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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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hinter sich hatte und da das enorme Fallen der Curse alle Speculationen
vereitelt hatte, so begannen sehr bald die Verlegenheiten des Geschäftes, und
in den noch übrigen zwei Jahren bis zum Bankerott der Effectenbank waren
alle Bemühungen der Verwaltung dahin gerichtet, durch neue Speculationen
die Verluste der früheren zu decken. Hier sollte nun die Frankfurter Filiale
die wesentlichsten Dienste leisten, so daß dieselbe überhaupt nur zur Einrich¬
tung einer großen Wechselreiterei bestimmt gewesen zu sein schien. Dazu
wurde dann noch darauflos "eompenstrt" d. h. hinterlegte Werthpapiere von
Dritten ohne deren Einwilligung verkauft, beziehungsweise unterschlagen.
Das Aergste war aber dabei, daß die Direktoren auch nebenbei noch für eigene
Rechnung speculirten und ihre Verluste bei Dritten bis in die Hunderttausende
durch die Mittel der Bank, d. h. durch den Credit, den sie sich bei derselben
eingeräumt, deckten.

Alle die Umstände sind nicht bloße Behauptungen der Anklageacte, son¬
dern gingen aus dem Verhör der Zeugen als mehr oder minder erwiesene
Thatsachen hervor, obwohl die Hauptangeklagten die meiste Schuld auf den
ersten Leiter der Frankfurter Filiale Schuchardt abzuwälzen suchten, da der¬
selbe sich aus flüchtigem Fuße befindet. Die Zahl der Angeklagten belief sich
auf zwölf, außer dem Haupträdelsfüher G. Horn; darunter Männer, welche
sich bisher in den angesehensten Stellungen des Landes bewegten. Sechzehn
Klagepunkte waren es, welche gegen die Einen und Anderen erhoben wurden,
darunter falsche Angaben über die Einzahlung des Grundkapitals, unwahre
Darstellung oder Verschleierung des wahren Standes der Verhältnisse der
Gesellschaft, Unterlassung der Anzeige bei Gericht, daß das Vermögen der
Gesellschaft die Schulden nicht mehr decke, unbefugte Verfügung über Ver¬
mögensstücke der Rheinischen Effectenbank, um zu deren Nachtheil Dritten
einen Vortheil zuzuwenden; persönliche Schulden bei Dritten durch Ver¬
mögensstücke der Effectenbank beglichen zu haben in der Absicht, sich einen
Vermögensvortheil zuzuwenden.

Der Strafantrag der Staatsanwalts ist sehr umfassend, da er die ein¬
zelnen Klagepunkte und Angeklagten auseinanderhält. Bet Horn cumuliren
sich die Anträge bis auf vier Jahre Gefängniß und Verlust der Ehre. Hierauf
kommt Commerzienrath Wendelstädt mit 3^, zwei andere mit je 3, einer
mit 2 Jahren, drei mit 4 Monaten und der Rest mit einem Monat.

Die Eröffnung des Urtheils ist auf Ende dieses Monats verschoben.
Von vielen Seiten sieht man diesem Tage mit bangen Erwartungen ent¬
gegen.

Wir erwarten vom Gericht, daß es die Schuldigen straft, daß es sich
aber auch so hoch über die Strömung der Zeit zu halten wissen wird, um
nicht blos ein Exempel statuiren zu wollen.




hinter sich hatte und da das enorme Fallen der Curse alle Speculationen
vereitelt hatte, so begannen sehr bald die Verlegenheiten des Geschäftes, und
in den noch übrigen zwei Jahren bis zum Bankerott der Effectenbank waren
alle Bemühungen der Verwaltung dahin gerichtet, durch neue Speculationen
die Verluste der früheren zu decken. Hier sollte nun die Frankfurter Filiale
die wesentlichsten Dienste leisten, so daß dieselbe überhaupt nur zur Einrich¬
tung einer großen Wechselreiterei bestimmt gewesen zu sein schien. Dazu
wurde dann noch darauflos „eompenstrt" d. h. hinterlegte Werthpapiere von
Dritten ohne deren Einwilligung verkauft, beziehungsweise unterschlagen.
Das Aergste war aber dabei, daß die Direktoren auch nebenbei noch für eigene
Rechnung speculirten und ihre Verluste bei Dritten bis in die Hunderttausende
durch die Mittel der Bank, d. h. durch den Credit, den sie sich bei derselben
eingeräumt, deckten.

Alle die Umstände sind nicht bloße Behauptungen der Anklageacte, son¬
dern gingen aus dem Verhör der Zeugen als mehr oder minder erwiesene
Thatsachen hervor, obwohl die Hauptangeklagten die meiste Schuld auf den
ersten Leiter der Frankfurter Filiale Schuchardt abzuwälzen suchten, da der¬
selbe sich aus flüchtigem Fuße befindet. Die Zahl der Angeklagten belief sich
auf zwölf, außer dem Haupträdelsfüher G. Horn; darunter Männer, welche
sich bisher in den angesehensten Stellungen des Landes bewegten. Sechzehn
Klagepunkte waren es, welche gegen die Einen und Anderen erhoben wurden,
darunter falsche Angaben über die Einzahlung des Grundkapitals, unwahre
Darstellung oder Verschleierung des wahren Standes der Verhältnisse der
Gesellschaft, Unterlassung der Anzeige bei Gericht, daß das Vermögen der
Gesellschaft die Schulden nicht mehr decke, unbefugte Verfügung über Ver¬
mögensstücke der Rheinischen Effectenbank, um zu deren Nachtheil Dritten
einen Vortheil zuzuwenden; persönliche Schulden bei Dritten durch Ver¬
mögensstücke der Effectenbank beglichen zu haben in der Absicht, sich einen
Vermögensvortheil zuzuwenden.

Der Strafantrag der Staatsanwalts ist sehr umfassend, da er die ein¬
zelnen Klagepunkte und Angeklagten auseinanderhält. Bet Horn cumuliren
sich die Anträge bis auf vier Jahre Gefängniß und Verlust der Ehre. Hierauf
kommt Commerzienrath Wendelstädt mit 3^, zwei andere mit je 3, einer
mit 2 Jahren, drei mit 4 Monaten und der Rest mit einem Monat.

Die Eröffnung des Urtheils ist auf Ende dieses Monats verschoben.
Von vielen Seiten sieht man diesem Tage mit bangen Erwartungen ent¬
gegen.

Wir erwarten vom Gericht, daß es die Schuldigen straft, daß es sich
aber auch so hoch über die Strömung der Zeit zu halten wissen wird, um
nicht blos ein Exempel statuiren zu wollen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/246>, abgerufen am 27.09.2024.