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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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von oben wie mit einer Schnur in Thätigkeit versetzt werden würden. Die
hier vorliegende Frage verliert hier gerade den Punkt, an welchem zugleich
die fünfte Phrase widerlegt werden kann: "Daß eine centralisirte Verwal¬
tung nicht im Stande sei, die localen Bedürfnisse zu erkennen und genügend
zu berücksichtigen."

Es giebt eben zweierlei Arten von Centralisation: die mechanische, irra¬
tionelle Centralisation, welche alles von oben beurtheilen, lenken und ent¬
scheiden will, auch die localen Bedürfnisse, und eine vernünftige, naturgemäße
Centralisation, welche man, um Mißverständnisse und Wortstreit zu vermeiden,
auch Concentration nennen könnte. Die Letztere ist von dem Grundsatz ge-
leitet, daß man den einzelnen Theilen des Organismus oder der Gesammt-
einrichtung die Besorgung ihrer eigenen oder localen Angelegenheit möglichst
überlassen, d. h. daß man sie alle diejenigen ihrer Angelegenheiten allein besor¬
gen lassen solle, welche sie selbst am besten verstehen, und daß die Centralleitung
sich nur die Oberaufsicht vorbehält, um etwaigen Mißbräuchen zu begegnen,
und die Verfügung über diejenigen Angelegenheiten, welche die Interessen des
Ganzen betreffen. Aus allen Gebieten des Lebens ist die Erfahrung gemacht
worden, daß mit dieser Art der Organisation und der Zusammenfassung vie¬
ler selbständiger Kräfte zu einem Ganzen der höchste Nutzeffect erzielt werden
kann -- ja. daß überhaupt umfassende Dinge nur auf diesem Wege geordnet
werden können, -- sei es im Krieg oder im Frieden, im Staat oder in der
Gesellschaft, in öffentlichen Arbeiten oder in der Privat-Jndustrie. Beruht ja
doch das ganze Princip dieser naturgemäßen Organisation auf dem alten
Gesetz der Arbeitstheilung, welcher wir alle Fortschritte der Cultur verdanken.
Ein paar Beispiele werden die Wahrheit unserer Behauptung noch klarer
beleuchten. Seit der neueren großartigen Entwicklung, welche die Industrie
den Dampfmaschinen und Werkzeugmaschinen zu verdanken hat, sind große
gewerbliche Anstalten entstanden, welche zuweilen die disparatesten Erzeugnisse
herstellen, einen solchen Umfang haben, daß sie viele Tausende von Arbeitern
beschäftigen, und trotzdem sehr gut rentiren. -- So umfaßt z. B. die Cramer-
Klett'sche Maschinenfabrik in Nürnberg die Herstellung von Eisenbahn-Per-
sonen- und Güterwagen und von Nagelstiften, von eisernen Gitterbrücken und
von Dampfkesseln. Die mercantile Leitung der verschiedenen Abtheilungen,
welche sich mit der Erzeugung der durchaus heterogenen Producte beschäftigen,
läuft in einer Hand zusammen. Jede dieser Abtheilungen aber ist unter ihre
selbständige technische Leitung gestellt. Der ursprüngliche alleinige Eigen¬
thümer dieser großartigen Anstalt, Freiherr von Cramer, hat sich von der
Pike auf zum vielfachen Millionär aufgeschwungen, obgleich alle Fäden des
großartigen Etablissements in seinen Händen zusammenliefen. In ähnlicher
Weise ist das große Hüttenwerk von Krupp in Essen orgarnsirt und geleitet.


Grenzboten III. 187V. 38

von oben wie mit einer Schnur in Thätigkeit versetzt werden würden. Die
hier vorliegende Frage verliert hier gerade den Punkt, an welchem zugleich
die fünfte Phrase widerlegt werden kann: „Daß eine centralisirte Verwal¬
tung nicht im Stande sei, die localen Bedürfnisse zu erkennen und genügend
zu berücksichtigen."

Es giebt eben zweierlei Arten von Centralisation: die mechanische, irra¬
tionelle Centralisation, welche alles von oben beurtheilen, lenken und ent¬
scheiden will, auch die localen Bedürfnisse, und eine vernünftige, naturgemäße
Centralisation, welche man, um Mißverständnisse und Wortstreit zu vermeiden,
auch Concentration nennen könnte. Die Letztere ist von dem Grundsatz ge-
leitet, daß man den einzelnen Theilen des Organismus oder der Gesammt-
einrichtung die Besorgung ihrer eigenen oder localen Angelegenheit möglichst
überlassen, d. h. daß man sie alle diejenigen ihrer Angelegenheiten allein besor¬
gen lassen solle, welche sie selbst am besten verstehen, und daß die Centralleitung
sich nur die Oberaufsicht vorbehält, um etwaigen Mißbräuchen zu begegnen,
und die Verfügung über diejenigen Angelegenheiten, welche die Interessen des
Ganzen betreffen. Aus allen Gebieten des Lebens ist die Erfahrung gemacht
worden, daß mit dieser Art der Organisation und der Zusammenfassung vie¬
ler selbständiger Kräfte zu einem Ganzen der höchste Nutzeffect erzielt werden
kann — ja. daß überhaupt umfassende Dinge nur auf diesem Wege geordnet
werden können, — sei es im Krieg oder im Frieden, im Staat oder in der
Gesellschaft, in öffentlichen Arbeiten oder in der Privat-Jndustrie. Beruht ja
doch das ganze Princip dieser naturgemäßen Organisation auf dem alten
Gesetz der Arbeitstheilung, welcher wir alle Fortschritte der Cultur verdanken.
Ein paar Beispiele werden die Wahrheit unserer Behauptung noch klarer
beleuchten. Seit der neueren großartigen Entwicklung, welche die Industrie
den Dampfmaschinen und Werkzeugmaschinen zu verdanken hat, sind große
gewerbliche Anstalten entstanden, welche zuweilen die disparatesten Erzeugnisse
herstellen, einen solchen Umfang haben, daß sie viele Tausende von Arbeitern
beschäftigen, und trotzdem sehr gut rentiren. — So umfaßt z. B. die Cramer-
Klett'sche Maschinenfabrik in Nürnberg die Herstellung von Eisenbahn-Per-
sonen- und Güterwagen und von Nagelstiften, von eisernen Gitterbrücken und
von Dampfkesseln. Die mercantile Leitung der verschiedenen Abtheilungen,
welche sich mit der Erzeugung der durchaus heterogenen Producte beschäftigen,
läuft in einer Hand zusammen. Jede dieser Abtheilungen aber ist unter ihre
selbständige technische Leitung gestellt. Der ursprüngliche alleinige Eigen¬
thümer dieser großartigen Anstalt, Freiherr von Cramer, hat sich von der
Pike auf zum vielfachen Millionär aufgeschwungen, obgleich alle Fäden des
großartigen Etablissements in seinen Händen zusammenliefen. In ähnlicher
Weise ist das große Hüttenwerk von Krupp in Essen orgarnsirt und geleitet.


Grenzboten III. 187V. 38
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[0305] von oben wie mit einer Schnur in Thätigkeit versetzt werden würden. Die hier vorliegende Frage verliert hier gerade den Punkt, an welchem zugleich die fünfte Phrase widerlegt werden kann: „Daß eine centralisirte Verwal¬ tung nicht im Stande sei, die localen Bedürfnisse zu erkennen und genügend zu berücksichtigen." Es giebt eben zweierlei Arten von Centralisation: die mechanische, irra¬ tionelle Centralisation, welche alles von oben beurtheilen, lenken und ent¬ scheiden will, auch die localen Bedürfnisse, und eine vernünftige, naturgemäße Centralisation, welche man, um Mißverständnisse und Wortstreit zu vermeiden, auch Concentration nennen könnte. Die Letztere ist von dem Grundsatz ge- leitet, daß man den einzelnen Theilen des Organismus oder der Gesammt- einrichtung die Besorgung ihrer eigenen oder localen Angelegenheit möglichst überlassen, d. h. daß man sie alle diejenigen ihrer Angelegenheiten allein besor¬ gen lassen solle, welche sie selbst am besten verstehen, und daß die Centralleitung sich nur die Oberaufsicht vorbehält, um etwaigen Mißbräuchen zu begegnen, und die Verfügung über diejenigen Angelegenheiten, welche die Interessen des Ganzen betreffen. Aus allen Gebieten des Lebens ist die Erfahrung gemacht worden, daß mit dieser Art der Organisation und der Zusammenfassung vie¬ ler selbständiger Kräfte zu einem Ganzen der höchste Nutzeffect erzielt werden kann — ja. daß überhaupt umfassende Dinge nur auf diesem Wege geordnet werden können, — sei es im Krieg oder im Frieden, im Staat oder in der Gesellschaft, in öffentlichen Arbeiten oder in der Privat-Jndustrie. Beruht ja doch das ganze Princip dieser naturgemäßen Organisation auf dem alten Gesetz der Arbeitstheilung, welcher wir alle Fortschritte der Cultur verdanken. Ein paar Beispiele werden die Wahrheit unserer Behauptung noch klarer beleuchten. Seit der neueren großartigen Entwicklung, welche die Industrie den Dampfmaschinen und Werkzeugmaschinen zu verdanken hat, sind große gewerbliche Anstalten entstanden, welche zuweilen die disparatesten Erzeugnisse herstellen, einen solchen Umfang haben, daß sie viele Tausende von Arbeitern beschäftigen, und trotzdem sehr gut rentiren. — So umfaßt z. B. die Cramer- Klett'sche Maschinenfabrik in Nürnberg die Herstellung von Eisenbahn-Per- sonen- und Güterwagen und von Nagelstiften, von eisernen Gitterbrücken und von Dampfkesseln. Die mercantile Leitung der verschiedenen Abtheilungen, welche sich mit der Erzeugung der durchaus heterogenen Producte beschäftigen, läuft in einer Hand zusammen. Jede dieser Abtheilungen aber ist unter ihre selbständige technische Leitung gestellt. Der ursprüngliche alleinige Eigen¬ thümer dieser großartigen Anstalt, Freiherr von Cramer, hat sich von der Pike auf zum vielfachen Millionär aufgeschwungen, obgleich alle Fäden des großartigen Etablissements in seinen Händen zusammenliefen. In ähnlicher Weise ist das große Hüttenwerk von Krupp in Essen orgarnsirt und geleitet. Grenzboten III. 187V. 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/305>, abgerufen am 27.09.2024.