Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Sammlung, welche durch späteren Erwerb auf 184 Stück stieg, und deren
Inschriften im Haupttheil der vorliegenden Schrift gedeutet werden, hat der
Professor aus'in Weerth auf einer Reise durch die Mark Ancona und die an¬
grenzenden Bezirke in Camerino erworben, andere Stücke wurden in Ancona
und in Mainz hinzugekauft. Die meisten der zuerst erworbenen Wurfbleie
sind am Tronto gefunden worden, 3 gehören dem Sklavenkriege in Sicilien,
88 dem Bundesgenossenkriege, 30 der Belagerung von Perufia an, 3 griechische
stammen aus Cumä in Campanien, von den übrigen ließ sich die Herkunft
nicht mit Sicherheit ermitteln. Nur 5 von diesen Geschossen sind ohne Auf¬
schrift. Die Bedeutung dieser Sammlung ergiebt sich schon daraus, daß
unter ihren Exemplaren sich eine große Anzahl solcher befindet, die bisher
unbekannt waren. Der Verfasser unsrer Schrift hat außerdem noch drei
kleinere Sammlungen von Wurfbleien untersucht, und im Folgenden theilen
wir zunächst das Jnteressanteste mit, was er auf Grund seiner Prüfungen
über diese Gattung von Geschossen überhaupt sagt.

Die griechischen Schleuderbleie sind meist mit einem passenden Emblem,
einem Blitz, Skorpion oder einer Schlange ausgestattet. Die römischen haben
diese symbolische Veranschaulichung des Zweckes der Waffe seltener, dagegen
zeichnen sie sich durch eine größere Mannichfaltigkeit der Inschriften aus.
Die sichelförmigen Schleuderbleie wurden in Formen gegossen, die Aufschriften
und Zeichen aber vermittelst eines Metallstempels hergestellt. War die Prä¬
gung nicht recht gerathen, so wurde sie wiederholt, sodaß oft auf einem Blei
derselbe Stempel mehrmals vorkommt. Ferner wurden abgenutzte und be¬
schädigte Geschosse, eigne sowohl als auch feindliche, umgestempelt, und zwar
nicht nur während des Krieges, sondern zuweilen noch ein Menschenalter
später. In der Regel haben sich dann paltmpsestartige Reste des ältern Ab¬
drucks erhalten. Die Schrift ist erhaben und die Form der Buchstaben meist
groß und kräftig. Rückläufige Schrift kommt einige Male und regelmäßig
da vor, wo es sich, wie z. B. bei dem mehrfach variirten "pöw oulum" oder
"xsts laiMeam ^ulvias", um einen schmutzigen Soldatenspaß handelt.

Abgesehen von einer Bleieichel aus der Zeit Cäsar's, die bei Sens in
Frankreich, und einer andern, die in Spanien auf dem Schlachtfelde von
Munda gefunden worden ist, gehören sämmtliche bisher bekannte römische
Schleudergeschosse den oben erwähnten drei Kriegen: dem sicilischen Sklaven¬
kriege (Jahr 621 n. Erb. Roms), dem Bundesgenossenkriege (Jahr 664 u. f.)
und der Belagerung von Perusta (in den Jahren 713 und 714) an. Bei
Belagerungen leisteten die Wurfwaffen besonders gute Dienste, und so wurde
von beiden Theilen ausgiebiger Gebrauch davon gemacht. Indem man sich
längere Zeit gegenüberstand, entwickelte sich vermittelst der Inschriften der
herüber und hinüber fliegenden Bleieicheln ein förmliches Wortgefecht, der den


Sammlung, welche durch späteren Erwerb auf 184 Stück stieg, und deren
Inschriften im Haupttheil der vorliegenden Schrift gedeutet werden, hat der
Professor aus'in Weerth auf einer Reise durch die Mark Ancona und die an¬
grenzenden Bezirke in Camerino erworben, andere Stücke wurden in Ancona
und in Mainz hinzugekauft. Die meisten der zuerst erworbenen Wurfbleie
sind am Tronto gefunden worden, 3 gehören dem Sklavenkriege in Sicilien,
88 dem Bundesgenossenkriege, 30 der Belagerung von Perufia an, 3 griechische
stammen aus Cumä in Campanien, von den übrigen ließ sich die Herkunft
nicht mit Sicherheit ermitteln. Nur 5 von diesen Geschossen sind ohne Auf¬
schrift. Die Bedeutung dieser Sammlung ergiebt sich schon daraus, daß
unter ihren Exemplaren sich eine große Anzahl solcher befindet, die bisher
unbekannt waren. Der Verfasser unsrer Schrift hat außerdem noch drei
kleinere Sammlungen von Wurfbleien untersucht, und im Folgenden theilen
wir zunächst das Jnteressanteste mit, was er auf Grund seiner Prüfungen
über diese Gattung von Geschossen überhaupt sagt.

Die griechischen Schleuderbleie sind meist mit einem passenden Emblem,
einem Blitz, Skorpion oder einer Schlange ausgestattet. Die römischen haben
diese symbolische Veranschaulichung des Zweckes der Waffe seltener, dagegen
zeichnen sie sich durch eine größere Mannichfaltigkeit der Inschriften aus.
Die sichelförmigen Schleuderbleie wurden in Formen gegossen, die Aufschriften
und Zeichen aber vermittelst eines Metallstempels hergestellt. War die Prä¬
gung nicht recht gerathen, so wurde sie wiederholt, sodaß oft auf einem Blei
derselbe Stempel mehrmals vorkommt. Ferner wurden abgenutzte und be¬
schädigte Geschosse, eigne sowohl als auch feindliche, umgestempelt, und zwar
nicht nur während des Krieges, sondern zuweilen noch ein Menschenalter
später. In der Regel haben sich dann paltmpsestartige Reste des ältern Ab¬
drucks erhalten. Die Schrift ist erhaben und die Form der Buchstaben meist
groß und kräftig. Rückläufige Schrift kommt einige Male und regelmäßig
da vor, wo es sich, wie z. B. bei dem mehrfach variirten «pöw oulum" oder
„xsts laiMeam ^ulvias", um einen schmutzigen Soldatenspaß handelt.

Abgesehen von einer Bleieichel aus der Zeit Cäsar's, die bei Sens in
Frankreich, und einer andern, die in Spanien auf dem Schlachtfelde von
Munda gefunden worden ist, gehören sämmtliche bisher bekannte römische
Schleudergeschosse den oben erwähnten drei Kriegen: dem sicilischen Sklaven¬
kriege (Jahr 621 n. Erb. Roms), dem Bundesgenossenkriege (Jahr 664 u. f.)
und der Belagerung von Perusta (in den Jahren 713 und 714) an. Bei
Belagerungen leisteten die Wurfwaffen besonders gute Dienste, und so wurde
von beiden Theilen ausgiebiger Gebrauch davon gemacht. Indem man sich
längere Zeit gegenüberstand, entwickelte sich vermittelst der Inschriften der
herüber und hinüber fliegenden Bleieicheln ein förmliches Wortgefecht, der den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136443"/>
          <p xml:id="ID_848" prev="#ID_847"> Sammlung, welche durch späteren Erwerb auf 184 Stück stieg, und deren<lb/>
Inschriften im Haupttheil der vorliegenden Schrift gedeutet werden, hat der<lb/>
Professor aus'in Weerth auf einer Reise durch die Mark Ancona und die an¬<lb/>
grenzenden Bezirke in Camerino erworben, andere Stücke wurden in Ancona<lb/>
und in Mainz hinzugekauft. Die meisten der zuerst erworbenen Wurfbleie<lb/>
sind am Tronto gefunden worden, 3 gehören dem Sklavenkriege in Sicilien,<lb/>
88 dem Bundesgenossenkriege, 30 der Belagerung von Perufia an, 3 griechische<lb/>
stammen aus Cumä in Campanien, von den übrigen ließ sich die Herkunft<lb/>
nicht mit Sicherheit ermitteln. Nur 5 von diesen Geschossen sind ohne Auf¬<lb/>
schrift. Die Bedeutung dieser Sammlung ergiebt sich schon daraus, daß<lb/>
unter ihren Exemplaren sich eine große Anzahl solcher befindet, die bisher<lb/>
unbekannt waren. Der Verfasser unsrer Schrift hat außerdem noch drei<lb/>
kleinere Sammlungen von Wurfbleien untersucht, und im Folgenden theilen<lb/>
wir zunächst das Jnteressanteste mit, was er auf Grund seiner Prüfungen<lb/>
über diese Gattung von Geschossen überhaupt sagt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_849"> Die griechischen Schleuderbleie sind meist mit einem passenden Emblem,<lb/>
einem Blitz, Skorpion oder einer Schlange ausgestattet. Die römischen haben<lb/>
diese symbolische Veranschaulichung des Zweckes der Waffe seltener, dagegen<lb/>
zeichnen sie sich durch eine größere Mannichfaltigkeit der Inschriften aus.<lb/>
Die sichelförmigen Schleuderbleie wurden in Formen gegossen, die Aufschriften<lb/>
und Zeichen aber vermittelst eines Metallstempels hergestellt. War die Prä¬<lb/>
gung nicht recht gerathen, so wurde sie wiederholt, sodaß oft auf einem Blei<lb/>
derselbe Stempel mehrmals vorkommt. Ferner wurden abgenutzte und be¬<lb/>
schädigte Geschosse, eigne sowohl als auch feindliche, umgestempelt, und zwar<lb/>
nicht nur während des Krieges, sondern zuweilen noch ein Menschenalter<lb/>
später. In der Regel haben sich dann paltmpsestartige Reste des ältern Ab¬<lb/>
drucks erhalten. Die Schrift ist erhaben und die Form der Buchstaben meist<lb/>
groß und kräftig. Rückläufige Schrift kommt einige Male und regelmäßig<lb/>
da vor, wo es sich, wie z. B. bei dem mehrfach variirten «pöw oulum" oder<lb/>
&#x201E;xsts laiMeam ^ulvias", um einen schmutzigen Soldatenspaß handelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_850" next="#ID_851"> Abgesehen von einer Bleieichel aus der Zeit Cäsar's, die bei Sens in<lb/>
Frankreich, und einer andern, die in Spanien auf dem Schlachtfelde von<lb/>
Munda gefunden worden ist, gehören sämmtliche bisher bekannte römische<lb/>
Schleudergeschosse den oben erwähnten drei Kriegen: dem sicilischen Sklaven¬<lb/>
kriege (Jahr 621 n. Erb. Roms), dem Bundesgenossenkriege (Jahr 664 u. f.)<lb/>
und der Belagerung von Perusta (in den Jahren 713 und 714) an. Bei<lb/>
Belagerungen leisteten die Wurfwaffen besonders gute Dienste, und so wurde<lb/>
von beiden Theilen ausgiebiger Gebrauch davon gemacht. Indem man sich<lb/>
längere Zeit gegenüberstand, entwickelte sich vermittelst der Inschriften der<lb/>
herüber und hinüber fliegenden Bleieicheln ein förmliches Wortgefecht, der den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] Sammlung, welche durch späteren Erwerb auf 184 Stück stieg, und deren Inschriften im Haupttheil der vorliegenden Schrift gedeutet werden, hat der Professor aus'in Weerth auf einer Reise durch die Mark Ancona und die an¬ grenzenden Bezirke in Camerino erworben, andere Stücke wurden in Ancona und in Mainz hinzugekauft. Die meisten der zuerst erworbenen Wurfbleie sind am Tronto gefunden worden, 3 gehören dem Sklavenkriege in Sicilien, 88 dem Bundesgenossenkriege, 30 der Belagerung von Perufia an, 3 griechische stammen aus Cumä in Campanien, von den übrigen ließ sich die Herkunft nicht mit Sicherheit ermitteln. Nur 5 von diesen Geschossen sind ohne Auf¬ schrift. Die Bedeutung dieser Sammlung ergiebt sich schon daraus, daß unter ihren Exemplaren sich eine große Anzahl solcher befindet, die bisher unbekannt waren. Der Verfasser unsrer Schrift hat außerdem noch drei kleinere Sammlungen von Wurfbleien untersucht, und im Folgenden theilen wir zunächst das Jnteressanteste mit, was er auf Grund seiner Prüfungen über diese Gattung von Geschossen überhaupt sagt. Die griechischen Schleuderbleie sind meist mit einem passenden Emblem, einem Blitz, Skorpion oder einer Schlange ausgestattet. Die römischen haben diese symbolische Veranschaulichung des Zweckes der Waffe seltener, dagegen zeichnen sie sich durch eine größere Mannichfaltigkeit der Inschriften aus. Die sichelförmigen Schleuderbleie wurden in Formen gegossen, die Aufschriften und Zeichen aber vermittelst eines Metallstempels hergestellt. War die Prä¬ gung nicht recht gerathen, so wurde sie wiederholt, sodaß oft auf einem Blei derselbe Stempel mehrmals vorkommt. Ferner wurden abgenutzte und be¬ schädigte Geschosse, eigne sowohl als auch feindliche, umgestempelt, und zwar nicht nur während des Krieges, sondern zuweilen noch ein Menschenalter später. In der Regel haben sich dann paltmpsestartige Reste des ältern Ab¬ drucks erhalten. Die Schrift ist erhaben und die Form der Buchstaben meist groß und kräftig. Rückläufige Schrift kommt einige Male und regelmäßig da vor, wo es sich, wie z. B. bei dem mehrfach variirten «pöw oulum" oder „xsts laiMeam ^ulvias", um einen schmutzigen Soldatenspaß handelt. Abgesehen von einer Bleieichel aus der Zeit Cäsar's, die bei Sens in Frankreich, und einer andern, die in Spanien auf dem Schlachtfelde von Munda gefunden worden ist, gehören sämmtliche bisher bekannte römische Schleudergeschosse den oben erwähnten drei Kriegen: dem sicilischen Sklaven¬ kriege (Jahr 621 n. Erb. Roms), dem Bundesgenossenkriege (Jahr 664 u. f.) und der Belagerung von Perusta (in den Jahren 713 und 714) an. Bei Belagerungen leisteten die Wurfwaffen besonders gute Dienste, und so wurde von beiden Theilen ausgiebiger Gebrauch davon gemacht. Indem man sich längere Zeit gegenüberstand, entwickelte sich vermittelst der Inschriften der herüber und hinüber fliegenden Bleieicheln ein förmliches Wortgefecht, der den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/332>, abgerufen am 20.10.2024.