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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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sette noch überhöht, einen vollen Lichtstrom in das Innere fallen lassen,
tritt man in ein dreischiffiges Langhaus. Schlanke Pfeiler aus grauem
Kalkstein tragen ein kühnes Gewölbe und lassen den Blick durch das Mittel¬
schiff frei nach dem Hochaltar, unter dem die Gebeine des Stifters, des Erz-
bischofs Gebhard, ruhen, und den die Statue des si. Blasius, dem das
Münster gewidmet ist, überragt. Auf jeder Seite schließen sich Capellen an
die Seitenschiffe, deren Altäre die Reliquien des Meentius und Blasius tragen.
Unter dem künstlerischen Schmucke am bedeutendsten ist sicher das Bild
Altomonte's, Mariä Himmelfahrt darstellend, das durch ein halbes Wunder
im Brande des Klosters erhalten blieb. Ist so die Kirche arm an historisch
interessanten Dingen und selbst ein modernes Bauwerk, so contrastirt sie
doch mit den so oft geschmacklos verzopften und eintöniger Pracht überladenen
Gotteshäusern, wie sie überwiegend in Oesterreich und Süddeutschland auf¬
treten, in wohlthuendster Weise.

Das Stiftsgebäude selbst erregt nur geringes Interresse. Was wieder
hergestellt ist -- und die inneren, verbindenden "Tracte" fehlen noch sämmt¬
lich -- zeigt einen nüchternen, schmucklosen Character. Breite flach gelegte
Treppen, lange weiß getünchte Corridore, die nur hier und da ein dem Brande
entrissenes Gemälde oder ein Crucifix schmückt, endlose Thürreihen, welche die
Klostermauer der Mönche tragen, zu deren Zellen sie führen. Wie ausge¬
storben liegen oft die weiten Räume, und fällt der Blick durchs Fenster
eines der Corridore, so trifft er auf den weiten, inneren Hof, den kein Rasen¬
platz ziert und kein Springbrunnen belebt; nur die ausgebrannten Ruinen
der zerstörten Mitteltracte und zu Hügeln gehäufter Brandschutt ragen düster
empor. In solchen Gründen könnte man den weiten Bau für verlassen
halten, hallte nicht hier und da ein Fußtritt auf den Fliesen oder zeigte sich
nicht das schwarze Ordensgewand eines Benedictiners. Weit ab scheinen da
die Tage allen Glanzes zu liegen; wie trauernd über grause Zerstörung liegt
das Ganze einsam und verödet.

Nur ein Raum zeigt noch die verschwundene Pracht: es ist die Biblio¬
thek im zweiten Stocke des Ostflügels. Ein herrlicher Saal nimmt den Ein¬
tretenden auf, sicher eines der schönsten, character vollsten Werke des Roccoco.
Er gliedert sich in drei Abtheilungen: in der Mitte eine flache Kuppel, er¬
öffnet durch triumphbogenartig geschlossene Eingänge, die von zwei Säulen¬
paaren korinthischer Ordnung aus rothem Marmor mit vergoldetem Capital
gebildet werden, getragen durch vier Marmorsäulen derselben Art. An diese
Kuppel schließen sich zwei längere Theile, die wieder aus je drei durch flache
Bögen getrennten und von flachen Kuppeln überspannten Abtheilungen bestehen.
Hohe Bogenfenster gestatten den Blick nach den Höfen oder nach dem großen,
parkähnlichen Klostergarten, darüber hinaus auf die Bergriesen der Ostseite,


sette noch überhöht, einen vollen Lichtstrom in das Innere fallen lassen,
tritt man in ein dreischiffiges Langhaus. Schlanke Pfeiler aus grauem
Kalkstein tragen ein kühnes Gewölbe und lassen den Blick durch das Mittel¬
schiff frei nach dem Hochaltar, unter dem die Gebeine des Stifters, des Erz-
bischofs Gebhard, ruhen, und den die Statue des si. Blasius, dem das
Münster gewidmet ist, überragt. Auf jeder Seite schließen sich Capellen an
die Seitenschiffe, deren Altäre die Reliquien des Meentius und Blasius tragen.
Unter dem künstlerischen Schmucke am bedeutendsten ist sicher das Bild
Altomonte's, Mariä Himmelfahrt darstellend, das durch ein halbes Wunder
im Brande des Klosters erhalten blieb. Ist so die Kirche arm an historisch
interessanten Dingen und selbst ein modernes Bauwerk, so contrastirt sie
doch mit den so oft geschmacklos verzopften und eintöniger Pracht überladenen
Gotteshäusern, wie sie überwiegend in Oesterreich und Süddeutschland auf¬
treten, in wohlthuendster Weise.

Das Stiftsgebäude selbst erregt nur geringes Interresse. Was wieder
hergestellt ist — und die inneren, verbindenden „Tracte" fehlen noch sämmt¬
lich — zeigt einen nüchternen, schmucklosen Character. Breite flach gelegte
Treppen, lange weiß getünchte Corridore, die nur hier und da ein dem Brande
entrissenes Gemälde oder ein Crucifix schmückt, endlose Thürreihen, welche die
Klostermauer der Mönche tragen, zu deren Zellen sie führen. Wie ausge¬
storben liegen oft die weiten Räume, und fällt der Blick durchs Fenster
eines der Corridore, so trifft er auf den weiten, inneren Hof, den kein Rasen¬
platz ziert und kein Springbrunnen belebt; nur die ausgebrannten Ruinen
der zerstörten Mitteltracte und zu Hügeln gehäufter Brandschutt ragen düster
empor. In solchen Gründen könnte man den weiten Bau für verlassen
halten, hallte nicht hier und da ein Fußtritt auf den Fliesen oder zeigte sich
nicht das schwarze Ordensgewand eines Benedictiners. Weit ab scheinen da
die Tage allen Glanzes zu liegen; wie trauernd über grause Zerstörung liegt
das Ganze einsam und verödet.

Nur ein Raum zeigt noch die verschwundene Pracht: es ist die Biblio¬
thek im zweiten Stocke des Ostflügels. Ein herrlicher Saal nimmt den Ein¬
tretenden auf, sicher eines der schönsten, character vollsten Werke des Roccoco.
Er gliedert sich in drei Abtheilungen: in der Mitte eine flache Kuppel, er¬
öffnet durch triumphbogenartig geschlossene Eingänge, die von zwei Säulen¬
paaren korinthischer Ordnung aus rothem Marmor mit vergoldetem Capital
gebildet werden, getragen durch vier Marmorsäulen derselben Art. An diese
Kuppel schließen sich zwei längere Theile, die wieder aus je drei durch flache
Bögen getrennten und von flachen Kuppeln überspannten Abtheilungen bestehen.
Hohe Bogenfenster gestatten den Blick nach den Höfen oder nach dem großen,
parkähnlichen Klostergarten, darüber hinaus auf die Bergriesen der Ostseite,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/226>, abgerufen am 27.09.2024.