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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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land. Diese Erklärungen lösten nicht nur die Colonien von Großbritannien
ab, sondern rissen auch gleichzeitig die Schranken der Nationalität unter ihnen
selbst ein, jetzt konnte man in der That sagen, es seien keine Virginier und
New-Uorker mehr, sondern Amerikaner, die gewillt seien, auch einer Welt in
Waffen zu trotzen, gekleidet in das schimmernde Gewand der Freiheit, welches
das Auge des Feindes blenden sollte. Am 1. Juli wurde der Beschluß
der Unabhängigkeitserklärung in Berathung genommen, John Adams
rief des Himmels reichsten Segen auf die neugeborene Republik hernieder,
die doch erst werden sollte; alle Deputirten der dreizehn Colonien hatten unbe¬
schränkte Vollmachten zu freiem Handeln empfangen. Gänzlich unvorbereitet,
griff John Adams aus der überreichen Schatzkammer seines Herzens Tausende
von Gründen heraus, welche die Losreißung nothwendig erscheinen ließen,
Dickinson sprach dagegen für Aufschub dieses unheilvollen Aktes, bis ganz
Amerika geeinigt und festgeordnet den Kampf aufnehmen und entscheiden
könne. Neun Colonien unterstützten den Antrag auf Unabhängigkeit, Süd-
carolina, Pennsylvanien und zum Theil Delaware waren entgegen. Tags
darauf aber beschlossen zwölf Colonien -- New-York konnte sich noch nicht
entscheiden --, daß die vereinigten Colonien von Rechts wegen freie und un¬
abhängige Staaten und aller Unterthanenpflicht gegen die britische Krone
entbunden seien, und daß aller politische Zusammenhang zwischen ihnen und
dem Staate Großbritannien aufgehoben werden müsse. John Adams glaubte,
der zweite Juli werde einst der höchst gehaltene Feiertag des amerikanischen
Volkes sein, diese Ehre aber blieb dem 4. Juli vorbehalten. Thomas Jeffer-
son aus Virginien, bekannt als einer der feinsten Köpfe und der besten
Schriftsteller, war beauftragt worden, den Entwurf der Unabhängigkeitser¬
klärung abzufassen, das Glaubensbekenntniß des neuen Weltbürgers der Welt
darzulegen, und John Adams wie Franklin, denen er sein Werk unterbreitete,
fanden, nur einige wenige Stellen müßten geändert werden. Jefferson erhob
eine vernichtende Anklage gegen seinen bisherigen Gebieter, König Georg,
der "einen grausamen Krieg gegen die menschliche Natur selbst geführt" habe.
Ihr schloß sich eine Erklärung der Menschenrechte an, in wahrhaft meister¬
hafter Weise sich mit den Gründen zur Losreißung verschmelzend. Die Ur¬
kunde schloß mit den berühmten Worten:

"Wir Repräsentanten der vereinigten Staaten Amerikas, im Generalcon-
gresse versammelt, erklären daher, indem wir den höchsten Richter der Welt
zum Zeugen der Reinheit unserer Absichten anrufen, im Namen und autori-
sire durch das gute Volk dieser Colonien feierlich und öffentlich:

Daß diese vereinigten Colonien freie und unabhängige Staaten sind und
von Rechts wegen sein müssen; daß sie aller Unterthanenpflicht gegen die
britische Krone entbunden sind und aller politische Zusammenhang^zwischen


land. Diese Erklärungen lösten nicht nur die Colonien von Großbritannien
ab, sondern rissen auch gleichzeitig die Schranken der Nationalität unter ihnen
selbst ein, jetzt konnte man in der That sagen, es seien keine Virginier und
New-Uorker mehr, sondern Amerikaner, die gewillt seien, auch einer Welt in
Waffen zu trotzen, gekleidet in das schimmernde Gewand der Freiheit, welches
das Auge des Feindes blenden sollte. Am 1. Juli wurde der Beschluß
der Unabhängigkeitserklärung in Berathung genommen, John Adams
rief des Himmels reichsten Segen auf die neugeborene Republik hernieder,
die doch erst werden sollte; alle Deputirten der dreizehn Colonien hatten unbe¬
schränkte Vollmachten zu freiem Handeln empfangen. Gänzlich unvorbereitet,
griff John Adams aus der überreichen Schatzkammer seines Herzens Tausende
von Gründen heraus, welche die Losreißung nothwendig erscheinen ließen,
Dickinson sprach dagegen für Aufschub dieses unheilvollen Aktes, bis ganz
Amerika geeinigt und festgeordnet den Kampf aufnehmen und entscheiden
könne. Neun Colonien unterstützten den Antrag auf Unabhängigkeit, Süd-
carolina, Pennsylvanien und zum Theil Delaware waren entgegen. Tags
darauf aber beschlossen zwölf Colonien — New-York konnte sich noch nicht
entscheiden —, daß die vereinigten Colonien von Rechts wegen freie und un¬
abhängige Staaten und aller Unterthanenpflicht gegen die britische Krone
entbunden seien, und daß aller politische Zusammenhang zwischen ihnen und
dem Staate Großbritannien aufgehoben werden müsse. John Adams glaubte,
der zweite Juli werde einst der höchst gehaltene Feiertag des amerikanischen
Volkes sein, diese Ehre aber blieb dem 4. Juli vorbehalten. Thomas Jeffer-
son aus Virginien, bekannt als einer der feinsten Köpfe und der besten
Schriftsteller, war beauftragt worden, den Entwurf der Unabhängigkeitser¬
klärung abzufassen, das Glaubensbekenntniß des neuen Weltbürgers der Welt
darzulegen, und John Adams wie Franklin, denen er sein Werk unterbreitete,
fanden, nur einige wenige Stellen müßten geändert werden. Jefferson erhob
eine vernichtende Anklage gegen seinen bisherigen Gebieter, König Georg,
der „einen grausamen Krieg gegen die menschliche Natur selbst geführt" habe.
Ihr schloß sich eine Erklärung der Menschenrechte an, in wahrhaft meister¬
hafter Weise sich mit den Gründen zur Losreißung verschmelzend. Die Ur¬
kunde schloß mit den berühmten Worten:

„Wir Repräsentanten der vereinigten Staaten Amerikas, im Generalcon-
gresse versammelt, erklären daher, indem wir den höchsten Richter der Welt
zum Zeugen der Reinheit unserer Absichten anrufen, im Namen und autori-
sire durch das gute Volk dieser Colonien feierlich und öffentlich:

Daß diese vereinigten Colonien freie und unabhängige Staaten sind und
von Rechts wegen sein müssen; daß sie aller Unterthanenpflicht gegen die
britische Krone entbunden sind und aller politische Zusammenhang^zwischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/238>, abgerufen am 27.09.2024.