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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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machte, das hat erst der deutsch-französische Krieg ans Licht gebracht, sogar
die Militärverwaltung war unter diesem System vernachlässigt worden,
während der geordnete rasche Aufmarsch der deutschen Heere zeigte, was
die echte föderale auf der Selbständigkeit und Selbstverwaltung der ein¬
zelnen Theile beruhende Centralisation vermag. Eine in dieser Weise cen-
tralisirte Verwaltung ist allerdings im Stande, die localen Bedürfnisse zu er¬
kennen und genügend zu berücksichtigen. Eine solche echte Centralisation oder
Concentration müßte auch bei der Vereinigung der Eisenbahnen im Auge
behalten werden. Mit einer mechanischen irrationalen Centralisation aber, wie sie
in Frankreich bestand, kann nicht einmal die kleinste Eisenbahn ordentlich
verwaltet werden. Die Verwaltung selbst der kleinsten Eisenbahn kann Or-
gane oder Beamte nicht entbehren, welche in gewissen Fällen selbständig
denken und handeln müssen. Die Maschinenführer allein haben eigentlich
mehr Verantwortlichkeit als die Verwaltungsräthe einer Privateisenbahn.
Die Verantwortlichkeit ist aber die Haupteigenschaft. auf welcher sich große
Verwaltungscomplexe ausbauen. Wollte man die Verantwortlichkeit streichen,
so könnte man sich bei den kleinsten Eisenbahnen vor Unglück nicht retten,
und der Staat müßte gegen sie einschreiten. Sobald man aber die Verant¬
wortlichkeit zur Grundlage einer Organisation macht, so lassen sich die leiten-
den Organe der einzelnen Theile auch so selbständig hinstellen, daß sich mit
ihrer Hilfe, unter der Oberaufsicht des Central-Organs und unter Mit¬
wirkung der Central-Gesetzgebung ohne Gefahr die größten Verwaltungs¬
complexe aufbauen lassen. Um die localen Bedürfnisse zu erkennen, kann der
Director der kleinsten Eisenbahn nicht auf seine persönlichen Beobachtungen
allein sich verlassen, sondern er muß einestheils die Erfahrungen der ihm
untergeordneten Beamten zu Rathe ziehen, anderntheils auf die Wünsche des
Publikums hören. In dieser Beziehung kann kein Unterschied bestehen zwischen
einem kleinen und einem großen Eisenbahncomplex, weil die kleine Linie auch
unter der Centralisation einen bestimmten leitenden Beamten über sich ge¬
stellt hat, dessen Aufgabe es eben ist, solche locale Bedürfnisse zu erkennen
und sich zum Mittelmann und Fürsprecher derselben bei der Central-Behörde
zu machen. Um solche locale Bedürfnisse aber dann genügend zu berücksich¬
tigen und bei Beschwerden die nöthige Abhilfe zu besorgen, oder bei positiven
Wünschen die geforderten Einrichtungen zu treffen, dazu bat eine Central-Be¬
hörde weit größere Mittel und weit größere Macht. Lassen wir bei der Frage
die größere oder geringere Ausdehnung des Etsenbahncomplexes gänzlich bei
Seite und untersuchen wir, bei welcher Einrichtung die lokalen Bedürfnisse
besser erkannt werden können, ob bei Privatbahnen oder bei Staatsbahnen
Zeichen Umfangs, so müssen wir gerade in dieser Beziehung den Staatsbahnen
den Vorzug geben. Denn eine mehr als 30jährige Erfahrung hat gezeigt.


machte, das hat erst der deutsch-französische Krieg ans Licht gebracht, sogar
die Militärverwaltung war unter diesem System vernachlässigt worden,
während der geordnete rasche Aufmarsch der deutschen Heere zeigte, was
die echte föderale auf der Selbständigkeit und Selbstverwaltung der ein¬
zelnen Theile beruhende Centralisation vermag. Eine in dieser Weise cen-
tralisirte Verwaltung ist allerdings im Stande, die localen Bedürfnisse zu er¬
kennen und genügend zu berücksichtigen. Eine solche echte Centralisation oder
Concentration müßte auch bei der Vereinigung der Eisenbahnen im Auge
behalten werden. Mit einer mechanischen irrationalen Centralisation aber, wie sie
in Frankreich bestand, kann nicht einmal die kleinste Eisenbahn ordentlich
verwaltet werden. Die Verwaltung selbst der kleinsten Eisenbahn kann Or-
gane oder Beamte nicht entbehren, welche in gewissen Fällen selbständig
denken und handeln müssen. Die Maschinenführer allein haben eigentlich
mehr Verantwortlichkeit als die Verwaltungsräthe einer Privateisenbahn.
Die Verantwortlichkeit ist aber die Haupteigenschaft. auf welcher sich große
Verwaltungscomplexe ausbauen. Wollte man die Verantwortlichkeit streichen,
so könnte man sich bei den kleinsten Eisenbahnen vor Unglück nicht retten,
und der Staat müßte gegen sie einschreiten. Sobald man aber die Verant¬
wortlichkeit zur Grundlage einer Organisation macht, so lassen sich die leiten-
den Organe der einzelnen Theile auch so selbständig hinstellen, daß sich mit
ihrer Hilfe, unter der Oberaufsicht des Central-Organs und unter Mit¬
wirkung der Central-Gesetzgebung ohne Gefahr die größten Verwaltungs¬
complexe aufbauen lassen. Um die localen Bedürfnisse zu erkennen, kann der
Director der kleinsten Eisenbahn nicht auf seine persönlichen Beobachtungen
allein sich verlassen, sondern er muß einestheils die Erfahrungen der ihm
untergeordneten Beamten zu Rathe ziehen, anderntheils auf die Wünsche des
Publikums hören. In dieser Beziehung kann kein Unterschied bestehen zwischen
einem kleinen und einem großen Eisenbahncomplex, weil die kleine Linie auch
unter der Centralisation einen bestimmten leitenden Beamten über sich ge¬
stellt hat, dessen Aufgabe es eben ist, solche locale Bedürfnisse zu erkennen
und sich zum Mittelmann und Fürsprecher derselben bei der Central-Behörde
zu machen. Um solche locale Bedürfnisse aber dann genügend zu berücksich¬
tigen und bei Beschwerden die nöthige Abhilfe zu besorgen, oder bei positiven
Wünschen die geforderten Einrichtungen zu treffen, dazu bat eine Central-Be¬
hörde weit größere Mittel und weit größere Macht. Lassen wir bei der Frage
die größere oder geringere Ausdehnung des Etsenbahncomplexes gänzlich bei
Seite und untersuchen wir, bei welcher Einrichtung die lokalen Bedürfnisse
besser erkannt werden können, ob bei Privatbahnen oder bei Staatsbahnen
Zeichen Umfangs, so müssen wir gerade in dieser Beziehung den Staatsbahnen
den Vorzug geben. Denn eine mehr als 30jährige Erfahrung hat gezeigt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/309>, abgerufen am 27.09.2024.