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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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und Zeugen einen Gründungsakt gefertigt, durch welchen die Rheinische
Effectenbank errichtet wurde, zum Zwecke um industrielle, Immobiler- und
alle Arten von Bankgeschäften zu betreiben. Das Aktienkapital von 2
Millionen Thalern in 10,000 Aktien zu 200 Thalern wurde sofort gezeichnet,
wobei von Horn und Odenthal, deren Geschäft den Grundstein für die Bank
abgeben sollte, 1,500,000 Thlr. und zugleich als Vertreter der Rheinlandbank
150,000 Thlr., von der Anderer Bank für Handel und Industrie 150.000.
von Paderstein in Berlin 150,000 und von Frege in Hamburg 100,000
Thlr. gezeichnet wurden. Gustav Horn bestätigte, daß die Einzahlungen beim
Bankhause Horn und Odenthal vollständig geleistet seien, und die Behörden
hatten sich mit dieser Versicherung begnügt. In dem Gründungsakt war
noch bestimmt, daß das Hauptinstitut seinen Sitz in Köln haben und doch
eine Filiale in Frankfurt a. M. errichtet werden sollte. Sofort nach diesen
Präliminarien constituirten sich die Gründer, da sie noch die einzigen Aktio¬
näre waren, als erste ordentliche Generalversammlung und vertheilten sofort
unter einander die Rollen, indem sie, um die erforderliche Anzahl zur Be¬
setzung des Verwaltungsrathes zu erhalten, noch einige Vertraute hinzuzogen.
Unter den drei gewählten Direktoren war Gustav Horn der Leiter oder
richtiger der Rädelsführer. Derselbe erkannte sofort mit richtigem Blick, daß es,
um aus Nichts Etwas zu machen, vor allem darauf ankomme, den Aktien,
deren Stücke erst noch von der Druckerei zu liefern waren, in den Augen des
Publikums Werth zu verleihen. Dazu mußten Bundesgenossen geworben
werden, welche die Anpreisung der Aktien und die Heranlockung von Käufern
besorgten. Da umsonst der Tod -- so erhielt der Eigenthümer eines Börsen¬
blattes, ein Kölner Advokat, in den Büchern der Rheinischen Effectenbank
einen Credit von 162,000 Thlr., der später compensirt wurde. Die "Com-
pensation" heißt nämlich ein neuer Euphemismus der Agiotage, welcher für
zweierlei Handlungen gebraucht wird, für den eben erwähnten Fall einer
verschleierten Schenkung und für den, wo eine Anstalt die ihr anvertrauten
Depots oder Unterpfänder ohne Auftrag und Vorwissen des Eigenthümers
verkauft. Einem zweiten wurden von der Bank die Mittel zum Ankauf
eines andern Börsenblattes vorgeschossen, einem dritten Literaten wurde ein
Jahresgehalt von 1000 Thlr. ausgesetzt und einem vierten wurden 6000
Thaler für mündliche Dienste compensirt.

Die Bemühungen waren erfolgreich; denn die Aktien wurden bald auf
30-/o Agio getrieben, und ihr Verkauf lieferte das nöthige Betriebskapital zur
Einleitung der Geschäfte. Unter diesen wurde das eigentliche Bankgeschäft
nur zum Schein betrieben. In der Hauptsache wurden nur Börsenspeculationen
gemacht, bei denen namentlich die Dortmunder Union eine große Rolle spielte.
Da die Krisis ausbrach, lange bevor die Effeetenbank ihr erstes Geschäftsjahr


und Zeugen einen Gründungsakt gefertigt, durch welchen die Rheinische
Effectenbank errichtet wurde, zum Zwecke um industrielle, Immobiler- und
alle Arten von Bankgeschäften zu betreiben. Das Aktienkapital von 2
Millionen Thalern in 10,000 Aktien zu 200 Thalern wurde sofort gezeichnet,
wobei von Horn und Odenthal, deren Geschäft den Grundstein für die Bank
abgeben sollte, 1,500,000 Thlr. und zugleich als Vertreter der Rheinlandbank
150,000 Thlr., von der Anderer Bank für Handel und Industrie 150.000.
von Paderstein in Berlin 150,000 und von Frege in Hamburg 100,000
Thlr. gezeichnet wurden. Gustav Horn bestätigte, daß die Einzahlungen beim
Bankhause Horn und Odenthal vollständig geleistet seien, und die Behörden
hatten sich mit dieser Versicherung begnügt. In dem Gründungsakt war
noch bestimmt, daß das Hauptinstitut seinen Sitz in Köln haben und doch
eine Filiale in Frankfurt a. M. errichtet werden sollte. Sofort nach diesen
Präliminarien constituirten sich die Gründer, da sie noch die einzigen Aktio¬
näre waren, als erste ordentliche Generalversammlung und vertheilten sofort
unter einander die Rollen, indem sie, um die erforderliche Anzahl zur Be¬
setzung des Verwaltungsrathes zu erhalten, noch einige Vertraute hinzuzogen.
Unter den drei gewählten Direktoren war Gustav Horn der Leiter oder
richtiger der Rädelsführer. Derselbe erkannte sofort mit richtigem Blick, daß es,
um aus Nichts Etwas zu machen, vor allem darauf ankomme, den Aktien,
deren Stücke erst noch von der Druckerei zu liefern waren, in den Augen des
Publikums Werth zu verleihen. Dazu mußten Bundesgenossen geworben
werden, welche die Anpreisung der Aktien und die Heranlockung von Käufern
besorgten. Da umsonst der Tod — so erhielt der Eigenthümer eines Börsen¬
blattes, ein Kölner Advokat, in den Büchern der Rheinischen Effectenbank
einen Credit von 162,000 Thlr., der später compensirt wurde. Die „Com-
pensation" heißt nämlich ein neuer Euphemismus der Agiotage, welcher für
zweierlei Handlungen gebraucht wird, für den eben erwähnten Fall einer
verschleierten Schenkung und für den, wo eine Anstalt die ihr anvertrauten
Depots oder Unterpfänder ohne Auftrag und Vorwissen des Eigenthümers
verkauft. Einem zweiten wurden von der Bank die Mittel zum Ankauf
eines andern Börsenblattes vorgeschossen, einem dritten Literaten wurde ein
Jahresgehalt von 1000 Thlr. ausgesetzt und einem vierten wurden 6000
Thaler für mündliche Dienste compensirt.

Die Bemühungen waren erfolgreich; denn die Aktien wurden bald auf
30-/o Agio getrieben, und ihr Verkauf lieferte das nöthige Betriebskapital zur
Einleitung der Geschäfte. Unter diesen wurde das eigentliche Bankgeschäft
nur zum Schein betrieben. In der Hauptsache wurden nur Börsenspeculationen
gemacht, bei denen namentlich die Dortmunder Union eine große Rolle spielte.
Da die Krisis ausbrach, lange bevor die Effeetenbank ihr erstes Geschäftsjahr


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[0245] und Zeugen einen Gründungsakt gefertigt, durch welchen die Rheinische Effectenbank errichtet wurde, zum Zwecke um industrielle, Immobiler- und alle Arten von Bankgeschäften zu betreiben. Das Aktienkapital von 2 Millionen Thalern in 10,000 Aktien zu 200 Thalern wurde sofort gezeichnet, wobei von Horn und Odenthal, deren Geschäft den Grundstein für die Bank abgeben sollte, 1,500,000 Thlr. und zugleich als Vertreter der Rheinlandbank 150,000 Thlr., von der Anderer Bank für Handel und Industrie 150.000. von Paderstein in Berlin 150,000 und von Frege in Hamburg 100,000 Thlr. gezeichnet wurden. Gustav Horn bestätigte, daß die Einzahlungen beim Bankhause Horn und Odenthal vollständig geleistet seien, und die Behörden hatten sich mit dieser Versicherung begnügt. In dem Gründungsakt war noch bestimmt, daß das Hauptinstitut seinen Sitz in Köln haben und doch eine Filiale in Frankfurt a. M. errichtet werden sollte. Sofort nach diesen Präliminarien constituirten sich die Gründer, da sie noch die einzigen Aktio¬ näre waren, als erste ordentliche Generalversammlung und vertheilten sofort unter einander die Rollen, indem sie, um die erforderliche Anzahl zur Be¬ setzung des Verwaltungsrathes zu erhalten, noch einige Vertraute hinzuzogen. Unter den drei gewählten Direktoren war Gustav Horn der Leiter oder richtiger der Rädelsführer. Derselbe erkannte sofort mit richtigem Blick, daß es, um aus Nichts Etwas zu machen, vor allem darauf ankomme, den Aktien, deren Stücke erst noch von der Druckerei zu liefern waren, in den Augen des Publikums Werth zu verleihen. Dazu mußten Bundesgenossen geworben werden, welche die Anpreisung der Aktien und die Heranlockung von Käufern besorgten. Da umsonst der Tod — so erhielt der Eigenthümer eines Börsen¬ blattes, ein Kölner Advokat, in den Büchern der Rheinischen Effectenbank einen Credit von 162,000 Thlr., der später compensirt wurde. Die „Com- pensation" heißt nämlich ein neuer Euphemismus der Agiotage, welcher für zweierlei Handlungen gebraucht wird, für den eben erwähnten Fall einer verschleierten Schenkung und für den, wo eine Anstalt die ihr anvertrauten Depots oder Unterpfänder ohne Auftrag und Vorwissen des Eigenthümers verkauft. Einem zweiten wurden von der Bank die Mittel zum Ankauf eines andern Börsenblattes vorgeschossen, einem dritten Literaten wurde ein Jahresgehalt von 1000 Thlr. ausgesetzt und einem vierten wurden 6000 Thaler für mündliche Dienste compensirt. Die Bemühungen waren erfolgreich; denn die Aktien wurden bald auf 30-/o Agio getrieben, und ihr Verkauf lieferte das nöthige Betriebskapital zur Einleitung der Geschäfte. Unter diesen wurde das eigentliche Bankgeschäft nur zum Schein betrieben. In der Hauptsache wurden nur Börsenspeculationen gemacht, bei denen namentlich die Dortmunder Union eine große Rolle spielte. Da die Krisis ausbrach, lange bevor die Effeetenbank ihr erstes Geschäftsjahr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/245>, abgerufen am 27.09.2024.