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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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natürlich geneigt, reell und billig zu bedienen, um sich die Kundschaft zu er¬
halten. Das große Publikum, auf welches die Spediteure keine solchen
Rücksichten zu nehmen brauchen, würden durch den Verzicht der Eisenbahn¬
verwaltungen auf die Spedition eher theurer bedient werden als jetzt, wo sie
noch die Concurrenz der Eisenbahnverwaltung zu fürchten haben. Das große
Publikum würde auf die Beförderung seiner Sendungen um so länger zu
warten haben, je mehr Spediteure vorhanden wären, also je größer deren
Concurrenz, weil sie um so länger warten müßten, bis sie eine Wagenladung
zusammen hätten. Am schlechtesten aber würden die Nachbarn der kleinen
Stationen bedient werden, weil die meisten Spediteure es nicht lohnend finden
würden, Agenten an den kleinen Stationen zu halten; sie müssen sich dann
sammt und sonders zur Bestellung eines gemeinsamen Agenten verständigen,
was sehr unwahrscheinlich ist aus dem einfachen Grunde, weil die Furcht nicht
ausgerottet werden kann, daß das eine oder das andere Speditionshaus dabei
begünstigt wird. Es würde daher auf den Zwischenstationen meistens dahin
kommen, daß gar niemand da wäre, um die Güter in Empfang zu nehmen
und für die Füllung eines Güterwagens zu sammeln. Die Landbewohner
namentlich müßten ihre Güter, sofern sie nicht ganze Wagenladungen um¬
fassen, nach den Knotenpunkten der Eisenbahnen bringen. Dadurch würden
ihnen aber entweder außerordentliche Kosten verursacht oder großer Zeitverlust
für den Fall, daß die Verbindung mit den Knotenpunkten durch einen regel¬
mäßigen Frachtfuhrdienst hergestellt werden würde, weil dessen Wagen auch
erst in längeren Zwischenräumen Aussicht auf volle Belastung haben. Auf
der andern Seite ist in den Händen der Eisenbahnverwaltung der Speditions¬
dienst viel besser besorgt, weil er auf den Nebenstationen nur in den Händen
eines einzigen Agenten zu sein braucht, und weil auch die Aufgabe eines
Stationsaufsehers und Güterverwalters oder Expedienten in einer Person
vereinigt werden kann. Auf den großen Stationen dagegen und den
Knotenpunkten der Eisenbahnen würde der Dienst durch die mit dem Aufgeben
der Spedition von Seiten der Eisenbahnen in einer Weise decentralisirt, daß
in der Beförderung der abgehenden und anlangenden Waaren eine bedeutende
Verwirrung und Verzögerung eintreten würde. Uebrigens besteht ja die
Einrichtung jetzt schon, nur nicht ausschließlich. Jedem Spediteur steht es
frei, Frachtstücke zu sammeln und einen von der Eisenbahn dazu gemietheten
Güterwagen zu beladen und zu versenden. Noch niemals aber hätten wir
gehört, daß ein Spediteur billiger versendet hätte als die Eisenbahn, wohl
aber haben wir selbst die Erfahrung gemacht, daß die Spesen der Spediteure
die wirkliche Eisenbahnfracht nicht blos um 6, sondern sogar um 20 und
25 o/g überstieg.


natürlich geneigt, reell und billig zu bedienen, um sich die Kundschaft zu er¬
halten. Das große Publikum, auf welches die Spediteure keine solchen
Rücksichten zu nehmen brauchen, würden durch den Verzicht der Eisenbahn¬
verwaltungen auf die Spedition eher theurer bedient werden als jetzt, wo sie
noch die Concurrenz der Eisenbahnverwaltung zu fürchten haben. Das große
Publikum würde auf die Beförderung seiner Sendungen um so länger zu
warten haben, je mehr Spediteure vorhanden wären, also je größer deren
Concurrenz, weil sie um so länger warten müßten, bis sie eine Wagenladung
zusammen hätten. Am schlechtesten aber würden die Nachbarn der kleinen
Stationen bedient werden, weil die meisten Spediteure es nicht lohnend finden
würden, Agenten an den kleinen Stationen zu halten; sie müssen sich dann
sammt und sonders zur Bestellung eines gemeinsamen Agenten verständigen,
was sehr unwahrscheinlich ist aus dem einfachen Grunde, weil die Furcht nicht
ausgerottet werden kann, daß das eine oder das andere Speditionshaus dabei
begünstigt wird. Es würde daher auf den Zwischenstationen meistens dahin
kommen, daß gar niemand da wäre, um die Güter in Empfang zu nehmen
und für die Füllung eines Güterwagens zu sammeln. Die Landbewohner
namentlich müßten ihre Güter, sofern sie nicht ganze Wagenladungen um¬
fassen, nach den Knotenpunkten der Eisenbahnen bringen. Dadurch würden
ihnen aber entweder außerordentliche Kosten verursacht oder großer Zeitverlust
für den Fall, daß die Verbindung mit den Knotenpunkten durch einen regel¬
mäßigen Frachtfuhrdienst hergestellt werden würde, weil dessen Wagen auch
erst in längeren Zwischenräumen Aussicht auf volle Belastung haben. Auf
der andern Seite ist in den Händen der Eisenbahnverwaltung der Speditions¬
dienst viel besser besorgt, weil er auf den Nebenstationen nur in den Händen
eines einzigen Agenten zu sein braucht, und weil auch die Aufgabe eines
Stationsaufsehers und Güterverwalters oder Expedienten in einer Person
vereinigt werden kann. Auf den großen Stationen dagegen und den
Knotenpunkten der Eisenbahnen würde der Dienst durch die mit dem Aufgeben
der Spedition von Seiten der Eisenbahnen in einer Weise decentralisirt, daß
in der Beförderung der abgehenden und anlangenden Waaren eine bedeutende
Verwirrung und Verzögerung eintreten würde. Uebrigens besteht ja die
Einrichtung jetzt schon, nur nicht ausschließlich. Jedem Spediteur steht es
frei, Frachtstücke zu sammeln und einen von der Eisenbahn dazu gemietheten
Güterwagen zu beladen und zu versenden. Noch niemals aber hätten wir
gehört, daß ein Spediteur billiger versendet hätte als die Eisenbahn, wohl
aber haben wir selbst die Erfahrung gemacht, daß die Spesen der Spediteure
die wirkliche Eisenbahnfracht nicht blos um 6, sondern sogar um 20 und
25 o/g überstieg.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/301>, abgerufen am 27.09.2024.