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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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schenken oder anderen Vortheilen für Amtshandlungen eines Beamten in dem
deutschen Strafgesetzbuch (§. 331) überhaupt untersagt und mit Strafe bedroht
ist, soll hier nicht unerwähnt bleiben.

Dagegen enthielt der Art. II am Schluß eine eben so richtige als wich¬
tige Bestimmung: "Die Wehrpflicht ist für Alle gleich. Stellvertretung bei
derselben findet nicht statt." Dieser Grundsatz ist bekanntlich auch in die
norddeutsche Bundes- und nunmehrige Reichsverfassung (Art. 57) aufgenom¬
men und in der Mtlitärgeseygebung des Reichs des Näheren ausgeführt
worden.*)

Der Artikel III der Grundrechte sollte gewissermaßen die Habeas-Corpus-
Akte der Deutschen enthalten. Es wurden hier nämlich die Unverletzlich-
keit der Person und der Wohnung garantirt und die Voraussetzun¬
gen festgestellt, unter denen die Verhaftung einer Person, die Haussuchung
und die Beschlagnahme von Briefen und Papieren zulässig sein sollten. Die
Unverletzlichkeit der Person ist dermalen in einer Reihe deutscher Verfassungs¬
urkunden schon ausdrücklich gewährleistet,**) auch erkennt das deutsche Reichs¬
strafgesetzbuch die persönliche Freiheit der Staatsbürger und die Unverletzlich¬
keit der Wohnung in seinen Strafbestimmungen über widerrechtliche Frei¬
heitsentziehung (§§. 234 ff.) und über den Hausfriedensbruch (§Z. 123) an.
Zudem haben die Strafproceßordnungen der einzelnen deutschen Staaten die
Modalitäten, unter welchen Verhaftungen, Durchsuchungen und Beschlag¬
nahmen zulässig sind, ebenfalls in mehr oder weniger ausführlicher Weise
bestimmt***) und zwar können die darüber in den Frankfurter Grundrechten ent-
haltenen Vorschriften als dem modernen Strafproceßrecht gemeinsam bezeichnet
werden. Auch der Entwurf einer allgemeinen deutschen Strafproceßordnungl)
stimmt im Wesentlichen mit den Sätzen des Art. III überein, namentlich
darin, daß Verhaftung und Durchsuchung der Regel nach nur auf Grund
richterlichen Befehls erfolgen sollen, außer wenn Gefahr an dem Verzug
haftet, (nach Art. III der Grundrechte "außer im Falle der Ergreifung auf
frischer That") sowie in der Vorschrift, daß der in vorläufige polizeiliche
Verwahrung Genommene "unverzüglich" dem Richter zuzuführen ist (nach
Art. III "im Laufe des folgenden Tags"). Dabei haben wir ferner auch
der Vorschriften unseres Reichsstrafgesetzbuches zu gedenken, wonach der Beamte,
welcher vorsätzlicher und unberechtigter Weise eine Freiheitsentziehung verfügt,






'> Vgl. Seydel, das Kriegswesen des deutschen Reichs in Hirth's Annalen, 1874,
S. 1035; 1875, S. 1394 ff.
") Vgl. z, B. Preuß. Verf. Art. Art. ö. Bayer. Verf. Art. 7. 1. IV. Z. 8. Würtemb.
Verf. Art. Z. 24. 26. Bad. Verf. Art. §. 13. 15.
Vgl. die dcsfcillsige Zusammenstellung bei Su ndelin, die Ilabeas-Oorvris-Acte und
Vorschriften zum Schutze der Person in den Deutschen Strafproceß-Gesetzen (Verl. 1862).
'
1) Vgl. Entwurf einer deutschen Strasproceßoronung §§. 85 ff.

schenken oder anderen Vortheilen für Amtshandlungen eines Beamten in dem
deutschen Strafgesetzbuch (§. 331) überhaupt untersagt und mit Strafe bedroht
ist, soll hier nicht unerwähnt bleiben.

Dagegen enthielt der Art. II am Schluß eine eben so richtige als wich¬
tige Bestimmung: „Die Wehrpflicht ist für Alle gleich. Stellvertretung bei
derselben findet nicht statt." Dieser Grundsatz ist bekanntlich auch in die
norddeutsche Bundes- und nunmehrige Reichsverfassung (Art. 57) aufgenom¬
men und in der Mtlitärgeseygebung des Reichs des Näheren ausgeführt
worden.*)

Der Artikel III der Grundrechte sollte gewissermaßen die Habeas-Corpus-
Akte der Deutschen enthalten. Es wurden hier nämlich die Unverletzlich-
keit der Person und der Wohnung garantirt und die Voraussetzun¬
gen festgestellt, unter denen die Verhaftung einer Person, die Haussuchung
und die Beschlagnahme von Briefen und Papieren zulässig sein sollten. Die
Unverletzlichkeit der Person ist dermalen in einer Reihe deutscher Verfassungs¬
urkunden schon ausdrücklich gewährleistet,**) auch erkennt das deutsche Reichs¬
strafgesetzbuch die persönliche Freiheit der Staatsbürger und die Unverletzlich¬
keit der Wohnung in seinen Strafbestimmungen über widerrechtliche Frei¬
heitsentziehung (§§. 234 ff.) und über den Hausfriedensbruch (§Z. 123) an.
Zudem haben die Strafproceßordnungen der einzelnen deutschen Staaten die
Modalitäten, unter welchen Verhaftungen, Durchsuchungen und Beschlag¬
nahmen zulässig sind, ebenfalls in mehr oder weniger ausführlicher Weise
bestimmt***) und zwar können die darüber in den Frankfurter Grundrechten ent-
haltenen Vorschriften als dem modernen Strafproceßrecht gemeinsam bezeichnet
werden. Auch der Entwurf einer allgemeinen deutschen Strafproceßordnungl)
stimmt im Wesentlichen mit den Sätzen des Art. III überein, namentlich
darin, daß Verhaftung und Durchsuchung der Regel nach nur auf Grund
richterlichen Befehls erfolgen sollen, außer wenn Gefahr an dem Verzug
haftet, (nach Art. III der Grundrechte „außer im Falle der Ergreifung auf
frischer That") sowie in der Vorschrift, daß der in vorläufige polizeiliche
Verwahrung Genommene „unverzüglich" dem Richter zuzuführen ist (nach
Art. III „im Laufe des folgenden Tags"). Dabei haben wir ferner auch
der Vorschriften unseres Reichsstrafgesetzbuches zu gedenken, wonach der Beamte,
welcher vorsätzlicher und unberechtigter Weise eine Freiheitsentziehung verfügt,






'> Vgl. Seydel, das Kriegswesen des deutschen Reichs in Hirth's Annalen, 1874,
S. 1035; 1875, S. 1394 ff.
") Vgl. z, B. Preuß. Verf. Art. Art. ö. Bayer. Verf. Art. 7. 1. IV. Z. 8. Würtemb.
Verf. Art. Z. 24. 26. Bad. Verf. Art. §. 13. 15.
Vgl. die dcsfcillsige Zusammenstellung bei Su ndelin, die Ilabeas-Oorvris-Acte und
Vorschriften zum Schutze der Person in den Deutschen Strafproceß-Gesetzen (Verl. 1862).
'
1) Vgl. Entwurf einer deutschen Strasproceßoronung §§. 85 ff.
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[0376] schenken oder anderen Vortheilen für Amtshandlungen eines Beamten in dem deutschen Strafgesetzbuch (§. 331) überhaupt untersagt und mit Strafe bedroht ist, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Dagegen enthielt der Art. II am Schluß eine eben so richtige als wich¬ tige Bestimmung: „Die Wehrpflicht ist für Alle gleich. Stellvertretung bei derselben findet nicht statt." Dieser Grundsatz ist bekanntlich auch in die norddeutsche Bundes- und nunmehrige Reichsverfassung (Art. 57) aufgenom¬ men und in der Mtlitärgeseygebung des Reichs des Näheren ausgeführt worden.*) Der Artikel III der Grundrechte sollte gewissermaßen die Habeas-Corpus- Akte der Deutschen enthalten. Es wurden hier nämlich die Unverletzlich- keit der Person und der Wohnung garantirt und die Voraussetzun¬ gen festgestellt, unter denen die Verhaftung einer Person, die Haussuchung und die Beschlagnahme von Briefen und Papieren zulässig sein sollten. Die Unverletzlichkeit der Person ist dermalen in einer Reihe deutscher Verfassungs¬ urkunden schon ausdrücklich gewährleistet,**) auch erkennt das deutsche Reichs¬ strafgesetzbuch die persönliche Freiheit der Staatsbürger und die Unverletzlich¬ keit der Wohnung in seinen Strafbestimmungen über widerrechtliche Frei¬ heitsentziehung (§§. 234 ff.) und über den Hausfriedensbruch (§Z. 123) an. Zudem haben die Strafproceßordnungen der einzelnen deutschen Staaten die Modalitäten, unter welchen Verhaftungen, Durchsuchungen und Beschlag¬ nahmen zulässig sind, ebenfalls in mehr oder weniger ausführlicher Weise bestimmt***) und zwar können die darüber in den Frankfurter Grundrechten ent- haltenen Vorschriften als dem modernen Strafproceßrecht gemeinsam bezeichnet werden. Auch der Entwurf einer allgemeinen deutschen Strafproceßordnungl) stimmt im Wesentlichen mit den Sätzen des Art. III überein, namentlich darin, daß Verhaftung und Durchsuchung der Regel nach nur auf Grund richterlichen Befehls erfolgen sollen, außer wenn Gefahr an dem Verzug haftet, (nach Art. III der Grundrechte „außer im Falle der Ergreifung auf frischer That") sowie in der Vorschrift, daß der in vorläufige polizeiliche Verwahrung Genommene „unverzüglich" dem Richter zuzuführen ist (nach Art. III „im Laufe des folgenden Tags"). Dabei haben wir ferner auch der Vorschriften unseres Reichsstrafgesetzbuches zu gedenken, wonach der Beamte, welcher vorsätzlicher und unberechtigter Weise eine Freiheitsentziehung verfügt, '> Vgl. Seydel, das Kriegswesen des deutschen Reichs in Hirth's Annalen, 1874, S. 1035; 1875, S. 1394 ff. ") Vgl. z, B. Preuß. Verf. Art. Art. ö. Bayer. Verf. Art. 7. 1. IV. Z. 8. Würtemb. Verf. Art. Z. 24. 26. Bad. Verf. Art. §. 13. 15. Vgl. die dcsfcillsige Zusammenstellung bei Su ndelin, die Ilabeas-Oorvris-Acte und Vorschriften zum Schutze der Person in den Deutschen Strafproceß-Gesetzen (Verl. 1862). ' 1) Vgl. Entwurf einer deutschen Strasproceßoronung §§. 85 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/376>, abgerufen am 27.09.2024.