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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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und dessen Wahrheit liegt in der That bei der Verwaltung von Landgütern
am meisten auf der Hand. Es ist klar, daß ein Hof, um möglichst wirth¬
schaftlich verwaltet zu werden, arrondirt sein muß und keine zu große Aus¬
dehnung haben darf, damit nicht zu viele Zeit auf der Straße vergeudet wird;
denn ein Acker, der so weit entfernt läge, daß es einen halben Tag erfordern
würde, um den Pflug hinzufahren und einen halben Tag um ihn wieder
zurückzubringen, würde einfach gar nicht bestellbar sein. Es ist also ganz
klar, daß von einer gewissen Grenze der Ausdehnung an die Betriebskosten
sich vermehren. Allein bei der Landwirthschaft, sowie bei den Gewerben ist
längst nachgewiesen, daß der gleiche Umstand obwaltet beim Kleinbetrieb,
d. h. daß die Betriebskosten sich vermehren, sobald das Objekt unter einen
gewissen Umfang herabsinkt. Wir haben ja schon oben erwähnt, daß dieses
eine Hauptklage des Kleingewerbes in Beziehung auf seine Stellung zur
Großindustrie ist. Bei der Industrie läßt sich jener Satz auch gar nicht so
streng anwenden als bei der Landwirthschaft, weil hier gerade umgekehrt das
Objekt sehr oft noch viel concentrirter ist als im Kleingewerbe, da dasselbe
häufig in großen Fabrik-Etablissementen besteht, während das letztere sich in
der Regel über eine ganze Stadt oder eine ganze Gegend verbreitet. Aber
auch in diesem Falle giebt es eine Grenze der Ausdehnung, an welcher die
Kosten sich wieder vermehren. Wir sehen also -- die Wahrheit liegt auch
hier in der Mitte. Es ist kein Zweifel, daß die Eisenbahnen sich wegen
ihrer räumlichen Ausdehnung nicht in allen Stücken mit dem Großbetrieb
auf eine Linie stellen lassen, und daß sie in dieser Beziehung eine Mittel¬
stellung einnehmen.

In allen Fällen sind auch sie dem Gesetze unterworfen, daß die Betriebs¬
kosten sich vermehren, sobald die Ausdehnung des Verwaltungsobjekts eine
gewisse Grenze über- oder unterschreitet. Auf allen Gebieten des menschlichen
Lebens, im Staat sowie in der Gesellschaft, bei der Wahrung der öffentlichen
wie der Privat-Jnteressen, macht sich indessen die Nothwendigkeit geltend, daß,
sobald im Interesse der vortheilhaften Behandlung und Verwaltung einer
Sache die Ausdehnung eines Verwaltungsgebietes begrenzt werden muß, eine
Anzahl von gleichen Theilen entsteht, welche durch ein höheres organisches
Band miteinander zusammengehalten werden. Das ist es eben, was man
den Organismus nennt, sowohl in der Natur, welche ihre Gebilde aus Mo¬
lekülen, Atomen und Zellen aufbaut, wie in der menschlichen Gesellschaft und
im Staate. Im Organismus ist der einzelne Theil genau so abgegrenzt, wie
er mit der möglichsten Schonung seiner Kräfte am meisten zu leisten vermag,
und die durch die Centralleitung des Organismus dann zu einem Ziel ver¬
einigten Glieder vermögen eine höhere Kraftanstrengung hervorzubringen als
wenn alle Theile, ohne so haushälterisch mit den Kräften umzugehen, blos


und dessen Wahrheit liegt in der That bei der Verwaltung von Landgütern
am meisten auf der Hand. Es ist klar, daß ein Hof, um möglichst wirth¬
schaftlich verwaltet zu werden, arrondirt sein muß und keine zu große Aus¬
dehnung haben darf, damit nicht zu viele Zeit auf der Straße vergeudet wird;
denn ein Acker, der so weit entfernt läge, daß es einen halben Tag erfordern
würde, um den Pflug hinzufahren und einen halben Tag um ihn wieder
zurückzubringen, würde einfach gar nicht bestellbar sein. Es ist also ganz
klar, daß von einer gewissen Grenze der Ausdehnung an die Betriebskosten
sich vermehren. Allein bei der Landwirthschaft, sowie bei den Gewerben ist
längst nachgewiesen, daß der gleiche Umstand obwaltet beim Kleinbetrieb,
d. h. daß die Betriebskosten sich vermehren, sobald das Objekt unter einen
gewissen Umfang herabsinkt. Wir haben ja schon oben erwähnt, daß dieses
eine Hauptklage des Kleingewerbes in Beziehung auf seine Stellung zur
Großindustrie ist. Bei der Industrie läßt sich jener Satz auch gar nicht so
streng anwenden als bei der Landwirthschaft, weil hier gerade umgekehrt das
Objekt sehr oft noch viel concentrirter ist als im Kleingewerbe, da dasselbe
häufig in großen Fabrik-Etablissementen besteht, während das letztere sich in
der Regel über eine ganze Stadt oder eine ganze Gegend verbreitet. Aber
auch in diesem Falle giebt es eine Grenze der Ausdehnung, an welcher die
Kosten sich wieder vermehren. Wir sehen also — die Wahrheit liegt auch
hier in der Mitte. Es ist kein Zweifel, daß die Eisenbahnen sich wegen
ihrer räumlichen Ausdehnung nicht in allen Stücken mit dem Großbetrieb
auf eine Linie stellen lassen, und daß sie in dieser Beziehung eine Mittel¬
stellung einnehmen.

In allen Fällen sind auch sie dem Gesetze unterworfen, daß die Betriebs¬
kosten sich vermehren, sobald die Ausdehnung des Verwaltungsobjekts eine
gewisse Grenze über- oder unterschreitet. Auf allen Gebieten des menschlichen
Lebens, im Staat sowie in der Gesellschaft, bei der Wahrung der öffentlichen
wie der Privat-Jnteressen, macht sich indessen die Nothwendigkeit geltend, daß,
sobald im Interesse der vortheilhaften Behandlung und Verwaltung einer
Sache die Ausdehnung eines Verwaltungsgebietes begrenzt werden muß, eine
Anzahl von gleichen Theilen entsteht, welche durch ein höheres organisches
Band miteinander zusammengehalten werden. Das ist es eben, was man
den Organismus nennt, sowohl in der Natur, welche ihre Gebilde aus Mo¬
lekülen, Atomen und Zellen aufbaut, wie in der menschlichen Gesellschaft und
im Staate. Im Organismus ist der einzelne Theil genau so abgegrenzt, wie
er mit der möglichsten Schonung seiner Kräfte am meisten zu leisten vermag,
und die durch die Centralleitung des Organismus dann zu einem Ziel ver¬
einigten Glieder vermögen eine höhere Kraftanstrengung hervorzubringen als
wenn alle Theile, ohne so haushälterisch mit den Kräften umzugehen, blos


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/304>, abgerufen am 27.09.2024.