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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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druck dieser Fülle von schlagenden Beispielen aus der Literaturgeschichte Eng¬
lands war ein unwiderstehlicher. Das literarische Eigenthumsrecht in England
basirt noch heutiges Tages auf Macaulah's Antrag: jedem Werke den gesetz¬
lichen Schutz gegen Nachdruck auf 42 Jahre nach dem Erscheinen zuzusichern.

Auf gesetzgeberischen Felde war Macaulay seitdem nicht mehr in hervor¬
ragender Weise thätig, auch seinen Ministerposten verließ er bald und um so
unbedenklicher, als sein in Indien erspartes Vermögen, zu dem die enormen
Einnahmen aus seiner "Geschichte von England" kamen, ihm die behaglichste
Existenz sicherte.

Der Abend seines Lebens gestaltete sich für Macaulay immer freundlicher,
nicht etwa in dem Maße, wie seine Werke ihm europäische Berühmtheit ver¬
schafften, -- sondern wie seine Nichten und Neffen heranwuchsen und er sich
ihnen widmen konnte. Der größte Theil seiner Correspondenz aus dem Ende
der vierziger und fünfziger Jahre besteht aus Briefen an die Kleinen; seine freie
Zeit brachte er damit zu, die ganze Schaar der Kinder in die Museen, Wachs-
figurenkabinets, die Londoner Ausstellung zu führen. Großvater konnte er
nicht sein, -- so wurde er das Muster eines Onkels. Macaulay besaß über¬
haupt eine wahre Virtuosität darin, sich Kindern angenehm und unentbehrlich
zu machen. Der weltberühmte Mann, der kaum der Fülle der selbstauferlegten
Arbeit genügen konnte, findet Zeit, mit seiner kleinen Nichte Baba (für
Margaret) die reizendsten Briefe zu tauschen. Die Antwort auf einen Dank¬
brief seines Herzblättchens für ihr geschenkte Bücher setze ich her, um einer der
liebenswürdigsten Seiten in Macaulay's Charakter die richtige Beleuchtung
zu geben: "Liebe Baba! Ich danke dir für deinen sehr hübschen Brief. Ich
freue mich immer, wenn ich mein kleines Mädchen glücklich machen kann;
nichts aber macht mir solch Vergnügen, als daß sie die Bücher gern hat.
Denn wenn sie erst so alt sein wird wie ich, wird sie schon einsehen, daß sie
besser sind als alle Torten und Kuchen und Spielwaaren der Welt. Siehst
du, wenn mich einer zum allergroßmächtigsten König machen und mir Schlösser
und Gärten und schönes Essen und Wein und Kutschen und feine Kleider
und Hunderte von Dienern geben wollte, unter der Bedingung, daß ich keine
Bücher mehr lesen dürfte, so möchte ich nicht König sein. Lieber wäre ich
ein armer Mann in einer Dachkammer, aber mit einem Haufen Bücher, als
ein König, der das Lesen nicht liebt." -- Das ist der Ton, in dem Erwachsene
zu Kindern sprechen sollen, und der bei Macaulay beweist, wie er sich der
Anschauungsweise eines Jeden stilistisch anzubequemen verstand. Seine Schwester
schreibt in einem Briefe über ihren Bruder die treffenden Worte: "Ich habe
ihn mit großer Entrüstung sich über Leute aussprechen hören, die außer dem
Hause sich sehr angenehm zu machen wissen, aber im Familienkreise todter
Ballast sind. Mir will scheinen, als käme die bemerkenswerthe Klarheit


druck dieser Fülle von schlagenden Beispielen aus der Literaturgeschichte Eng¬
lands war ein unwiderstehlicher. Das literarische Eigenthumsrecht in England
basirt noch heutiges Tages auf Macaulah's Antrag: jedem Werke den gesetz¬
lichen Schutz gegen Nachdruck auf 42 Jahre nach dem Erscheinen zuzusichern.

Auf gesetzgeberischen Felde war Macaulay seitdem nicht mehr in hervor¬
ragender Weise thätig, auch seinen Ministerposten verließ er bald und um so
unbedenklicher, als sein in Indien erspartes Vermögen, zu dem die enormen
Einnahmen aus seiner „Geschichte von England" kamen, ihm die behaglichste
Existenz sicherte.

Der Abend seines Lebens gestaltete sich für Macaulay immer freundlicher,
nicht etwa in dem Maße, wie seine Werke ihm europäische Berühmtheit ver¬
schafften, — sondern wie seine Nichten und Neffen heranwuchsen und er sich
ihnen widmen konnte. Der größte Theil seiner Correspondenz aus dem Ende
der vierziger und fünfziger Jahre besteht aus Briefen an die Kleinen; seine freie
Zeit brachte er damit zu, die ganze Schaar der Kinder in die Museen, Wachs-
figurenkabinets, die Londoner Ausstellung zu führen. Großvater konnte er
nicht sein, — so wurde er das Muster eines Onkels. Macaulay besaß über¬
haupt eine wahre Virtuosität darin, sich Kindern angenehm und unentbehrlich
zu machen. Der weltberühmte Mann, der kaum der Fülle der selbstauferlegten
Arbeit genügen konnte, findet Zeit, mit seiner kleinen Nichte Baba (für
Margaret) die reizendsten Briefe zu tauschen. Die Antwort auf einen Dank¬
brief seines Herzblättchens für ihr geschenkte Bücher setze ich her, um einer der
liebenswürdigsten Seiten in Macaulay's Charakter die richtige Beleuchtung
zu geben: „Liebe Baba! Ich danke dir für deinen sehr hübschen Brief. Ich
freue mich immer, wenn ich mein kleines Mädchen glücklich machen kann;
nichts aber macht mir solch Vergnügen, als daß sie die Bücher gern hat.
Denn wenn sie erst so alt sein wird wie ich, wird sie schon einsehen, daß sie
besser sind als alle Torten und Kuchen und Spielwaaren der Welt. Siehst
du, wenn mich einer zum allergroßmächtigsten König machen und mir Schlösser
und Gärten und schönes Essen und Wein und Kutschen und feine Kleider
und Hunderte von Dienern geben wollte, unter der Bedingung, daß ich keine
Bücher mehr lesen dürfte, so möchte ich nicht König sein. Lieber wäre ich
ein armer Mann in einer Dachkammer, aber mit einem Haufen Bücher, als
ein König, der das Lesen nicht liebt." — Das ist der Ton, in dem Erwachsene
zu Kindern sprechen sollen, und der bei Macaulay beweist, wie er sich der
Anschauungsweise eines Jeden stilistisch anzubequemen verstand. Seine Schwester
schreibt in einem Briefe über ihren Bruder die treffenden Worte: „Ich habe
ihn mit großer Entrüstung sich über Leute aussprechen hören, die außer dem
Hause sich sehr angenehm zu machen wissen, aber im Familienkreise todter
Ballast sind. Mir will scheinen, als käme die bemerkenswerthe Klarheit


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[0182] druck dieser Fülle von schlagenden Beispielen aus der Literaturgeschichte Eng¬ lands war ein unwiderstehlicher. Das literarische Eigenthumsrecht in England basirt noch heutiges Tages auf Macaulah's Antrag: jedem Werke den gesetz¬ lichen Schutz gegen Nachdruck auf 42 Jahre nach dem Erscheinen zuzusichern. Auf gesetzgeberischen Felde war Macaulay seitdem nicht mehr in hervor¬ ragender Weise thätig, auch seinen Ministerposten verließ er bald und um so unbedenklicher, als sein in Indien erspartes Vermögen, zu dem die enormen Einnahmen aus seiner „Geschichte von England" kamen, ihm die behaglichste Existenz sicherte. Der Abend seines Lebens gestaltete sich für Macaulay immer freundlicher, nicht etwa in dem Maße, wie seine Werke ihm europäische Berühmtheit ver¬ schafften, — sondern wie seine Nichten und Neffen heranwuchsen und er sich ihnen widmen konnte. Der größte Theil seiner Correspondenz aus dem Ende der vierziger und fünfziger Jahre besteht aus Briefen an die Kleinen; seine freie Zeit brachte er damit zu, die ganze Schaar der Kinder in die Museen, Wachs- figurenkabinets, die Londoner Ausstellung zu führen. Großvater konnte er nicht sein, — so wurde er das Muster eines Onkels. Macaulay besaß über¬ haupt eine wahre Virtuosität darin, sich Kindern angenehm und unentbehrlich zu machen. Der weltberühmte Mann, der kaum der Fülle der selbstauferlegten Arbeit genügen konnte, findet Zeit, mit seiner kleinen Nichte Baba (für Margaret) die reizendsten Briefe zu tauschen. Die Antwort auf einen Dank¬ brief seines Herzblättchens für ihr geschenkte Bücher setze ich her, um einer der liebenswürdigsten Seiten in Macaulay's Charakter die richtige Beleuchtung zu geben: „Liebe Baba! Ich danke dir für deinen sehr hübschen Brief. Ich freue mich immer, wenn ich mein kleines Mädchen glücklich machen kann; nichts aber macht mir solch Vergnügen, als daß sie die Bücher gern hat. Denn wenn sie erst so alt sein wird wie ich, wird sie schon einsehen, daß sie besser sind als alle Torten und Kuchen und Spielwaaren der Welt. Siehst du, wenn mich einer zum allergroßmächtigsten König machen und mir Schlösser und Gärten und schönes Essen und Wein und Kutschen und feine Kleider und Hunderte von Dienern geben wollte, unter der Bedingung, daß ich keine Bücher mehr lesen dürfte, so möchte ich nicht König sein. Lieber wäre ich ein armer Mann in einer Dachkammer, aber mit einem Haufen Bücher, als ein König, der das Lesen nicht liebt." — Das ist der Ton, in dem Erwachsene zu Kindern sprechen sollen, und der bei Macaulay beweist, wie er sich der Anschauungsweise eines Jeden stilistisch anzubequemen verstand. Seine Schwester schreibt in einem Briefe über ihren Bruder die treffenden Worte: „Ich habe ihn mit großer Entrüstung sich über Leute aussprechen hören, die außer dem Hause sich sehr angenehm zu machen wissen, aber im Familienkreise todter Ballast sind. Mir will scheinen, als käme die bemerkenswerthe Klarheit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/182>, abgerufen am 27.09.2024.