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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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jagten die zuchtlosen Mönche; der nächste Abt Albert I. verzichtete freiwillig.
Das Stift schien der Auflösung nahe.

Da war es ein noch junger Mann, der Abt Heinrich (1273--1297),
der sich den Namen eines zweiten Gründers von Admont verdiente. Erfühlte die
verschwundene Zucht zurück, ordnete dieFinanzen, erbaute eine neue Klosterkirche.
Aber trotz aller Fürsorge für das Ordenshaus war er mehr Staatsmann und Krie¬
ger, denn Abt, der erste jener Prälaten von Admont, die den Schwerpunkt ihrer
Thätigkeit außerhalb des Klosters in den Angelegenheiten ihrer Landschaft suchten.
Von Herzog Albrecht, dem späteren König (1298--1308), zum Landeshauptmann
der Steiermark ernannt, leitete er zwei Jahre lang die Fehde gegen den nächsten
ungarischen Grenznachbar, den Grafen Iwan von Gnus, verwickelte aber auch
das Kloster in die Kämpfe seines Herrn mit Baiern und Salzburg und sah
Admont von feindlichen Schaaren verheert. Umsonst hatte er es dagegen durch
die Erbauung der Feste Gallenstein auf der Straße nach der untern Enns
(1278) zu schützen gesucht; jetzt wurde sie seine und seiner Mönche Zuflucht.
Wie sein Leben außergewöhnlich war, so auch sein Tod; er fiel der Privat¬
rache des von ihm entsetzten Gallensteiner Burgvogts Düring Grizzer zum
Opfer (1297). Der leidenschaftliche Haß, mit dem Albrecht's erbitterter Gegner,
Ottokar von Herneck, in seiner Reimchront? den gewaltigen Abt verfolgt, be¬
zeugt am besten die Bedeutung des Mannes.

Zum Glück für das Stift war es aber doch, daß er in seiner Art zu¬
nächst keinen Nachfolger fand. Fast zwei Jahrhunderte verflossen, im Zu¬
sammenhange mit den durch die Habsburger gesicherten Zuständen des Landes,
dem Stifte in ruhigem Gedeihen, ohne daß es freilich zu der früheren Be¬
deutung sich hätte emporarbeiten können. Erst das Ende des 15. Jahrhun¬
derts und die erste Hälfte des 16. sollten schwere Verwirrung bringen und
zum zweiten Male die Existenz des "Gotteshauses" in Frage stellen.

Zunächst zerrüttete der von K. Friedrich III, dem Kloster aufgedrungene
Abt, ein italienischer Weltpriester, Antonius Gratia Dei, das Stiftsvermögen
durch schamlose Plünderung derartig, daß auch der nach seiner Entsetzung
und Gefangennahme (1492) erhobene Abt Leonhard von Steinach es nicht
wieder herzustellen vermochte, zumal Pest und Türkenkrieg das Stift und
seine oststeirischen Güter verheerten. Unter dem wegen langen Wahlstreits
provisorisch ernannten Abte Christian Räuber, Bischof von Laibach und
Seckau, brach vollständige Zerrüttung ein. Räuber selbst lebte in Wien
von den Stiftsgütern und verschleuderte viele willkürlich; dazu kamen die
stürmischen Bewegungen einer neuen Zeit. Auch in Steiermark brannte der
Bauernkrieg auf, wie weithin in den Ostalpen; 162S erhoben sich die Bauern
des oberen Ennsthales und plünderten das Stift. Und gerade jetzt wuchsen
fast jährlich die Ansprüche der Regierung an seine Leistungsfähigkeit, die


jagten die zuchtlosen Mönche; der nächste Abt Albert I. verzichtete freiwillig.
Das Stift schien der Auflösung nahe.

Da war es ein noch junger Mann, der Abt Heinrich (1273—1297),
der sich den Namen eines zweiten Gründers von Admont verdiente. Erfühlte die
verschwundene Zucht zurück, ordnete dieFinanzen, erbaute eine neue Klosterkirche.
Aber trotz aller Fürsorge für das Ordenshaus war er mehr Staatsmann und Krie¬
ger, denn Abt, der erste jener Prälaten von Admont, die den Schwerpunkt ihrer
Thätigkeit außerhalb des Klosters in den Angelegenheiten ihrer Landschaft suchten.
Von Herzog Albrecht, dem späteren König (1298—1308), zum Landeshauptmann
der Steiermark ernannt, leitete er zwei Jahre lang die Fehde gegen den nächsten
ungarischen Grenznachbar, den Grafen Iwan von Gnus, verwickelte aber auch
das Kloster in die Kämpfe seines Herrn mit Baiern und Salzburg und sah
Admont von feindlichen Schaaren verheert. Umsonst hatte er es dagegen durch
die Erbauung der Feste Gallenstein auf der Straße nach der untern Enns
(1278) zu schützen gesucht; jetzt wurde sie seine und seiner Mönche Zuflucht.
Wie sein Leben außergewöhnlich war, so auch sein Tod; er fiel der Privat¬
rache des von ihm entsetzten Gallensteiner Burgvogts Düring Grizzer zum
Opfer (1297). Der leidenschaftliche Haß, mit dem Albrecht's erbitterter Gegner,
Ottokar von Herneck, in seiner Reimchront? den gewaltigen Abt verfolgt, be¬
zeugt am besten die Bedeutung des Mannes.

Zum Glück für das Stift war es aber doch, daß er in seiner Art zu¬
nächst keinen Nachfolger fand. Fast zwei Jahrhunderte verflossen, im Zu¬
sammenhange mit den durch die Habsburger gesicherten Zuständen des Landes,
dem Stifte in ruhigem Gedeihen, ohne daß es freilich zu der früheren Be¬
deutung sich hätte emporarbeiten können. Erst das Ende des 15. Jahrhun¬
derts und die erste Hälfte des 16. sollten schwere Verwirrung bringen und
zum zweiten Male die Existenz des „Gotteshauses" in Frage stellen.

Zunächst zerrüttete der von K. Friedrich III, dem Kloster aufgedrungene
Abt, ein italienischer Weltpriester, Antonius Gratia Dei, das Stiftsvermögen
durch schamlose Plünderung derartig, daß auch der nach seiner Entsetzung
und Gefangennahme (1492) erhobene Abt Leonhard von Steinach es nicht
wieder herzustellen vermochte, zumal Pest und Türkenkrieg das Stift und
seine oststeirischen Güter verheerten. Unter dem wegen langen Wahlstreits
provisorisch ernannten Abte Christian Räuber, Bischof von Laibach und
Seckau, brach vollständige Zerrüttung ein. Räuber selbst lebte in Wien
von den Stiftsgütern und verschleuderte viele willkürlich; dazu kamen die
stürmischen Bewegungen einer neuen Zeit. Auch in Steiermark brannte der
Bauernkrieg auf, wie weithin in den Ostalpen; 162S erhoben sich die Bauern
des oberen Ennsthales und plünderten das Stift. Und gerade jetzt wuchsen
fast jährlich die Ansprüche der Regierung an seine Leistungsfähigkeit, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/222>, abgerufen am 27.09.2024.