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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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gehen und nur in langen Perioden aufgebessert und reparirt zu werden
brauchen.

Diese ziehen daraus auch den Vortheil, daß sie solchen Aenderungen sich
erst anzubequemen brauchen, nachdem sie sich vollkommen als vortheilhaft be¬
währt haben. Zu solchen gewerblichen Thätigkeiten gehört in erster Linie
die Verwaltung der Forsten, in zweiter Linie die der Verkehrsanstalten, der
Post, Telegraphen, Canäle, Eisenbahnen. Notenbanken, Hypothekenbanken,
Sparkassen, sowie Versicherungsanstalten, in dritter Linie die Administration
der Domänen und öffentlichen Muster- und Versuchsanstalten und endlich die
Ausbeutung der Bergwerke und der Betrieb von Waffenfabriken, Pulver¬
mühlen . Patronenwerkstätten. Erst in der .letzten Linie sind dazu zu zählen
Hütten, Papierfabriken, Spinnereien und andere große industrielle Eta¬
blissements.

Die Volkswirthe, welche in der ersten Zeit den Kampf gegen das Staats¬
gewerbe geführt, hatten keineswegs die Absicht', bei dem eben geschilderten
Gegensatz zwischen Privat- und Staats-Industrie die gewerbliche Thätig¬
keit der Actiengesellschaften ohne Weiteres hier und die Privat-Jndustrie ein¬
zureihen. Denn die Actiengesellschaft gehört nur ihren Eigenthumsverhält¬
nissen nach dem Privatgewerbe an, dem Charakter ihres Betriebs nach ist sie
fast identisch mit dem Staatsgewerbe. Soweit daher die Erfahrung über
Actiengesellschaften reicht, oder seit anderthalb Jahrhunderten, haben alle
Actiengesellschaften schlechte Erfolge aufzuweisen, welche sich mit den zuerst
characterisirten Geschäften abgegeben haben. Alle großen überseeischen Handels¬
gesellschaften sind zu Grunde gegangen, und nur die niederländische Handels -
Maatschappy ist übrig geblieben, weil sie das Staatsmonopol genießt und sich
in keine Speculationen einläßt. Gleich den Staatsanstalten können die Ac¬
tiengesellschaften nur in solchen Beschäftigungen gedeihen, welche nur selten
Veränderungen unterworfen sind und nach bestimmten Jnstructionen schablonen-
mäßtg verwaltet werden. Sie mögen sich nur in der Beziehung von dem
Staatsbetrieb unterscheiden, daß ihre Directionen und Verwaltungsräthe
leichteres Spiel mit ihren Auftraggebern -- der Generalversammlung der
Actionäre -- haben, als die Directionen der Staatsanstalten, welche unter
der strengen Autorität der Negierung und der eifersüchtigen und wirksameren
der Volksvertretung stehen. Durch diesen Umstand mag allerdings zuweilen
ein Geschäft mittelst rascher Benützung günstiger Umstände vortheilhafter ge¬
staltet werden, es kann aber auch ebenso leichter in Verlust gerathen. Die
Vortheile einzelner Privatunternehmer kann eine Actiengesellschaft sich nie
ganz aneignen. Sie nimmt daher eigentlich eine Mittelstelle zwischen der
Privat- und der Staats-Jndustrie ein. sie nähert sich aber mehr dem Staats¬
gewerbe, und so oft zur Beurtheilung des Characters einer Verwaltung nur


gehen und nur in langen Perioden aufgebessert und reparirt zu werden
brauchen.

Diese ziehen daraus auch den Vortheil, daß sie solchen Aenderungen sich
erst anzubequemen brauchen, nachdem sie sich vollkommen als vortheilhaft be¬
währt haben. Zu solchen gewerblichen Thätigkeiten gehört in erster Linie
die Verwaltung der Forsten, in zweiter Linie die der Verkehrsanstalten, der
Post, Telegraphen, Canäle, Eisenbahnen. Notenbanken, Hypothekenbanken,
Sparkassen, sowie Versicherungsanstalten, in dritter Linie die Administration
der Domänen und öffentlichen Muster- und Versuchsanstalten und endlich die
Ausbeutung der Bergwerke und der Betrieb von Waffenfabriken, Pulver¬
mühlen . Patronenwerkstätten. Erst in der .letzten Linie sind dazu zu zählen
Hütten, Papierfabriken, Spinnereien und andere große industrielle Eta¬
blissements.

Die Volkswirthe, welche in der ersten Zeit den Kampf gegen das Staats¬
gewerbe geführt, hatten keineswegs die Absicht', bei dem eben geschilderten
Gegensatz zwischen Privat- und Staats-Industrie die gewerbliche Thätig¬
keit der Actiengesellschaften ohne Weiteres hier und die Privat-Jndustrie ein¬
zureihen. Denn die Actiengesellschaft gehört nur ihren Eigenthumsverhält¬
nissen nach dem Privatgewerbe an, dem Charakter ihres Betriebs nach ist sie
fast identisch mit dem Staatsgewerbe. Soweit daher die Erfahrung über
Actiengesellschaften reicht, oder seit anderthalb Jahrhunderten, haben alle
Actiengesellschaften schlechte Erfolge aufzuweisen, welche sich mit den zuerst
characterisirten Geschäften abgegeben haben. Alle großen überseeischen Handels¬
gesellschaften sind zu Grunde gegangen, und nur die niederländische Handels -
Maatschappy ist übrig geblieben, weil sie das Staatsmonopol genießt und sich
in keine Speculationen einläßt. Gleich den Staatsanstalten können die Ac¬
tiengesellschaften nur in solchen Beschäftigungen gedeihen, welche nur selten
Veränderungen unterworfen sind und nach bestimmten Jnstructionen schablonen-
mäßtg verwaltet werden. Sie mögen sich nur in der Beziehung von dem
Staatsbetrieb unterscheiden, daß ihre Directionen und Verwaltungsräthe
leichteres Spiel mit ihren Auftraggebern — der Generalversammlung der
Actionäre — haben, als die Directionen der Staatsanstalten, welche unter
der strengen Autorität der Negierung und der eifersüchtigen und wirksameren
der Volksvertretung stehen. Durch diesen Umstand mag allerdings zuweilen
ein Geschäft mittelst rascher Benützung günstiger Umstände vortheilhafter ge¬
staltet werden, es kann aber auch ebenso leichter in Verlust gerathen. Die
Vortheile einzelner Privatunternehmer kann eine Actiengesellschaft sich nie
ganz aneignen. Sie nimmt daher eigentlich eine Mittelstelle zwischen der
Privat- und der Staats-Jndustrie ein. sie nähert sich aber mehr dem Staats¬
gewerbe, und so oft zur Beurtheilung des Characters einer Verwaltung nur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/295>, abgerufen am 20.10.2024.