Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

widersetzen? Hinweg, hinweg! Siehe zu, daß ich über diesen Gegenstand
keinen Dreck mehr zu fressen bekomme." Der Scheich ni Islam entfernte sich
tief betroffen, und an einem der nächsten Tage erschien ein Fetwah, nach
welchem es erlaubt war, das Feß mit einem Schirme zu versehen. Seltsamer
Weise aber sträubten sich jetzt die Soldaten gegen die Neuerung, welche eine
fränkische Sitte einführte, und da der Seriasker Meutereien befürchtete, so
wurde die Sache aufgegeben. Die Sitte der Franken aber, Hüte mit Rän¬
dern und Mützen mit Schirmen zu tragen, wird im Orient damit erklärt,
daß die Ungläubigen es nicht wagen dürfen, dem zornigen Auge des Allmäch¬
tigen zu begegnen.

Die Schuhe werden ungeschwärzt getragen, wie denn überhaupt in der
Bekleidung und Ausrüstung des Mannes alles vermieden ist. was ihn zum
Putzen nöthigen und dadurch seine Bequemlichkeit und Behaglichkeit beein¬
trächtigen könnte. Die Reiterei unterscheidet sich von der Infanterie nur da¬
durch, daß ihre Jacke verschnürt ist, und daß sie anstatt Schuhe Stiefeln
trägt. Die Unteroffiziersgrade sind durch rothe Streifen, die der Offiziere
durch goldne und silberne Borten an den Aermeln kenntlich gemacht, und
zwar ist der Leutnant (Mülasim) mit einer goldnen, der Ins Baschi (Haupt¬
mann) mit einer goldnen und einer silbernen, der Adjutant (Koi Agassi) mit zwei
goldenen, der Bataillonschef oder Major (Bim Baschi) mit drei goldenen, der
Oberstleutnant (Kaim Makam) mit zwei goldnen und zwei silbernen und
der Oberst mit vier goldnen Borten ausgezeichnet. Die Offiziere beziehen bis
zum Hauptmann hinauf zu ihrer Uniform, welche ebenfalls blau ist. aber
aus einem Waffenrock mit einer Reihe Knöpfen und langen Beinkleidern be¬
steht, das Material vom Staate mit einem jährlichen Pauschquantum für die
Anfertigung. Auch werden ihnen die Waffen und Pferde geliefert.

In Konstantinopel sorgt die Heeresleitung für tadellose Bekleidung. In
den Provinzen läßt letztere häufig viel zu wünschen übrig; denn hier werden
die Truppen vielfach nur mit Uniformen bekleidet, welche die Garnison der
Reichshauptstadt halb abgetragen und dann abgelegt hat. Sehr oft steht man
in Syrien und Kleinasten Soldaten barfuß auf die Wache ziehen, und häu¬
figer noch begegnet man Schildwachen. welche ihre Schuhe hinten niederge¬
treten und so gewissermaßen in Pantoffeln verwandelt haben. Bewassnet ist
die Infanterie mit dem Snider-Gewehr, die Kavallerie theils mit Lanzen, an
denen sich rothe Fähnchen befinden (4 Schwadronen per Regiment), theils
mit Winchester-Karabinern (2 Schwadronen) und Revolvern. Die Artillerie
führt vier- und sechspfündige Hinterladergeschütze, die Gebirgsbatterien bestehen
aus dreipfündigen Withworth-Kanonen.

Ein sehr fühlbarer Mangel bei der Ausrüstung der türkischen Truppen
ist die Unzulänglichkeit der Feldgeräthe, und auch die Magazine der Haupt-


widersetzen? Hinweg, hinweg! Siehe zu, daß ich über diesen Gegenstand
keinen Dreck mehr zu fressen bekomme." Der Scheich ni Islam entfernte sich
tief betroffen, und an einem der nächsten Tage erschien ein Fetwah, nach
welchem es erlaubt war, das Feß mit einem Schirme zu versehen. Seltsamer
Weise aber sträubten sich jetzt die Soldaten gegen die Neuerung, welche eine
fränkische Sitte einführte, und da der Seriasker Meutereien befürchtete, so
wurde die Sache aufgegeben. Die Sitte der Franken aber, Hüte mit Rän¬
dern und Mützen mit Schirmen zu tragen, wird im Orient damit erklärt,
daß die Ungläubigen es nicht wagen dürfen, dem zornigen Auge des Allmäch¬
tigen zu begegnen.

Die Schuhe werden ungeschwärzt getragen, wie denn überhaupt in der
Bekleidung und Ausrüstung des Mannes alles vermieden ist. was ihn zum
Putzen nöthigen und dadurch seine Bequemlichkeit und Behaglichkeit beein¬
trächtigen könnte. Die Reiterei unterscheidet sich von der Infanterie nur da¬
durch, daß ihre Jacke verschnürt ist, und daß sie anstatt Schuhe Stiefeln
trägt. Die Unteroffiziersgrade sind durch rothe Streifen, die der Offiziere
durch goldne und silberne Borten an den Aermeln kenntlich gemacht, und
zwar ist der Leutnant (Mülasim) mit einer goldnen, der Ins Baschi (Haupt¬
mann) mit einer goldnen und einer silbernen, der Adjutant (Koi Agassi) mit zwei
goldenen, der Bataillonschef oder Major (Bim Baschi) mit drei goldenen, der
Oberstleutnant (Kaim Makam) mit zwei goldnen und zwei silbernen und
der Oberst mit vier goldnen Borten ausgezeichnet. Die Offiziere beziehen bis
zum Hauptmann hinauf zu ihrer Uniform, welche ebenfalls blau ist. aber
aus einem Waffenrock mit einer Reihe Knöpfen und langen Beinkleidern be¬
steht, das Material vom Staate mit einem jährlichen Pauschquantum für die
Anfertigung. Auch werden ihnen die Waffen und Pferde geliefert.

In Konstantinopel sorgt die Heeresleitung für tadellose Bekleidung. In
den Provinzen läßt letztere häufig viel zu wünschen übrig; denn hier werden
die Truppen vielfach nur mit Uniformen bekleidet, welche die Garnison der
Reichshauptstadt halb abgetragen und dann abgelegt hat. Sehr oft steht man
in Syrien und Kleinasten Soldaten barfuß auf die Wache ziehen, und häu¬
figer noch begegnet man Schildwachen. welche ihre Schuhe hinten niederge¬
treten und so gewissermaßen in Pantoffeln verwandelt haben. Bewassnet ist
die Infanterie mit dem Snider-Gewehr, die Kavallerie theils mit Lanzen, an
denen sich rothe Fähnchen befinden (4 Schwadronen per Regiment), theils
mit Winchester-Karabinern (2 Schwadronen) und Revolvern. Die Artillerie
führt vier- und sechspfündige Hinterladergeschütze, die Gebirgsbatterien bestehen
aus dreipfündigen Withworth-Kanonen.

Ein sehr fühlbarer Mangel bei der Ausrüstung der türkischen Truppen
ist die Unzulänglichkeit der Feldgeräthe, und auch die Magazine der Haupt-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136465"/>
          <p xml:id="ID_910" prev="#ID_909"> widersetzen? Hinweg, hinweg! Siehe zu, daß ich über diesen Gegenstand<lb/>
keinen Dreck mehr zu fressen bekomme." Der Scheich ni Islam entfernte sich<lb/>
tief betroffen, und an einem der nächsten Tage erschien ein Fetwah, nach<lb/>
welchem es erlaubt war, das Feß mit einem Schirme zu versehen. Seltsamer<lb/>
Weise aber sträubten sich jetzt die Soldaten gegen die Neuerung, welche eine<lb/>
fränkische Sitte einführte, und da der Seriasker Meutereien befürchtete, so<lb/>
wurde die Sache aufgegeben. Die Sitte der Franken aber, Hüte mit Rän¬<lb/>
dern und Mützen mit Schirmen zu tragen, wird im Orient damit erklärt,<lb/>
daß die Ungläubigen es nicht wagen dürfen, dem zornigen Auge des Allmäch¬<lb/>
tigen zu begegnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_911"> Die Schuhe werden ungeschwärzt getragen, wie denn überhaupt in der<lb/>
Bekleidung und Ausrüstung des Mannes alles vermieden ist. was ihn zum<lb/>
Putzen nöthigen und dadurch seine Bequemlichkeit und Behaglichkeit beein¬<lb/>
trächtigen könnte. Die Reiterei unterscheidet sich von der Infanterie nur da¬<lb/>
durch, daß ihre Jacke verschnürt ist, und daß sie anstatt Schuhe Stiefeln<lb/>
trägt. Die Unteroffiziersgrade sind durch rothe Streifen, die der Offiziere<lb/>
durch goldne und silberne Borten an den Aermeln kenntlich gemacht, und<lb/>
zwar ist der Leutnant (Mülasim) mit einer goldnen, der Ins Baschi (Haupt¬<lb/>
mann) mit einer goldnen und einer silbernen, der Adjutant (Koi Agassi) mit zwei<lb/>
goldenen, der Bataillonschef oder Major (Bim Baschi) mit drei goldenen, der<lb/>
Oberstleutnant (Kaim Makam) mit zwei goldnen und zwei silbernen und<lb/>
der Oberst mit vier goldnen Borten ausgezeichnet. Die Offiziere beziehen bis<lb/>
zum Hauptmann hinauf zu ihrer Uniform, welche ebenfalls blau ist. aber<lb/>
aus einem Waffenrock mit einer Reihe Knöpfen und langen Beinkleidern be¬<lb/>
steht, das Material vom Staate mit einem jährlichen Pauschquantum für die<lb/>
Anfertigung.  Auch werden ihnen die Waffen und Pferde geliefert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_912"> In Konstantinopel sorgt die Heeresleitung für tadellose Bekleidung. In<lb/>
den Provinzen läßt letztere häufig viel zu wünschen übrig; denn hier werden<lb/>
die Truppen vielfach nur mit Uniformen bekleidet, welche die Garnison der<lb/>
Reichshauptstadt halb abgetragen und dann abgelegt hat. Sehr oft steht man<lb/>
in Syrien und Kleinasten Soldaten barfuß auf die Wache ziehen, und häu¬<lb/>
figer noch begegnet man Schildwachen. welche ihre Schuhe hinten niederge¬<lb/>
treten und so gewissermaßen in Pantoffeln verwandelt haben. Bewassnet ist<lb/>
die Infanterie mit dem Snider-Gewehr, die Kavallerie theils mit Lanzen, an<lb/>
denen sich rothe Fähnchen befinden (4 Schwadronen per Regiment), theils<lb/>
mit Winchester-Karabinern (2 Schwadronen) und Revolvern. Die Artillerie<lb/>
führt vier- und sechspfündige Hinterladergeschütze, die Gebirgsbatterien bestehen<lb/>
aus dreipfündigen Withworth-Kanonen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_913" next="#ID_914"> Ein sehr fühlbarer Mangel bei der Ausrüstung der türkischen Truppen<lb/>
ist die Unzulänglichkeit der Feldgeräthe, und auch die Magazine der Haupt-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] widersetzen? Hinweg, hinweg! Siehe zu, daß ich über diesen Gegenstand keinen Dreck mehr zu fressen bekomme." Der Scheich ni Islam entfernte sich tief betroffen, und an einem der nächsten Tage erschien ein Fetwah, nach welchem es erlaubt war, das Feß mit einem Schirme zu versehen. Seltsamer Weise aber sträubten sich jetzt die Soldaten gegen die Neuerung, welche eine fränkische Sitte einführte, und da der Seriasker Meutereien befürchtete, so wurde die Sache aufgegeben. Die Sitte der Franken aber, Hüte mit Rän¬ dern und Mützen mit Schirmen zu tragen, wird im Orient damit erklärt, daß die Ungläubigen es nicht wagen dürfen, dem zornigen Auge des Allmäch¬ tigen zu begegnen. Die Schuhe werden ungeschwärzt getragen, wie denn überhaupt in der Bekleidung und Ausrüstung des Mannes alles vermieden ist. was ihn zum Putzen nöthigen und dadurch seine Bequemlichkeit und Behaglichkeit beein¬ trächtigen könnte. Die Reiterei unterscheidet sich von der Infanterie nur da¬ durch, daß ihre Jacke verschnürt ist, und daß sie anstatt Schuhe Stiefeln trägt. Die Unteroffiziersgrade sind durch rothe Streifen, die der Offiziere durch goldne und silberne Borten an den Aermeln kenntlich gemacht, und zwar ist der Leutnant (Mülasim) mit einer goldnen, der Ins Baschi (Haupt¬ mann) mit einer goldnen und einer silbernen, der Adjutant (Koi Agassi) mit zwei goldenen, der Bataillonschef oder Major (Bim Baschi) mit drei goldenen, der Oberstleutnant (Kaim Makam) mit zwei goldnen und zwei silbernen und der Oberst mit vier goldnen Borten ausgezeichnet. Die Offiziere beziehen bis zum Hauptmann hinauf zu ihrer Uniform, welche ebenfalls blau ist. aber aus einem Waffenrock mit einer Reihe Knöpfen und langen Beinkleidern be¬ steht, das Material vom Staate mit einem jährlichen Pauschquantum für die Anfertigung. Auch werden ihnen die Waffen und Pferde geliefert. In Konstantinopel sorgt die Heeresleitung für tadellose Bekleidung. In den Provinzen läßt letztere häufig viel zu wünschen übrig; denn hier werden die Truppen vielfach nur mit Uniformen bekleidet, welche die Garnison der Reichshauptstadt halb abgetragen und dann abgelegt hat. Sehr oft steht man in Syrien und Kleinasten Soldaten barfuß auf die Wache ziehen, und häu¬ figer noch begegnet man Schildwachen. welche ihre Schuhe hinten niederge¬ treten und so gewissermaßen in Pantoffeln verwandelt haben. Bewassnet ist die Infanterie mit dem Snider-Gewehr, die Kavallerie theils mit Lanzen, an denen sich rothe Fähnchen befinden (4 Schwadronen per Regiment), theils mit Winchester-Karabinern (2 Schwadronen) und Revolvern. Die Artillerie führt vier- und sechspfündige Hinterladergeschütze, die Gebirgsbatterien bestehen aus dreipfündigen Withworth-Kanonen. Ein sehr fühlbarer Mangel bei der Ausrüstung der türkischen Truppen ist die Unzulänglichkeit der Feldgeräthe, und auch die Magazine der Haupt-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/354>, abgerufen am 20.10.2024.