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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Artikel 1: In Gemäßheit der Bestimmungen des kürzlich veröffentlichten
großherrlichen Firmans werden die Naibs (Richter) in den Hauptstädten der
Vilajets, welche bisher die Stellung von Vorsitzenden der Medschifl Temjis
(Gerichte unterer Instanz) bekleidet haben, hiermit zu Präsidenten der
Divani Temjis (Apellationsgerichte) ernannt.

Artikel 2: Zugleich mit der Prüfung der Urtheile der Gerichte der Cheri,
der Sandschaks (Bezirke) und der Kazas (Kreise), worüber den Cheri Bericht
zu erstatten ist. sollen die Naibs der Hauptstädte auch ferner, mit Ermächti¬
gung seiner Hoheit des Sateins ni Islam (Cultus- und Justizminister), die
richterlichen Befugnisse ausüben, welche ihnen bereits früher von den Cheri
übertragen worden sind.

Artikel 3: Die Apellationsgerichte sollen von den civil- und strafrecht¬
lichen Gerichtsverhandlungen Kenntniß nehmen, welche dem Gesetze zufolge
stattfinden. Ihre Befugnisse sind durch das Gesetz bestimmt. Da die er¬
wähnten Gerichtshöfe auch von dem Volke gewählte Mitglieder in ihren
Reihen zählen, so sollen die Naibs während ihres Vorsitzes in diesen Höfen
ausschließlich dem Gesetz und den Bestimmungen des Nisan gemäß verfahren,
unbeschadet der Befugnisse der Cheri. welche sie gesondert auszuüben haben

Artikel 4: Es wird den Apellationsgerichtshöfen obliegen, dem Gesetz
gemäß und in Verfolg der sich an dieses anschließenden Bestimmungen
die civil- und strafrechtlichen Verhandlungen zu prüfen, welche nach Erledi¬
gung durch die Nisamije - Gerichtshöfe der Sandschaks und Kazas ihnen zu¬
gewiesen werden, sofern die betheiligten Parteien ein zweitinstanzliches Urtheil
dem Nisan gemäß verlangen. Die Verhandlungen und Berathungen sollen
nach dem Ermessen der Mehrzahl oder der Gesammtheit der zur Dienst¬
leistung in diesen Höfen gewählten Mitgliedern geführt werden.

Artikel ö: Es ist von der größten Bedeutng, daß die gewissenhafteste
Sorgfalt und die strengste Unparteilichkeit bei der Leitung der strafrechtlichen
Fälle beobachtet werde, welche vor die Appellationsgerichte gebracht werden,
und zwar besonders mit Anwendung auf die Bestimmungen des Nisamge-
setzes betreffend vorgebrachte Anklagen. Die Gefangenhaltung eines Ange¬
klagten ohne Urtheil und ebenso die Fällung eines Erkenntnisses, welches
eine schwerere Strafe verhängt, als der Verurtheilte nach den bestehenden
Gesetzen erlitten haben würde, wird dem Vorsitzenden und den Mitgliedern
des betreffenden Gerichtshofes die gesetzliche Verantwortlichkeit für solche Hand¬
lungen auferlegen. Die Weisungen in Betreff der Medschifl Temjis der
Sandschaks sollen demnächst besonders abgefaßt werden.

Am 30. December 1875 endlich verlangte eine Note des Grafen Andrassy
zur Beruhigung der Insurgenten in Bosnien:

1. Volle und unverkürzte Religionsfreiheit,

Artikel 1: In Gemäßheit der Bestimmungen des kürzlich veröffentlichten
großherrlichen Firmans werden die Naibs (Richter) in den Hauptstädten der
Vilajets, welche bisher die Stellung von Vorsitzenden der Medschifl Temjis
(Gerichte unterer Instanz) bekleidet haben, hiermit zu Präsidenten der
Divani Temjis (Apellationsgerichte) ernannt.

Artikel 2: Zugleich mit der Prüfung der Urtheile der Gerichte der Cheri,
der Sandschaks (Bezirke) und der Kazas (Kreise), worüber den Cheri Bericht
zu erstatten ist. sollen die Naibs der Hauptstädte auch ferner, mit Ermächti¬
gung seiner Hoheit des Sateins ni Islam (Cultus- und Justizminister), die
richterlichen Befugnisse ausüben, welche ihnen bereits früher von den Cheri
übertragen worden sind.

Artikel 3: Die Apellationsgerichte sollen von den civil- und strafrecht¬
lichen Gerichtsverhandlungen Kenntniß nehmen, welche dem Gesetze zufolge
stattfinden. Ihre Befugnisse sind durch das Gesetz bestimmt. Da die er¬
wähnten Gerichtshöfe auch von dem Volke gewählte Mitglieder in ihren
Reihen zählen, so sollen die Naibs während ihres Vorsitzes in diesen Höfen
ausschließlich dem Gesetz und den Bestimmungen des Nisan gemäß verfahren,
unbeschadet der Befugnisse der Cheri. welche sie gesondert auszuüben haben

Artikel 4: Es wird den Apellationsgerichtshöfen obliegen, dem Gesetz
gemäß und in Verfolg der sich an dieses anschließenden Bestimmungen
die civil- und strafrechtlichen Verhandlungen zu prüfen, welche nach Erledi¬
gung durch die Nisamije - Gerichtshöfe der Sandschaks und Kazas ihnen zu¬
gewiesen werden, sofern die betheiligten Parteien ein zweitinstanzliches Urtheil
dem Nisan gemäß verlangen. Die Verhandlungen und Berathungen sollen
nach dem Ermessen der Mehrzahl oder der Gesammtheit der zur Dienst¬
leistung in diesen Höfen gewählten Mitgliedern geführt werden.

Artikel ö: Es ist von der größten Bedeutng, daß die gewissenhafteste
Sorgfalt und die strengste Unparteilichkeit bei der Leitung der strafrechtlichen
Fälle beobachtet werde, welche vor die Appellationsgerichte gebracht werden,
und zwar besonders mit Anwendung auf die Bestimmungen des Nisamge-
setzes betreffend vorgebrachte Anklagen. Die Gefangenhaltung eines Ange¬
klagten ohne Urtheil und ebenso die Fällung eines Erkenntnisses, welches
eine schwerere Strafe verhängt, als der Verurtheilte nach den bestehenden
Gesetzen erlitten haben würde, wird dem Vorsitzenden und den Mitgliedern
des betreffenden Gerichtshofes die gesetzliche Verantwortlichkeit für solche Hand¬
lungen auferlegen. Die Weisungen in Betreff der Medschifl Temjis der
Sandschaks sollen demnächst besonders abgefaßt werden.

Am 30. December 1875 endlich verlangte eine Note des Grafen Andrassy
zur Beruhigung der Insurgenten in Bosnien:

1. Volle und unverkürzte Religionsfreiheit,

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[0317] Artikel 1: In Gemäßheit der Bestimmungen des kürzlich veröffentlichten großherrlichen Firmans werden die Naibs (Richter) in den Hauptstädten der Vilajets, welche bisher die Stellung von Vorsitzenden der Medschifl Temjis (Gerichte unterer Instanz) bekleidet haben, hiermit zu Präsidenten der Divani Temjis (Apellationsgerichte) ernannt. Artikel 2: Zugleich mit der Prüfung der Urtheile der Gerichte der Cheri, der Sandschaks (Bezirke) und der Kazas (Kreise), worüber den Cheri Bericht zu erstatten ist. sollen die Naibs der Hauptstädte auch ferner, mit Ermächti¬ gung seiner Hoheit des Sateins ni Islam (Cultus- und Justizminister), die richterlichen Befugnisse ausüben, welche ihnen bereits früher von den Cheri übertragen worden sind. Artikel 3: Die Apellationsgerichte sollen von den civil- und strafrecht¬ lichen Gerichtsverhandlungen Kenntniß nehmen, welche dem Gesetze zufolge stattfinden. Ihre Befugnisse sind durch das Gesetz bestimmt. Da die er¬ wähnten Gerichtshöfe auch von dem Volke gewählte Mitglieder in ihren Reihen zählen, so sollen die Naibs während ihres Vorsitzes in diesen Höfen ausschließlich dem Gesetz und den Bestimmungen des Nisan gemäß verfahren, unbeschadet der Befugnisse der Cheri. welche sie gesondert auszuüben haben Artikel 4: Es wird den Apellationsgerichtshöfen obliegen, dem Gesetz gemäß und in Verfolg der sich an dieses anschließenden Bestimmungen die civil- und strafrechtlichen Verhandlungen zu prüfen, welche nach Erledi¬ gung durch die Nisamije - Gerichtshöfe der Sandschaks und Kazas ihnen zu¬ gewiesen werden, sofern die betheiligten Parteien ein zweitinstanzliches Urtheil dem Nisan gemäß verlangen. Die Verhandlungen und Berathungen sollen nach dem Ermessen der Mehrzahl oder der Gesammtheit der zur Dienst¬ leistung in diesen Höfen gewählten Mitgliedern geführt werden. Artikel ö: Es ist von der größten Bedeutng, daß die gewissenhafteste Sorgfalt und die strengste Unparteilichkeit bei der Leitung der strafrechtlichen Fälle beobachtet werde, welche vor die Appellationsgerichte gebracht werden, und zwar besonders mit Anwendung auf die Bestimmungen des Nisamge- setzes betreffend vorgebrachte Anklagen. Die Gefangenhaltung eines Ange¬ klagten ohne Urtheil und ebenso die Fällung eines Erkenntnisses, welches eine schwerere Strafe verhängt, als der Verurtheilte nach den bestehenden Gesetzen erlitten haben würde, wird dem Vorsitzenden und den Mitgliedern des betreffenden Gerichtshofes die gesetzliche Verantwortlichkeit für solche Hand¬ lungen auferlegen. Die Weisungen in Betreff der Medschifl Temjis der Sandschaks sollen demnächst besonders abgefaßt werden. Am 30. December 1875 endlich verlangte eine Note des Grafen Andrassy zur Beruhigung der Insurgenten in Bosnien: 1. Volle und unverkürzte Religionsfreiheit,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/317>, abgerufen am 20.10.2024.