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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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wenn dieser Hemmschuh sich nicht in den Weg stellte, so würde schon die
Verminderug des erreichbaren Gewinnes als hinreichendes Abschreckungsmittel
wirken. Wo auch zwei oder drei Concurrenzlinien bei den Eisenbahnen vor¬
gekommen sind, oder wo Eisenbahnen mit Canälen concurrirt haben, da war
die Concurrenz doch nur eine beschränkte und außerdem in der Regel nur
von geringer Dauer. Stets haben solche Wettbewerbungen zur Verabredung
unter den concurrirenden Unternehmern geführt oder auch zur Fusion. Ein
sehr lehrreiches Beispiel haben in dieser Beziehung die Privat-Eilwagen-Unter-
nehmungen in Frankreich vor der Anlage der Eisenbahnen geliefert. Diese
ganz in der Weise der staatlichen Post-Eilwagen in Deutschland. Oesterreich
und der Schweiz eingerichteten, mit guten Postrelais versehenen Messagerien
haben den Personen- und Packetverkehr in Frankreich auf Jahrzehnte in sehr
zufriedenstellender Weise besorgt. Die guten Resultate, welche namentlich die
besuchtesten Linien erzielten, ermunterten zu Concurrenz-Unternehmungen.
Zwischen solchen concurrirenden Eilwagen-Gesellschaften z.B. zwischen Stra߬
burg und Paris, Paris und Calais, Paris und Lyon entstand dann ein
Kampf, welcher entweder mit dem Bankerott der einen Linie oder mit der
Fusion beider Unternehmungen endigte. Die stärkere Gesellschaft pflegte den
Preis oft längere Zeit unter die Selbstkosten herabzusetzen, bis die andere
Gesellschaft zu Grunde gerichtet war, oder ihr Unternehmen aufgab, oder
bis eine Fusion zu Stande kam. Sofort darauf wurden die Preise wieder
auf eine solche Höhe gebracht, daß die vorher riskirten Opfer mit Gewinn
wieder eingebracht wurden, das Publikum aber ärger gebrandschatzt wurde,
als wenn es die vorübergehende Ermäßigung der Fahrtaxe nicht ge¬
nossen hätte. In ähnlicher Weise ist es mit den englischen Eisenbahnen ge¬
gangen. Wir werden an einer späteren Stelle sehen, in welcher außerordent¬
lichen Weise die Concurrenz völlig illusorisch gemacht worden ist, indem nach
verhältnißmäßig kurzem Kampfe Coalitionen und ungeheuere Fusionen auch
den letzten Schein einer Mitbewerbung vernichtet haben. Die Concurrenz ist
also beim Eisenbahnwesen eine hohle Phrase. Weil aber bei demselben
das Privilegium unabwendbar ist und weil die Eisenbahnunternehmungen
nur durch ein vom Staat zu gewährendes Vorrecht möglich gemacht werden,
so muß der Staat überall auf dem Recht bestehen, bezüglich der Hauptein¬
richtungen der Eisenbahnen und der Bedienung des Publikums, in Bezug
auf den Tarif, auf die Ordnung der Züge, die Einrichtung der Wagen,
gewisse Sicherheitsvorkehrungen und viele andere Dinge ein entscheidendes
Wort mitzusprechen.

Diese von der Natur gebotene Einschränkung in der Concurrenz der
Eisenbahnen scheint Veranlassung gewesen zu sein, daß schon seit längerer
Zeit sowohl von Theoretikern wie von Interessenten, zwischen denen zuweilen


wenn dieser Hemmschuh sich nicht in den Weg stellte, so würde schon die
Verminderug des erreichbaren Gewinnes als hinreichendes Abschreckungsmittel
wirken. Wo auch zwei oder drei Concurrenzlinien bei den Eisenbahnen vor¬
gekommen sind, oder wo Eisenbahnen mit Canälen concurrirt haben, da war
die Concurrenz doch nur eine beschränkte und außerdem in der Regel nur
von geringer Dauer. Stets haben solche Wettbewerbungen zur Verabredung
unter den concurrirenden Unternehmern geführt oder auch zur Fusion. Ein
sehr lehrreiches Beispiel haben in dieser Beziehung die Privat-Eilwagen-Unter-
nehmungen in Frankreich vor der Anlage der Eisenbahnen geliefert. Diese
ganz in der Weise der staatlichen Post-Eilwagen in Deutschland. Oesterreich
und der Schweiz eingerichteten, mit guten Postrelais versehenen Messagerien
haben den Personen- und Packetverkehr in Frankreich auf Jahrzehnte in sehr
zufriedenstellender Weise besorgt. Die guten Resultate, welche namentlich die
besuchtesten Linien erzielten, ermunterten zu Concurrenz-Unternehmungen.
Zwischen solchen concurrirenden Eilwagen-Gesellschaften z.B. zwischen Stra߬
burg und Paris, Paris und Calais, Paris und Lyon entstand dann ein
Kampf, welcher entweder mit dem Bankerott der einen Linie oder mit der
Fusion beider Unternehmungen endigte. Die stärkere Gesellschaft pflegte den
Preis oft längere Zeit unter die Selbstkosten herabzusetzen, bis die andere
Gesellschaft zu Grunde gerichtet war, oder ihr Unternehmen aufgab, oder
bis eine Fusion zu Stande kam. Sofort darauf wurden die Preise wieder
auf eine solche Höhe gebracht, daß die vorher riskirten Opfer mit Gewinn
wieder eingebracht wurden, das Publikum aber ärger gebrandschatzt wurde,
als wenn es die vorübergehende Ermäßigung der Fahrtaxe nicht ge¬
nossen hätte. In ähnlicher Weise ist es mit den englischen Eisenbahnen ge¬
gangen. Wir werden an einer späteren Stelle sehen, in welcher außerordent¬
lichen Weise die Concurrenz völlig illusorisch gemacht worden ist, indem nach
verhältnißmäßig kurzem Kampfe Coalitionen und ungeheuere Fusionen auch
den letzten Schein einer Mitbewerbung vernichtet haben. Die Concurrenz ist
also beim Eisenbahnwesen eine hohle Phrase. Weil aber bei demselben
das Privilegium unabwendbar ist und weil die Eisenbahnunternehmungen
nur durch ein vom Staat zu gewährendes Vorrecht möglich gemacht werden,
so muß der Staat überall auf dem Recht bestehen, bezüglich der Hauptein¬
richtungen der Eisenbahnen und der Bedienung des Publikums, in Bezug
auf den Tarif, auf die Ordnung der Züge, die Einrichtung der Wagen,
gewisse Sicherheitsvorkehrungen und viele andere Dinge ein entscheidendes
Wort mitzusprechen.

Diese von der Natur gebotene Einschränkung in der Concurrenz der
Eisenbahnen scheint Veranlassung gewesen zu sein, daß schon seit längerer
Zeit sowohl von Theoretikern wie von Interessenten, zwischen denen zuweilen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/299>, abgerufen am 27.09.2024.