Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.fordert hat, durch die Staatsanwälte gegen die Uebertreter des Gesetzes ein¬ Mag man die Krisis auch im obigen Sinne als eine acute Krankheit Wir werden zu diesen Betrachtungen veranlaßt durch den Protest eines Grenzboten III. 1876. 30
fordert hat, durch die Staatsanwälte gegen die Uebertreter des Gesetzes ein¬ Mag man die Krisis auch im obigen Sinne als eine acute Krankheit Wir werden zu diesen Betrachtungen veranlaßt durch den Protest eines Grenzboten III. 1876. 30
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136352"/> <p xml:id="ID_594" prev="#ID_593"> fordert hat, durch die Staatsanwälte gegen die Uebertreter des Gesetzes ein¬<lb/> schreiten zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_595"> Mag man die Krisis auch im obigen Sinne als eine acute Krankheit<lb/> betrachten, bei deren Ausschreitungen die Obrigkeit ein Auge zudrücken mag.<lb/> so lange es sich nur um die Befriedigung der Gewinnsucht durch ehrliche<lb/> Mittel handelt, wenn auch dabei Viele ihr Hab und Gut leichtsinnig ver¬<lb/> spielen, so hört doch diese Nachsicht auf, sobald nicht blos Uebertretungen der<lb/> Bestimmungen des Aktiengesetzes, sondern sogar des Strafgesetzes vorkommen.<lb/> Sobald die Speculation Mittel gebraucht, welche unter die vom Gesetz fest,<lb/> gestellten Kategorien des Betrugs fallen, hört die Nachsicht, welche man<lb/> etwa mit ihr zu üben geneigt wäre, um den für die Entwickelung eines<lb/> Landes so wichtigen Unternehmungsgeist nicht zu lahmen, vollständig auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_596" next="#ID_597"> Wir werden zu diesen Betrachtungen veranlaßt durch den Protest eines<lb/> Börsenorgans, welches mit einer wahrhaft eisernen Stirne die stattgehabten<lb/> Gesetzesübertretungen mit dem allgemeinen Geist der Zeit zu entschuldigen<lb/> und zu beschönigen versucht. Der Versasser entblödet sich nicht, wörtlich zu<lb/> erklären: „es liege ein großes Unrecht darin, mit einer durch die Zeitver-<lb/> hältnisse völlig veränderten Rechtsanschauung jetzt an die Schöpfungen der<lb/> Gründungsperiode heranzutreten und auf Grund davon Urtheile zu fällen,<lb/> welche dem, was zu einer gewissen Zeit allgemeine Ueberzeugung gewesen ist,<lb/> absolut keine Rechnung tragen. Die Regierung und die Landesvertretung<lb/> hätten die damalige Ueberzeugung als eine rechtlich begründete schaffen helfen;<lb/> denn die durch dieselben beschlossene „unheilvolle" Novelle zum Handels¬<lb/> gesetzbuch habe wesentlich zu der damaligen Auffassung der ganzen Verhält¬<lb/> nisse beigetragen. Unheilvoll sei die Novelle gewesen durch ihre Aufstellung<lb/> von Normativ-Bedingungen, welche die Zusammenbrtngung des Capitals zu<lb/> einer Aktiengesellschaft für Jedermann, selbst für Juristen, nur von Beob¬<lb/> achtung eben jener Bestimmungen abhängig erscheinen ließ." „Wir können",<lb/> sagt der Verfasser ferner, „die Staatsgewalt nicht hindern, nach ihrem Dafür¬<lb/> halten mit Verfolgung von Unternehmungen, die auf Grund jener Novelle<lb/> entstanden, fortzufahren, aber wir können nicht verschweigen, daß, wenn die<lb/> Staatsanwaltschaft, beziehungsweise die Polizei, durch Feststellungen auf<lb/> frischer That bei gewissen offenkundig unlauteren Gründungen vor vier<lb/> Jahren vorgegangen wäre, sie die anständigsten Leute vor Schaden an Ehre<lb/> und Vermögen gewahrt hätte und zwar lediglich dadurch, daß damit das<lb/> moralisch und strafrechtlich Bedenkliche in derartigen Geschäften klargelegt und<lb/> Jeder auf die Gefahr der Sache aufmerksam gemacht worden wäre." Endlich<lb/> sagt der Verfasser: „der Staat hat ja selbstverständlich die Macht, auch jetzt<lb/> jedes vom Staatsanwalt provocirte Urtheil vollstrecken zu lassen; ob ihm aber<lb/> damit gedienjt sein kann, die besten Steuerzahler und in ihren socialen Kreisen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1876. 30</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
fordert hat, durch die Staatsanwälte gegen die Uebertreter des Gesetzes ein¬
schreiten zu lassen.
Mag man die Krisis auch im obigen Sinne als eine acute Krankheit
betrachten, bei deren Ausschreitungen die Obrigkeit ein Auge zudrücken mag.
so lange es sich nur um die Befriedigung der Gewinnsucht durch ehrliche
Mittel handelt, wenn auch dabei Viele ihr Hab und Gut leichtsinnig ver¬
spielen, so hört doch diese Nachsicht auf, sobald nicht blos Uebertretungen der
Bestimmungen des Aktiengesetzes, sondern sogar des Strafgesetzes vorkommen.
Sobald die Speculation Mittel gebraucht, welche unter die vom Gesetz fest,
gestellten Kategorien des Betrugs fallen, hört die Nachsicht, welche man
etwa mit ihr zu üben geneigt wäre, um den für die Entwickelung eines
Landes so wichtigen Unternehmungsgeist nicht zu lahmen, vollständig auf.
Wir werden zu diesen Betrachtungen veranlaßt durch den Protest eines
Börsenorgans, welches mit einer wahrhaft eisernen Stirne die stattgehabten
Gesetzesübertretungen mit dem allgemeinen Geist der Zeit zu entschuldigen
und zu beschönigen versucht. Der Versasser entblödet sich nicht, wörtlich zu
erklären: „es liege ein großes Unrecht darin, mit einer durch die Zeitver-
hältnisse völlig veränderten Rechtsanschauung jetzt an die Schöpfungen der
Gründungsperiode heranzutreten und auf Grund davon Urtheile zu fällen,
welche dem, was zu einer gewissen Zeit allgemeine Ueberzeugung gewesen ist,
absolut keine Rechnung tragen. Die Regierung und die Landesvertretung
hätten die damalige Ueberzeugung als eine rechtlich begründete schaffen helfen;
denn die durch dieselben beschlossene „unheilvolle" Novelle zum Handels¬
gesetzbuch habe wesentlich zu der damaligen Auffassung der ganzen Verhält¬
nisse beigetragen. Unheilvoll sei die Novelle gewesen durch ihre Aufstellung
von Normativ-Bedingungen, welche die Zusammenbrtngung des Capitals zu
einer Aktiengesellschaft für Jedermann, selbst für Juristen, nur von Beob¬
achtung eben jener Bestimmungen abhängig erscheinen ließ." „Wir können",
sagt der Verfasser ferner, „die Staatsgewalt nicht hindern, nach ihrem Dafür¬
halten mit Verfolgung von Unternehmungen, die auf Grund jener Novelle
entstanden, fortzufahren, aber wir können nicht verschweigen, daß, wenn die
Staatsanwaltschaft, beziehungsweise die Polizei, durch Feststellungen auf
frischer That bei gewissen offenkundig unlauteren Gründungen vor vier
Jahren vorgegangen wäre, sie die anständigsten Leute vor Schaden an Ehre
und Vermögen gewahrt hätte und zwar lediglich dadurch, daß damit das
moralisch und strafrechtlich Bedenkliche in derartigen Geschäften klargelegt und
Jeder auf die Gefahr der Sache aufmerksam gemacht worden wäre." Endlich
sagt der Verfasser: „der Staat hat ja selbstverständlich die Macht, auch jetzt
jedes vom Staatsanwalt provocirte Urtheil vollstrecken zu lassen; ob ihm aber
damit gedienjt sein kann, die besten Steuerzahler und in ihren socialen Kreisen
Grenzboten III. 1876. 30
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |