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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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einen Preis zahlt, der nur zum Theil ihm zukommt, zu einem großen Theil
aber in die Tasche des vermittelnden Gründers fließt. Denn, wenn der
Gründer sich bewußt wäre, recht zu handeln, so hätte er ja nicht nöthig,
diese Verheimlichung anzuwenden. Letztere geschieht offenbar nur, um die
Aktionäre zu hintergehen. Aus diesem Grunde halten wir das Erkenntniß
des Berliner Obertribunals, welches die Zuschlagung des sogenannten Gründer¬
gewinnes zu dem Kaufpreis des Objektes der Aktienunternehmung als "straf¬
baren Betrug" erklärt, für vollkommen gerechtfertigt. Dieses Erkenntniß
ist in einem recht eclatanten Fall gegen die Gründer der Stolberg'schen-
Glashütten-Aktiengesellschaft erlassen worden. Moritz Kraus hatte 1868/69
eine Glashütte in Stolberg um 34,000 Thaler gekauft und etwas erweitert.
Im September 1872 erwarben fünf Unternehmer zum Zweck der Gründung
einer Aktiengesellschaft die Glashütte zum angeblichen Preis von 130,000
Thalern, obgleich dieselbe nach der Schätzung der Sachverständigen einen weit
geringeren Werth hatte. Jetzt trat einer der Gründer, die rheinisch - west-
phälische Genossenschaftsbank, als formeller Ankäufer der Glashütte auf,
welche die Glashütte um 160,000 Thaler erworben haben wollte. Davon
wurde an einen andern Gründer Kraus, der den Kaufvertrag gar nicht ver¬
mittelt hatte, eine Commisfionsgebühr von 30,000 Thalern abgegeben. Vier
Wochen darauf (am 26. Oktober 1872) wurde die Aktiengesellschaft mit einem
Kapital von 260,000 Thalern von den fünf Gründern constituirt, und das
ganze Aktienkapital von ihnen gezeichnet, einer von ihnen zum Direktor und
die drei Anderen zu Aufstchtsräthen gewählt. Dieser Direktor schritt nun,
von den Aufsichtsräthen ermächtigt, zum Ankauf der Hütte zum Preis von
200,000 Thalern, wobei Kraus wieder formell als Käufer vorgeschoben wurde,
da der gegenwärtige eigentliche Eigenthümer der fünfte Gründer war. Nach¬
dem schon beim ersten Ankauf eine bedeutende, nicht genau zu bestimmende
Summe gewonnen worden war, wurde die Differenz der beiden letzten Kauf¬
geschäfte im Betrage von 70,000 Thalern unter die Gründer vertheilt und
zwar in der Weise, daß sie die gezeichneten Aktien zum Curs von 73°/o über¬
nehmen sollten. Die Gründer ließen nun noch Consortial-Betheiligte hinzu,
denen die Aktien zum Curs von 92<Vg überlassen wurden, unter der gegen¬
seitigen Bedingung, daß sie nicht unter Mri verkauft werden sollten. In
diesem Falle konnten die durch pomphafte Anpreisungen herbeigelockten Käufer
von Aktien nicht wissen, daß der Werth des Objektes der Aktiengesellschaft
in Wirklichkeit vielleicht nur den dritten Theil betrug. Bei solchen öffentlichen
Handlungen, wie die Gründung von Aktiengesellschaften, kann also die Ver¬
heimlichung oder die Verfälschung der Thatsachen nicht straflos ausgehen.

Ein anderer Fall war der der Verwandlung der Wrede'schen Spritfabrik
in eine Aktiengesellschaft, bei welcher die Gründer Abel und Genossen zu sechs


einen Preis zahlt, der nur zum Theil ihm zukommt, zu einem großen Theil
aber in die Tasche des vermittelnden Gründers fließt. Denn, wenn der
Gründer sich bewußt wäre, recht zu handeln, so hätte er ja nicht nöthig,
diese Verheimlichung anzuwenden. Letztere geschieht offenbar nur, um die
Aktionäre zu hintergehen. Aus diesem Grunde halten wir das Erkenntniß
des Berliner Obertribunals, welches die Zuschlagung des sogenannten Gründer¬
gewinnes zu dem Kaufpreis des Objektes der Aktienunternehmung als „straf¬
baren Betrug" erklärt, für vollkommen gerechtfertigt. Dieses Erkenntniß
ist in einem recht eclatanten Fall gegen die Gründer der Stolberg'schen-
Glashütten-Aktiengesellschaft erlassen worden. Moritz Kraus hatte 1868/69
eine Glashütte in Stolberg um 34,000 Thaler gekauft und etwas erweitert.
Im September 1872 erwarben fünf Unternehmer zum Zweck der Gründung
einer Aktiengesellschaft die Glashütte zum angeblichen Preis von 130,000
Thalern, obgleich dieselbe nach der Schätzung der Sachverständigen einen weit
geringeren Werth hatte. Jetzt trat einer der Gründer, die rheinisch - west-
phälische Genossenschaftsbank, als formeller Ankäufer der Glashütte auf,
welche die Glashütte um 160,000 Thaler erworben haben wollte. Davon
wurde an einen andern Gründer Kraus, der den Kaufvertrag gar nicht ver¬
mittelt hatte, eine Commisfionsgebühr von 30,000 Thalern abgegeben. Vier
Wochen darauf (am 26. Oktober 1872) wurde die Aktiengesellschaft mit einem
Kapital von 260,000 Thalern von den fünf Gründern constituirt, und das
ganze Aktienkapital von ihnen gezeichnet, einer von ihnen zum Direktor und
die drei Anderen zu Aufstchtsräthen gewählt. Dieser Direktor schritt nun,
von den Aufsichtsräthen ermächtigt, zum Ankauf der Hütte zum Preis von
200,000 Thalern, wobei Kraus wieder formell als Käufer vorgeschoben wurde,
da der gegenwärtige eigentliche Eigenthümer der fünfte Gründer war. Nach¬
dem schon beim ersten Ankauf eine bedeutende, nicht genau zu bestimmende
Summe gewonnen worden war, wurde die Differenz der beiden letzten Kauf¬
geschäfte im Betrage von 70,000 Thalern unter die Gründer vertheilt und
zwar in der Weise, daß sie die gezeichneten Aktien zum Curs von 73°/o über¬
nehmen sollten. Die Gründer ließen nun noch Consortial-Betheiligte hinzu,
denen die Aktien zum Curs von 92<Vg überlassen wurden, unter der gegen¬
seitigen Bedingung, daß sie nicht unter Mri verkauft werden sollten. In
diesem Falle konnten die durch pomphafte Anpreisungen herbeigelockten Käufer
von Aktien nicht wissen, daß der Werth des Objektes der Aktiengesellschaft
in Wirklichkeit vielleicht nur den dritten Theil betrug. Bei solchen öffentlichen
Handlungen, wie die Gründung von Aktiengesellschaften, kann also die Ver¬
heimlichung oder die Verfälschung der Thatsachen nicht straflos ausgehen.

Ein anderer Fall war der der Verwandlung der Wrede'schen Spritfabrik
in eine Aktiengesellschaft, bei welcher die Gründer Abel und Genossen zu sechs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/243>, abgerufen am 27.09.2024.