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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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mit schwerer Strafe, mindestens mit dreimonatlichen Gefängniß, und der¬
jenige, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines
Amtes einen Hausfriedensbruch begeht, mit Gefängniß bis zu einem Jahr
oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft werden soll.*)
Auch darf hier nicht unerwähnt bleiben, wie man neuerdings mittels der
durch das nunmehrige Reichsgesetz vom 29. Mai 1868 verfügten Aufhebung
der Schuldhaft als Zahlungs - Zwangsmittel dem Princip der persönlichen
Freiheit in bedeutungsvoller und viel weiter gehender Weise Rechnung
getragen hat, als dies in den Frankfurter Grundrechten geschehen war.

Wenn ferner im Art. III das Briefgeheimniß gewährleistet wurde,
so ist eben dasselbe im §. 5 des Reichspostgesetzes vom 28. October 1871 ge¬
schehen, und das deutsche Strafgesetz hat außerdem die gegen Postbeamte, welche
sich einer Verletzung des Briefgeheimnisses oder einer rechtswidrigen Unter¬
drückung von Briefen oder Packeten schuldig machen, gerichteten Strafvor¬
schriften in cousequenter Weise auch auf die Verletzung des Telegraphenge¬
heimnisses und auf die Verfälschung und Unterdrückung von Telegrammen
ausgedehnt.**)

Wenn endlich der Art. III die Strafen des Prangers, der Brandmar¬
kung und der körperlichen Züchtigung abschaffte, so genügt es, hier daran
zu erinnern, daß diese Strafarten dem heutigen Strafsystem fremd sind.
Was aber die hier gleichfalls verfügte Abschaffung der Todesstrafe anbe¬
langt, so sind die Acten hierüber bekanntlich noch nicht geschlossen, und ein
näheres Eingehen auf die große Controverse würde sich mit der Oeconomie
dieser Abhandlung nicht vertragen. Wenn übrigens in diesem Streit noch
vielfach Unklarheit und Verwirrung herrscht, so ist dies zumeist darauf zu¬
rückzuführen, daß die beiden hier zu beantworteten Fragen nur zu oft durch¬
einander geworfen werden: nämlich die rechtsphylosophische, ob der Staat
an sich das Recht zur Todesstrafe habe, und die rechtspolitische Frage, ob es
zweckmäßig sei, von diesem Rechte noch Gebrauch zu machen. Daß auch die
deutschen Grundrechte die erste Frage nicht verneinen wollten, geht daraus
hervor, daß sie die Todesstrafe da beibehielten, wo sie das Kriegsrecht oder
das Seerecht im Fall von Meutereien zulassen, so daß also das aufgestellte
Princip durchlöchert ward. Was aber die zweite Frage anbelangt, so scheint
es fast, als ob sich gegenwärtig die Mehrheit nicht mit Unrecht der Ansicht
zuneigte, daß unsere Herren Verbrecher noch nicht auf derjenigen Cultur¬
stufe angelangt seien, welche die Todesstrafe als entbehrlich erscheinen lassen
Möchte.




") Reichsstrafgesetzbuch dz§> 341. 239. 342. 123. 358.
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) §Z. 354. SSö. 3S8. ibis.
Grenzboten III. 1876. 47

mit schwerer Strafe, mindestens mit dreimonatlichen Gefängniß, und der¬
jenige, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines
Amtes einen Hausfriedensbruch begeht, mit Gefängniß bis zu einem Jahr
oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft werden soll.*)
Auch darf hier nicht unerwähnt bleiben, wie man neuerdings mittels der
durch das nunmehrige Reichsgesetz vom 29. Mai 1868 verfügten Aufhebung
der Schuldhaft als Zahlungs - Zwangsmittel dem Princip der persönlichen
Freiheit in bedeutungsvoller und viel weiter gehender Weise Rechnung
getragen hat, als dies in den Frankfurter Grundrechten geschehen war.

Wenn ferner im Art. III das Briefgeheimniß gewährleistet wurde,
so ist eben dasselbe im §. 5 des Reichspostgesetzes vom 28. October 1871 ge¬
schehen, und das deutsche Strafgesetz hat außerdem die gegen Postbeamte, welche
sich einer Verletzung des Briefgeheimnisses oder einer rechtswidrigen Unter¬
drückung von Briefen oder Packeten schuldig machen, gerichteten Strafvor¬
schriften in cousequenter Weise auch auf die Verletzung des Telegraphenge¬
heimnisses und auf die Verfälschung und Unterdrückung von Telegrammen
ausgedehnt.**)

Wenn endlich der Art. III die Strafen des Prangers, der Brandmar¬
kung und der körperlichen Züchtigung abschaffte, so genügt es, hier daran
zu erinnern, daß diese Strafarten dem heutigen Strafsystem fremd sind.
Was aber die hier gleichfalls verfügte Abschaffung der Todesstrafe anbe¬
langt, so sind die Acten hierüber bekanntlich noch nicht geschlossen, und ein
näheres Eingehen auf die große Controverse würde sich mit der Oeconomie
dieser Abhandlung nicht vertragen. Wenn übrigens in diesem Streit noch
vielfach Unklarheit und Verwirrung herrscht, so ist dies zumeist darauf zu¬
rückzuführen, daß die beiden hier zu beantworteten Fragen nur zu oft durch¬
einander geworfen werden: nämlich die rechtsphylosophische, ob der Staat
an sich das Recht zur Todesstrafe habe, und die rechtspolitische Frage, ob es
zweckmäßig sei, von diesem Rechte noch Gebrauch zu machen. Daß auch die
deutschen Grundrechte die erste Frage nicht verneinen wollten, geht daraus
hervor, daß sie die Todesstrafe da beibehielten, wo sie das Kriegsrecht oder
das Seerecht im Fall von Meutereien zulassen, so daß also das aufgestellte
Princip durchlöchert ward. Was aber die zweite Frage anbelangt, so scheint
es fast, als ob sich gegenwärtig die Mehrheit nicht mit Unrecht der Ansicht
zuneigte, daß unsere Herren Verbrecher noch nicht auf derjenigen Cultur¬
stufe angelangt seien, welche die Todesstrafe als entbehrlich erscheinen lassen
Möchte.




") Reichsstrafgesetzbuch dz§> 341. 239. 342. 123. 358.
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[0377] mit schwerer Strafe, mindestens mit dreimonatlichen Gefängniß, und der¬ jenige, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes einen Hausfriedensbruch begeht, mit Gefängniß bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft werden soll.*) Auch darf hier nicht unerwähnt bleiben, wie man neuerdings mittels der durch das nunmehrige Reichsgesetz vom 29. Mai 1868 verfügten Aufhebung der Schuldhaft als Zahlungs - Zwangsmittel dem Princip der persönlichen Freiheit in bedeutungsvoller und viel weiter gehender Weise Rechnung getragen hat, als dies in den Frankfurter Grundrechten geschehen war. Wenn ferner im Art. III das Briefgeheimniß gewährleistet wurde, so ist eben dasselbe im §. 5 des Reichspostgesetzes vom 28. October 1871 ge¬ schehen, und das deutsche Strafgesetz hat außerdem die gegen Postbeamte, welche sich einer Verletzung des Briefgeheimnisses oder einer rechtswidrigen Unter¬ drückung von Briefen oder Packeten schuldig machen, gerichteten Strafvor¬ schriften in cousequenter Weise auch auf die Verletzung des Telegraphenge¬ heimnisses und auf die Verfälschung und Unterdrückung von Telegrammen ausgedehnt.**) Wenn endlich der Art. III die Strafen des Prangers, der Brandmar¬ kung und der körperlichen Züchtigung abschaffte, so genügt es, hier daran zu erinnern, daß diese Strafarten dem heutigen Strafsystem fremd sind. Was aber die hier gleichfalls verfügte Abschaffung der Todesstrafe anbe¬ langt, so sind die Acten hierüber bekanntlich noch nicht geschlossen, und ein näheres Eingehen auf die große Controverse würde sich mit der Oeconomie dieser Abhandlung nicht vertragen. Wenn übrigens in diesem Streit noch vielfach Unklarheit und Verwirrung herrscht, so ist dies zumeist darauf zu¬ rückzuführen, daß die beiden hier zu beantworteten Fragen nur zu oft durch¬ einander geworfen werden: nämlich die rechtsphylosophische, ob der Staat an sich das Recht zur Todesstrafe habe, und die rechtspolitische Frage, ob es zweckmäßig sei, von diesem Rechte noch Gebrauch zu machen. Daß auch die deutschen Grundrechte die erste Frage nicht verneinen wollten, geht daraus hervor, daß sie die Todesstrafe da beibehielten, wo sie das Kriegsrecht oder das Seerecht im Fall von Meutereien zulassen, so daß also das aufgestellte Princip durchlöchert ward. Was aber die zweite Frage anbelangt, so scheint es fast, als ob sich gegenwärtig die Mehrheit nicht mit Unrecht der Ansicht zuneigte, daß unsere Herren Verbrecher noch nicht auf derjenigen Cultur¬ stufe angelangt seien, welche die Todesstrafe als entbehrlich erscheinen lassen Möchte. ") Reichsstrafgesetzbuch dz§> 341. 239. 342. 123. 358. - ) §Z. 354. SSö. 3S8. ibis. Grenzboten III. 1876. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/377>, abgerufen am 27.09.2024.