
wahrscheinlich auf Vorstellungen, welche die Jsraeliten von ihren Ursprüngen
her mit ihren Stammverwandten gemein hatten.

Die zweite Abhandlung beschäftigt sich mit der noch nirgends ausführlich
erörterten Frage nach der Stellung des Alten Testaments zum Heidenthume.
Das Endergebniß ist hier folgendes. Die volksthümliche Anschauung Israels
betrachtete die Götter der Heidenwelt als „Elohim" wie Jehova. Noch bei
Ezechiel's Zeitgenossen war letzterer eine Lokalgottheit. Auch die geistig Ge¬
wecktesten des Volkes werden in älterer Zeit diese Anschauung getheilt haben.
Von den alttestamentlichen Schriftstellern denkt sich aber wohl keiner Jehova
nur als einen Volksgott. Sie reden zwar bis in die nachexilische Zeit hinein
von den heidnischen Gottheiten als von „Elohim," aber auch wir bezeichnen
ja ohne Bedenken die Gegenstände der Verehrung bei den Heiden als Götter.
Mit Sicherheit ist zu behaupten, daß die Propheten von Hosea an für Israel
keine andere reale göttliche Macht anerkennen neben Jehova, und daß nach
ihrer Anschauung die Götter für Israel blos als Bilder Dasein haben.
Daß sie aber auch für die Heiden nichts als Bilder seien, denen keine
wirklichen Götter entsprechen, wird zuerst von dem Deuteronomiker und Jeremia
und unter den Späteren besonders deutlich vom Deutero-Jesaja verkündet. Der
Deuteronomiker und Jesaja zeigen sich dabei auf der Grenzscheide der beiden An¬
schauungen stehend, indem sie häufig von „andern Göttern" oder „Göttern der
Fremde" oder auch einfach von „Göttern" reden, während die späteren Propheten
(Mal. 2,11 ausgenommen) sich dieser Ausdrücke ohne hinzugefügte Rectificirung
nicht mehr bedienen. Allein lediglich jene Be Nennungen haben der Deuterono¬
miker und Jeremia noch aus der älteren Anschauung behalten; wo sie von diesen
Göttern Aussagen thun, erkennen sie ihnen jene Realität als Götter nicht
zu. Parallellaufend mit der Entwickelung der Auffassung von den Heiden¬
göttern läßt sich eine Ausbildung der Anschauung von der Einzigkeit Je-
hova's nachweisen. Es sind drei Stufen, welche wir, seitdem in Israel ein ein¬
ziger Gott verehrt wurde, in der Entwickelung der Vorstellung von der
Einzigkeit dieses Gottes bemerken. Aus der ältesten Auffassung Jehova's als
alleinigen Gottes der Nation bildet sich die eines einzigen Gottes heraus,
der aber zunächst nur nach seiner Bedeutung für Israel in das Bewußtsein
tritt. Erst auf einer dritten Stufe wird die auf der zweiten schon latente
Folgerung wirklich gezogen, daß es neben diesem Gotte auch für andere
Völker keine Götter gebe.

Der dritte Aufsatz zeigt die Haltlosigkeit der Annahme eines heidnischen
Gottes Jao — Jahwe, welche gerade in der neueren Zeit viele Vertreter


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[0404] legen mögen, können wir doch nicht verkennen, daß sie einen altsemitischen Kern enthalten. Die Anklänge an die mosaische Schöpfungsgeschichte sind schwerlich aus den heiligen Urkunden Israels entlehnt, sondern beruhen höchst wahrscheinlich auf Vorstellungen, welche die Jsraeliten von ihren Ursprüngen her mit ihren Stammverwandten gemein hatten. Die zweite Abhandlung beschäftigt sich mit der noch nirgends ausführlich erörterten Frage nach der Stellung des Alten Testaments zum Heidenthume. Das Endergebniß ist hier folgendes. Die volksthümliche Anschauung Israels betrachtete die Götter der Heidenwelt als „Elohim" wie Jehova. Noch bei Ezechiel's Zeitgenossen war letzterer eine Lokalgottheit. Auch die geistig Ge¬ wecktesten des Volkes werden in älterer Zeit diese Anschauung getheilt haben. Von den alttestamentlichen Schriftstellern denkt sich aber wohl keiner Jehova nur als einen Volksgott. Sie reden zwar bis in die nachexilische Zeit hinein von den heidnischen Gottheiten als von „Elohim," aber auch wir bezeichnen ja ohne Bedenken die Gegenstände der Verehrung bei den Heiden als Götter. Mit Sicherheit ist zu behaupten, daß die Propheten von Hosea an für Israel keine andere reale göttliche Macht anerkennen neben Jehova, und daß nach ihrer Anschauung die Götter für Israel blos als Bilder Dasein haben. Daß sie aber auch für die Heiden nichts als Bilder seien, denen keine wirklichen Götter entsprechen, wird zuerst von dem Deuteronomiker und Jeremia und unter den Späteren besonders deutlich vom Deutero-Jesaja verkündet. Der Deuteronomiker und Jesaja zeigen sich dabei auf der Grenzscheide der beiden An¬ schauungen stehend, indem sie häufig von „andern Göttern" oder „Göttern der Fremde" oder auch einfach von „Göttern" reden, während die späteren Propheten (Mal. 2,11 ausgenommen) sich dieser Ausdrücke ohne hinzugefügte Rectificirung nicht mehr bedienen. Allein lediglich jene Be Nennungen haben der Deuterono¬ miker und Jeremia noch aus der älteren Anschauung behalten; wo sie von diesen Göttern Aussagen thun, erkennen sie ihnen jene Realität als Götter nicht zu. Parallellaufend mit der Entwickelung der Auffassung von den Heiden¬ göttern läßt sich eine Ausbildung der Anschauung von der Einzigkeit Je- hova's nachweisen. Es sind drei Stufen, welche wir, seitdem in Israel ein ein¬ ziger Gott verehrt wurde, in der Entwickelung der Vorstellung von der Einzigkeit dieses Gottes bemerken. Aus der ältesten Auffassung Jehova's als alleinigen Gottes der Nation bildet sich die eines einzigen Gottes heraus, der aber zunächst nur nach seiner Bedeutung für Israel in das Bewußtsein tritt. Erst auf einer dritten Stufe wird die auf der zweiten schon latente Folgerung wirklich gezogen, daß es neben diesem Gotte auch für andere Völker keine Götter gebe. Der dritte Aufsatz zeigt die Haltlosigkeit der Annahme eines heidnischen Gottes Jao — Jahwe, welche gerade in der neueren Zeit viele Vertreter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/404>, abgerufen am 27.09.2024.