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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Der erste Einwand ist eigentlich schon oben widerlegt. Die Producen¬
ten werden bei der Wiederherstellung der Zahlungen in Metallgeld allerdings
zuerst eine kleine Einbuße erleiden, weil die Preise ihrer Producte sich sofort
um den Betrag des Metallagios ermäßigen müssen, während die Löhne nicht
so rasch dem veränderten Stand des Werthes der Circulationsmittel sich an¬
bequemen; -- allein sie könnten sich nicht beklagen, da sie ursprünglich bei
Eintritt des Zwangscurses eine Zeit lang einen unberechtigten Vortheil
genossen hatten. Andererseits werden sie dafür den Vortheil genießen, daß
die Löhne und die Detailpreise ebenfalls eine Ermäßigung erfahren, und sich
mit den Engrospreisen ins Gleichgewicht gesetzt haben werden. Was aber
die Hauptsache ist: die Producenten werden von den fortwährenden Verlusten
befreit sein, welche die Schwankungen des Metallagios mit sich bringen; sie
werden der Versicherungsprämie gegen dieselben nicht mehr bedürfen und ihre
eigenen Preise in der Art bemessen können, daß ihnen die Concurrenz mit dem
Auslande erleichtert wird. Die befürchtete Gefahr, daß der Diskontosatz er¬
höht werden würde, ist allerdings nicht abzuleugnen, allein dieselbe besteht
nur deshalb, weil der gegenwärtige niedrige Stand des Zinssatzes der Na¬
tionalbank ein künstlicher ist, was sich, wie oben nachgewiesen, an der Stei¬
gerung des Metallagios kund gibt. Oesterreich ist, trotz seines Bodenreich¬
thums, noch ein verhältnißmäßig eapitalarmes Land, welches zur Vervollstän¬
digung seines Verkehrs der Ersparnisse des Auslandes noch nicht entbehren
kann. Würde es den Zinsfuß der großen Creditinstitute auf die Dauer in
seinem gegenwärtigen Stande, d. h. niedriger als in Deutschland zu halten
suchen, so würde es einfach das deutsche Capital von seinen Grenzen zurück¬
scheuchen. Dadurch würde aber gerade den Producenten selbst der größte
Nachtheil zugefügt. Diese Einwürfe sind daher nicht stichhaltig. Auch die
oben erwähnte Gefahr beim Eintritt eines Krieges, erweist sich, bei näherem
Licht besehen, als illusorisch. Dieser Grund ist vielmehr ein Argument für
die schleunige Rückkehr zum Metallgeld; denn nur in diesem Fall ist der
Staat, wenn die äußerste Noth an ihn herantritt, noch im Stande, das
letzte Mittel der Notenpresse anzuwenden. Ist der Geldumlauf dagegen
schon entwerthet, dann führt jede weitere massenhafte Emission allmälig zum
Schicksale der französischen Assignaten und der dem betreffenden Staate daraus
erwachsende momentane Vortheil ist nur klein und wird durch vielfach'größere
andauernde Opfer bezahlt. Von einiger Erheblichkeit ist nur der Einwurf,
welcher einer sofortigen Operation für die Wiedereinführung der Metallgeld¬
zahlung in Oesterreich entgegensteht, daß in der gegenwärtigen Lage der
Staatsfinanzen, wo Oesterreich in seinem Budget für 1876 ein Deficit von
25 Millionen Gulden und Ungarn ein solches von 18 Millionen ausweist,
von welchen beiden nur 30 Millionen durch Creditoperationen gedeckt werden


Der erste Einwand ist eigentlich schon oben widerlegt. Die Producen¬
ten werden bei der Wiederherstellung der Zahlungen in Metallgeld allerdings
zuerst eine kleine Einbuße erleiden, weil die Preise ihrer Producte sich sofort
um den Betrag des Metallagios ermäßigen müssen, während die Löhne nicht
so rasch dem veränderten Stand des Werthes der Circulationsmittel sich an¬
bequemen; — allein sie könnten sich nicht beklagen, da sie ursprünglich bei
Eintritt des Zwangscurses eine Zeit lang einen unberechtigten Vortheil
genossen hatten. Andererseits werden sie dafür den Vortheil genießen, daß
die Löhne und die Detailpreise ebenfalls eine Ermäßigung erfahren, und sich
mit den Engrospreisen ins Gleichgewicht gesetzt haben werden. Was aber
die Hauptsache ist: die Producenten werden von den fortwährenden Verlusten
befreit sein, welche die Schwankungen des Metallagios mit sich bringen; sie
werden der Versicherungsprämie gegen dieselben nicht mehr bedürfen und ihre
eigenen Preise in der Art bemessen können, daß ihnen die Concurrenz mit dem
Auslande erleichtert wird. Die befürchtete Gefahr, daß der Diskontosatz er¬
höht werden würde, ist allerdings nicht abzuleugnen, allein dieselbe besteht
nur deshalb, weil der gegenwärtige niedrige Stand des Zinssatzes der Na¬
tionalbank ein künstlicher ist, was sich, wie oben nachgewiesen, an der Stei¬
gerung des Metallagios kund gibt. Oesterreich ist, trotz seines Bodenreich¬
thums, noch ein verhältnißmäßig eapitalarmes Land, welches zur Vervollstän¬
digung seines Verkehrs der Ersparnisse des Auslandes noch nicht entbehren
kann. Würde es den Zinsfuß der großen Creditinstitute auf die Dauer in
seinem gegenwärtigen Stande, d. h. niedriger als in Deutschland zu halten
suchen, so würde es einfach das deutsche Capital von seinen Grenzen zurück¬
scheuchen. Dadurch würde aber gerade den Producenten selbst der größte
Nachtheil zugefügt. Diese Einwürfe sind daher nicht stichhaltig. Auch die
oben erwähnte Gefahr beim Eintritt eines Krieges, erweist sich, bei näherem
Licht besehen, als illusorisch. Dieser Grund ist vielmehr ein Argument für
die schleunige Rückkehr zum Metallgeld; denn nur in diesem Fall ist der
Staat, wenn die äußerste Noth an ihn herantritt, noch im Stande, das
letzte Mittel der Notenpresse anzuwenden. Ist der Geldumlauf dagegen
schon entwerthet, dann führt jede weitere massenhafte Emission allmälig zum
Schicksale der französischen Assignaten und der dem betreffenden Staate daraus
erwachsende momentane Vortheil ist nur klein und wird durch vielfach'größere
andauernde Opfer bezahlt. Von einiger Erheblichkeit ist nur der Einwurf,
welcher einer sofortigen Operation für die Wiedereinführung der Metallgeld¬
zahlung in Oesterreich entgegensteht, daß in der gegenwärtigen Lage der
Staatsfinanzen, wo Oesterreich in seinem Budget für 1876 ein Deficit von
25 Millionen Gulden und Ungarn ein solches von 18 Millionen ausweist,
von welchen beiden nur 30 Millionen durch Creditoperationen gedeckt werden


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[0021] Der erste Einwand ist eigentlich schon oben widerlegt. Die Producen¬ ten werden bei der Wiederherstellung der Zahlungen in Metallgeld allerdings zuerst eine kleine Einbuße erleiden, weil die Preise ihrer Producte sich sofort um den Betrag des Metallagios ermäßigen müssen, während die Löhne nicht so rasch dem veränderten Stand des Werthes der Circulationsmittel sich an¬ bequemen; — allein sie könnten sich nicht beklagen, da sie ursprünglich bei Eintritt des Zwangscurses eine Zeit lang einen unberechtigten Vortheil genossen hatten. Andererseits werden sie dafür den Vortheil genießen, daß die Löhne und die Detailpreise ebenfalls eine Ermäßigung erfahren, und sich mit den Engrospreisen ins Gleichgewicht gesetzt haben werden. Was aber die Hauptsache ist: die Producenten werden von den fortwährenden Verlusten befreit sein, welche die Schwankungen des Metallagios mit sich bringen; sie werden der Versicherungsprämie gegen dieselben nicht mehr bedürfen und ihre eigenen Preise in der Art bemessen können, daß ihnen die Concurrenz mit dem Auslande erleichtert wird. Die befürchtete Gefahr, daß der Diskontosatz er¬ höht werden würde, ist allerdings nicht abzuleugnen, allein dieselbe besteht nur deshalb, weil der gegenwärtige niedrige Stand des Zinssatzes der Na¬ tionalbank ein künstlicher ist, was sich, wie oben nachgewiesen, an der Stei¬ gerung des Metallagios kund gibt. Oesterreich ist, trotz seines Bodenreich¬ thums, noch ein verhältnißmäßig eapitalarmes Land, welches zur Vervollstän¬ digung seines Verkehrs der Ersparnisse des Auslandes noch nicht entbehren kann. Würde es den Zinsfuß der großen Creditinstitute auf die Dauer in seinem gegenwärtigen Stande, d. h. niedriger als in Deutschland zu halten suchen, so würde es einfach das deutsche Capital von seinen Grenzen zurück¬ scheuchen. Dadurch würde aber gerade den Producenten selbst der größte Nachtheil zugefügt. Diese Einwürfe sind daher nicht stichhaltig. Auch die oben erwähnte Gefahr beim Eintritt eines Krieges, erweist sich, bei näherem Licht besehen, als illusorisch. Dieser Grund ist vielmehr ein Argument für die schleunige Rückkehr zum Metallgeld; denn nur in diesem Fall ist der Staat, wenn die äußerste Noth an ihn herantritt, noch im Stande, das letzte Mittel der Notenpresse anzuwenden. Ist der Geldumlauf dagegen schon entwerthet, dann führt jede weitere massenhafte Emission allmälig zum Schicksale der französischen Assignaten und der dem betreffenden Staate daraus erwachsende momentane Vortheil ist nur klein und wird durch vielfach'größere andauernde Opfer bezahlt. Von einiger Erheblichkeit ist nur der Einwurf, welcher einer sofortigen Operation für die Wiedereinführung der Metallgeld¬ zahlung in Oesterreich entgegensteht, daß in der gegenwärtigen Lage der Staatsfinanzen, wo Oesterreich in seinem Budget für 1876 ein Deficit von 25 Millionen Gulden und Ungarn ein solches von 18 Millionen ausweist, von welchen beiden nur 30 Millionen durch Creditoperationen gedeckt werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/21>, abgerufen am 27.09.2024.