Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ehe er das Geschoß absendet, die Schleuder wiederholt schwingt, erwärmt sich
das Metall, eine Wärme, die, wenn es eine weite Bahn zurückzulegen hat,
noch gesteigert wird, so daß es in dem Getroffnen die Empfindung eines
brennenden Schmerzes hervorruft. Auch die Zeitworte kerirs und xetere,
welche auf den Bleigeschossen das Ziel des schleudernden bezeichnen, werden
regelmäßig vom Blitzstrahle gebraucht. ?ir ist also die Anrede des

Soldaten an sein Geschoß: "Schlag ein, o Blitz!" und eine andere solche
Anrede: ?ir Mg Oetaviemum heißt: "Blitz, triff den Octavian." Solche
Anreden des Schleuderers an sein Geschoß sind auf den römischen Schleuder¬
bleien das Gewöhnliche, doch kommen bisweilen auch Anreden an den zu
Treffenden, z. B. Kuh malvam malam vor. Ruf ist nach altem Sprach¬
gebrauch gleich bedeutend mit aeeips, die Malve diente als Brech- und zu¬
gleich als Abführungsmittel, wenn daher der Schütze dem Gegner zuruft:
"Empfang ein böses Brechmittel", so kann er, entweder daran denken, daß
derselbe, auf die Brust getroffen, Blut speien wird, oder eine unsaubere
Wirkung des plötzlichen Schrecks im Auge haben, den ihm das aufprallende
Geschoß verursacht.

Von der sorgfältigen Prüfung einer ausreichenden Zahl neu aufgefun¬
dener Schleudergeschosse und dem Vergleich derselben mit den schon früher
bekannten ausgehend, hat also Herr Bergl zum ersten Male auf diesem
Gebiete Ordnung gestiftet und mit Erfolg die Marken vertheidigt, deren
Echtheit von der oberflächlichen Kritik Mommsen's angefochten war.

Das ist das Verdienst der Hauptabhandlung der vorliegenden Broschüre.
Herr B. hat sich aber auch noch ein zweites erworben, indem er später in einem
hier ebenfalls wieder abgedruckten Aufsatze die Echtheit der seitdem von Des-
jardins in Paris veröffentlichten Inschriften von 111 Schleudergeschossen in
Abrede stellte. Diese Geschosse sollten kürzlich bet Ascoli ausgegraben worden
sein und waren von den Herren Rollin und Feuardent in Paris erworben
worden. "Wenn man sie durchmustert". sagt nun Herr Bergl in diesem
Aufsatze, "empfängt man alsbald den Eindruck, als müßte zu Asculum eine
Waffenfabrik gewesen sein, welche die römischen Schleuderschützen mit der
nöthigen Munition versorgt und insbesondere alte beschädigte Wurfgeschosse
wieder ausgebessert habe; denn die neuesten Ausgrabungen, deren Resultate
hier mitgetheilt werden, haben offenbar nicht die Reliquien der langwierigen
Belagerung jener Stadt im Bundesgenossenkriege, sondern ein Depot von
Bleieicheln aus späterer Zeit zu Tage gefördert. Die Fabrik zu Asculum
versorgte nicht nur die Belagerer von Perusia in den Jahren 713 und 7t4
mit dem nöthigen Material, sondern auch der jüngere Labienus bezog während
seiner Feldzüge in Syrien und Kleinasien (713 -- 716), ja sogar, wie es
scheint, sein Gegner, der Anhänger des Antonius, Decidius Sara, seine Mu-


ehe er das Geschoß absendet, die Schleuder wiederholt schwingt, erwärmt sich
das Metall, eine Wärme, die, wenn es eine weite Bahn zurückzulegen hat,
noch gesteigert wird, so daß es in dem Getroffnen die Empfindung eines
brennenden Schmerzes hervorruft. Auch die Zeitworte kerirs und xetere,
welche auf den Bleigeschossen das Ziel des schleudernden bezeichnen, werden
regelmäßig vom Blitzstrahle gebraucht. ?ir ist also die Anrede des

Soldaten an sein Geschoß: „Schlag ein, o Blitz!" und eine andere solche
Anrede: ?ir Mg Oetaviemum heißt: „Blitz, triff den Octavian." Solche
Anreden des Schleuderers an sein Geschoß sind auf den römischen Schleuder¬
bleien das Gewöhnliche, doch kommen bisweilen auch Anreden an den zu
Treffenden, z. B. Kuh malvam malam vor. Ruf ist nach altem Sprach¬
gebrauch gleich bedeutend mit aeeips, die Malve diente als Brech- und zu¬
gleich als Abführungsmittel, wenn daher der Schütze dem Gegner zuruft:
„Empfang ein böses Brechmittel", so kann er, entweder daran denken, daß
derselbe, auf die Brust getroffen, Blut speien wird, oder eine unsaubere
Wirkung des plötzlichen Schrecks im Auge haben, den ihm das aufprallende
Geschoß verursacht.

Von der sorgfältigen Prüfung einer ausreichenden Zahl neu aufgefun¬
dener Schleudergeschosse und dem Vergleich derselben mit den schon früher
bekannten ausgehend, hat also Herr Bergl zum ersten Male auf diesem
Gebiete Ordnung gestiftet und mit Erfolg die Marken vertheidigt, deren
Echtheit von der oberflächlichen Kritik Mommsen's angefochten war.

Das ist das Verdienst der Hauptabhandlung der vorliegenden Broschüre.
Herr B. hat sich aber auch noch ein zweites erworben, indem er später in einem
hier ebenfalls wieder abgedruckten Aufsatze die Echtheit der seitdem von Des-
jardins in Paris veröffentlichten Inschriften von 111 Schleudergeschossen in
Abrede stellte. Diese Geschosse sollten kürzlich bet Ascoli ausgegraben worden
sein und waren von den Herren Rollin und Feuardent in Paris erworben
worden. „Wenn man sie durchmustert". sagt nun Herr Bergl in diesem
Aufsatze, „empfängt man alsbald den Eindruck, als müßte zu Asculum eine
Waffenfabrik gewesen sein, welche die römischen Schleuderschützen mit der
nöthigen Munition versorgt und insbesondere alte beschädigte Wurfgeschosse
wieder ausgebessert habe; denn die neuesten Ausgrabungen, deren Resultate
hier mitgetheilt werden, haben offenbar nicht die Reliquien der langwierigen
Belagerung jener Stadt im Bundesgenossenkriege, sondern ein Depot von
Bleieicheln aus späterer Zeit zu Tage gefördert. Die Fabrik zu Asculum
versorgte nicht nur die Belagerer von Perusia in den Jahren 713 und 7t4
mit dem nöthigen Material, sondern auch der jüngere Labienus bezog während
seiner Feldzüge in Syrien und Kleinasien (713 — 716), ja sogar, wie es
scheint, sein Gegner, der Anhänger des Antonius, Decidius Sara, seine Mu-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136445"/>
          <p xml:id="ID_854" prev="#ID_853"> ehe er das Geschoß absendet, die Schleuder wiederholt schwingt, erwärmt sich<lb/>
das Metall, eine Wärme, die, wenn es eine weite Bahn zurückzulegen hat,<lb/>
noch gesteigert wird, so daß es in dem Getroffnen die Empfindung eines<lb/>
brennenden Schmerzes hervorruft. Auch die Zeitworte kerirs und xetere,<lb/>
welche auf den Bleigeschossen das Ziel des schleudernden bezeichnen, werden<lb/>
regelmäßig vom Blitzstrahle gebraucht. ?ir ist also die Anrede des</p><lb/>
          <p xml:id="ID_855"> Soldaten an sein Geschoß: &#x201E;Schlag ein, o Blitz!" und eine andere solche<lb/>
Anrede: ?ir Mg Oetaviemum heißt: &#x201E;Blitz, triff den Octavian." Solche<lb/>
Anreden des Schleuderers an sein Geschoß sind auf den römischen Schleuder¬<lb/>
bleien das Gewöhnliche, doch kommen bisweilen auch Anreden an den zu<lb/>
Treffenden, z. B. Kuh malvam malam vor. Ruf ist nach altem Sprach¬<lb/>
gebrauch gleich bedeutend mit aeeips, die Malve diente als Brech- und zu¬<lb/>
gleich als Abführungsmittel, wenn daher der Schütze dem Gegner zuruft:<lb/>
&#x201E;Empfang ein böses Brechmittel", so kann er, entweder daran denken, daß<lb/>
derselbe, auf die Brust getroffen, Blut speien wird, oder eine unsaubere<lb/>
Wirkung des plötzlichen Schrecks im Auge haben, den ihm das aufprallende<lb/>
Geschoß verursacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_856"> Von der sorgfältigen Prüfung einer ausreichenden Zahl neu aufgefun¬<lb/>
dener Schleudergeschosse und dem Vergleich derselben mit den schon früher<lb/>
bekannten ausgehend, hat also Herr Bergl zum ersten Male auf diesem<lb/>
Gebiete Ordnung gestiftet und mit Erfolg die Marken vertheidigt, deren<lb/>
Echtheit von der oberflächlichen Kritik Mommsen's angefochten war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_857" next="#ID_858"> Das ist das Verdienst der Hauptabhandlung der vorliegenden Broschüre.<lb/>
Herr B. hat sich aber auch noch ein zweites erworben, indem er später in einem<lb/>
hier ebenfalls wieder abgedruckten Aufsatze die Echtheit der seitdem von Des-<lb/>
jardins in Paris veröffentlichten Inschriften von 111 Schleudergeschossen in<lb/>
Abrede stellte. Diese Geschosse sollten kürzlich bet Ascoli ausgegraben worden<lb/>
sein und waren von den Herren Rollin und Feuardent in Paris erworben<lb/>
worden. &#x201E;Wenn man sie durchmustert". sagt nun Herr Bergl in diesem<lb/>
Aufsatze, &#x201E;empfängt man alsbald den Eindruck, als müßte zu Asculum eine<lb/>
Waffenfabrik gewesen sein, welche die römischen Schleuderschützen mit der<lb/>
nöthigen Munition versorgt und insbesondere alte beschädigte Wurfgeschosse<lb/>
wieder ausgebessert habe; denn die neuesten Ausgrabungen, deren Resultate<lb/>
hier mitgetheilt werden, haben offenbar nicht die Reliquien der langwierigen<lb/>
Belagerung jener Stadt im Bundesgenossenkriege, sondern ein Depot von<lb/>
Bleieicheln aus späterer Zeit zu Tage gefördert. Die Fabrik zu Asculum<lb/>
versorgte nicht nur die Belagerer von Perusia in den Jahren 713 und 7t4<lb/>
mit dem nöthigen Material, sondern auch der jüngere Labienus bezog während<lb/>
seiner Feldzüge in Syrien und Kleinasien (713 &#x2014; 716), ja sogar, wie es<lb/>
scheint, sein Gegner, der Anhänger des Antonius, Decidius Sara, seine Mu-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0334] ehe er das Geschoß absendet, die Schleuder wiederholt schwingt, erwärmt sich das Metall, eine Wärme, die, wenn es eine weite Bahn zurückzulegen hat, noch gesteigert wird, so daß es in dem Getroffnen die Empfindung eines brennenden Schmerzes hervorruft. Auch die Zeitworte kerirs und xetere, welche auf den Bleigeschossen das Ziel des schleudernden bezeichnen, werden regelmäßig vom Blitzstrahle gebraucht. ?ir ist also die Anrede des Soldaten an sein Geschoß: „Schlag ein, o Blitz!" und eine andere solche Anrede: ?ir Mg Oetaviemum heißt: „Blitz, triff den Octavian." Solche Anreden des Schleuderers an sein Geschoß sind auf den römischen Schleuder¬ bleien das Gewöhnliche, doch kommen bisweilen auch Anreden an den zu Treffenden, z. B. Kuh malvam malam vor. Ruf ist nach altem Sprach¬ gebrauch gleich bedeutend mit aeeips, die Malve diente als Brech- und zu¬ gleich als Abführungsmittel, wenn daher der Schütze dem Gegner zuruft: „Empfang ein böses Brechmittel", so kann er, entweder daran denken, daß derselbe, auf die Brust getroffen, Blut speien wird, oder eine unsaubere Wirkung des plötzlichen Schrecks im Auge haben, den ihm das aufprallende Geschoß verursacht. Von der sorgfältigen Prüfung einer ausreichenden Zahl neu aufgefun¬ dener Schleudergeschosse und dem Vergleich derselben mit den schon früher bekannten ausgehend, hat also Herr Bergl zum ersten Male auf diesem Gebiete Ordnung gestiftet und mit Erfolg die Marken vertheidigt, deren Echtheit von der oberflächlichen Kritik Mommsen's angefochten war. Das ist das Verdienst der Hauptabhandlung der vorliegenden Broschüre. Herr B. hat sich aber auch noch ein zweites erworben, indem er später in einem hier ebenfalls wieder abgedruckten Aufsatze die Echtheit der seitdem von Des- jardins in Paris veröffentlichten Inschriften von 111 Schleudergeschossen in Abrede stellte. Diese Geschosse sollten kürzlich bet Ascoli ausgegraben worden sein und waren von den Herren Rollin und Feuardent in Paris erworben worden. „Wenn man sie durchmustert". sagt nun Herr Bergl in diesem Aufsatze, „empfängt man alsbald den Eindruck, als müßte zu Asculum eine Waffenfabrik gewesen sein, welche die römischen Schleuderschützen mit der nöthigen Munition versorgt und insbesondere alte beschädigte Wurfgeschosse wieder ausgebessert habe; denn die neuesten Ausgrabungen, deren Resultate hier mitgetheilt werden, haben offenbar nicht die Reliquien der langwierigen Belagerung jener Stadt im Bundesgenossenkriege, sondern ein Depot von Bleieicheln aus späterer Zeit zu Tage gefördert. Die Fabrik zu Asculum versorgte nicht nur die Belagerer von Perusia in den Jahren 713 und 7t4 mit dem nöthigen Material, sondern auch der jüngere Labienus bezog während seiner Feldzüge in Syrien und Kleinasien (713 — 716), ja sogar, wie es scheint, sein Gegner, der Anhänger des Antonius, Decidius Sara, seine Mu-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/334
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/334>, abgerufen am 20.10.2024.