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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Thomas Babington Macaulay wurde in der Nähe von London geboren
am 2S. October 1800, -- am Tage der Schlacht bei Agincourt, wie er
patriotisch hinzuzufügen liebte. Sein Vater theilt das Loos so vieler braven
Väter, von ihren genialeren Söhnen in den Schatten gestellt zu werden.
Auch Zacharias Macaulay würde den Namen der Familie bei der Nachwelt
in ehrenvollen Andenken erhalten haben, er der im Verein mit dem Phil¬
anthropen Wilberforce für die endliche Abschaffung der Sklaverei auf britischer
Erde mehr gethan, als viele Regierungen zusammengenommen. Daß Ma¬
caulay der Aeltere mit seinem Haß gegen die Sklaverei eine puritanerhaste
Orthodoxie verband, allerdings frei von dem sonst landesüblichen Carl, darf
nicht Wunder nehmen; nur gelang es ihm niemals, in seinem Sohn einen
gelehrigen Schüler für seine strenggläubige Richtung zu erziehen. Zacharias
Macaulay, der Vater, war kein Idealist in der bösen Bedeutung, der etwa
vom grünen Tische aus die Sklavenfrage zu lösen suchte, "und sollte er auch
die ganze Nacht sitzen"; mit echt angelsächsischem Thatendrange ging er an
den Herd des Sklavenhandels, an die Westküste von Afrika, und gründete
in Sierra Leone mit einer kleinen Schaar entschlossener Männer den noch
heute dort bestehenden freien Negerstaat. Die bald aufblühende Kolonie hatte
während der französischen Revolution die furchtbarsten Drangsale zu erdulden;
französische Flotten landeten und plünderten und zerstörten mit einer wahren
Vandalenwuth die Arbeit eines Decenniums. Wer ein recht drastisches Ge¬
genstück zu den von Gloire triefenden Schilderungen der Erckmann-Chatrian'-
schen Romane über die französischen Revolutionshelden kennen lernen will,
der lese im ersten Bande der Biographie Macaulay's die Schrecken der
französischen Invasion in der doch sicher auf den freiheitlichsten Grundsätzen
basirten kleinen Republik, an deren Spitze der ältere Macaulay stand. Tre-
velyan setzt nicht mit Unrecht hinzu, daß Thomas Macaulay wohl aus
den Beschreibungen jener Schreckenstage den herzinnigen Patriotismus ge¬
schöpft habe, von dem er sein ganzes Leben hindurch erfüllt war. Z. Mac¬
aulay kehrte nach jener Invasion in die Heimath zurück, verheirathete sich und
lebte als Redacteur einer theologischen Zeitschrift bis zum Mannesalter seines
ältesten Sohnes in den bescheidensten Verhältnissen. Nie verließ ihn die
rastlose Thätigkeit für die Verwirklichung seiner menschenfreundlichen Ideen;
zu seinen Mitarbeitern an der großen Aufgabe seines Lebens zählte er Sis-
mondt, Chateaubriand, Frau von Stael und viele Gleichgesinnte.

Der älteste Sohn Thomas Macaulay war im vollsten Sinne des Wortes
ein Wunderkind und blieb das auch mutatis muttmälZ während seines ganzen
Lebens. Mit drei Jahren konnte er lesen, mit sieben Jahren faßte er den
Plan, eine allgemeine Weltgeschichte zu schreiben, und machte sich kindlich¬
ernsthaft an die Ausführung dieser Aufgabe. Nach Art der meisten frühreifen


Thomas Babington Macaulay wurde in der Nähe von London geboren
am 2S. October 1800, — am Tage der Schlacht bei Agincourt, wie er
patriotisch hinzuzufügen liebte. Sein Vater theilt das Loos so vieler braven
Väter, von ihren genialeren Söhnen in den Schatten gestellt zu werden.
Auch Zacharias Macaulay würde den Namen der Familie bei der Nachwelt
in ehrenvollen Andenken erhalten haben, er der im Verein mit dem Phil¬
anthropen Wilberforce für die endliche Abschaffung der Sklaverei auf britischer
Erde mehr gethan, als viele Regierungen zusammengenommen. Daß Ma¬
caulay der Aeltere mit seinem Haß gegen die Sklaverei eine puritanerhaste
Orthodoxie verband, allerdings frei von dem sonst landesüblichen Carl, darf
nicht Wunder nehmen; nur gelang es ihm niemals, in seinem Sohn einen
gelehrigen Schüler für seine strenggläubige Richtung zu erziehen. Zacharias
Macaulay, der Vater, war kein Idealist in der bösen Bedeutung, der etwa
vom grünen Tische aus die Sklavenfrage zu lösen suchte, „und sollte er auch
die ganze Nacht sitzen"; mit echt angelsächsischem Thatendrange ging er an
den Herd des Sklavenhandels, an die Westküste von Afrika, und gründete
in Sierra Leone mit einer kleinen Schaar entschlossener Männer den noch
heute dort bestehenden freien Negerstaat. Die bald aufblühende Kolonie hatte
während der französischen Revolution die furchtbarsten Drangsale zu erdulden;
französische Flotten landeten und plünderten und zerstörten mit einer wahren
Vandalenwuth die Arbeit eines Decenniums. Wer ein recht drastisches Ge¬
genstück zu den von Gloire triefenden Schilderungen der Erckmann-Chatrian'-
schen Romane über die französischen Revolutionshelden kennen lernen will,
der lese im ersten Bande der Biographie Macaulay's die Schrecken der
französischen Invasion in der doch sicher auf den freiheitlichsten Grundsätzen
basirten kleinen Republik, an deren Spitze der ältere Macaulay stand. Tre-
velyan setzt nicht mit Unrecht hinzu, daß Thomas Macaulay wohl aus
den Beschreibungen jener Schreckenstage den herzinnigen Patriotismus ge¬
schöpft habe, von dem er sein ganzes Leben hindurch erfüllt war. Z. Mac¬
aulay kehrte nach jener Invasion in die Heimath zurück, verheirathete sich und
lebte als Redacteur einer theologischen Zeitschrift bis zum Mannesalter seines
ältesten Sohnes in den bescheidensten Verhältnissen. Nie verließ ihn die
rastlose Thätigkeit für die Verwirklichung seiner menschenfreundlichen Ideen;
zu seinen Mitarbeitern an der großen Aufgabe seines Lebens zählte er Sis-
mondt, Chateaubriand, Frau von Stael und viele Gleichgesinnte.

Der älteste Sohn Thomas Macaulay war im vollsten Sinne des Wortes
ein Wunderkind und blieb das auch mutatis muttmälZ während seines ganzen
Lebens. Mit drei Jahren konnte er lesen, mit sieben Jahren faßte er den
Plan, eine allgemeine Weltgeschichte zu schreiben, und machte sich kindlich¬
ernsthaft an die Ausführung dieser Aufgabe. Nach Art der meisten frühreifen


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[0170] Thomas Babington Macaulay wurde in der Nähe von London geboren am 2S. October 1800, — am Tage der Schlacht bei Agincourt, wie er patriotisch hinzuzufügen liebte. Sein Vater theilt das Loos so vieler braven Väter, von ihren genialeren Söhnen in den Schatten gestellt zu werden. Auch Zacharias Macaulay würde den Namen der Familie bei der Nachwelt in ehrenvollen Andenken erhalten haben, er der im Verein mit dem Phil¬ anthropen Wilberforce für die endliche Abschaffung der Sklaverei auf britischer Erde mehr gethan, als viele Regierungen zusammengenommen. Daß Ma¬ caulay der Aeltere mit seinem Haß gegen die Sklaverei eine puritanerhaste Orthodoxie verband, allerdings frei von dem sonst landesüblichen Carl, darf nicht Wunder nehmen; nur gelang es ihm niemals, in seinem Sohn einen gelehrigen Schüler für seine strenggläubige Richtung zu erziehen. Zacharias Macaulay, der Vater, war kein Idealist in der bösen Bedeutung, der etwa vom grünen Tische aus die Sklavenfrage zu lösen suchte, „und sollte er auch die ganze Nacht sitzen"; mit echt angelsächsischem Thatendrange ging er an den Herd des Sklavenhandels, an die Westküste von Afrika, und gründete in Sierra Leone mit einer kleinen Schaar entschlossener Männer den noch heute dort bestehenden freien Negerstaat. Die bald aufblühende Kolonie hatte während der französischen Revolution die furchtbarsten Drangsale zu erdulden; französische Flotten landeten und plünderten und zerstörten mit einer wahren Vandalenwuth die Arbeit eines Decenniums. Wer ein recht drastisches Ge¬ genstück zu den von Gloire triefenden Schilderungen der Erckmann-Chatrian'- schen Romane über die französischen Revolutionshelden kennen lernen will, der lese im ersten Bande der Biographie Macaulay's die Schrecken der französischen Invasion in der doch sicher auf den freiheitlichsten Grundsätzen basirten kleinen Republik, an deren Spitze der ältere Macaulay stand. Tre- velyan setzt nicht mit Unrecht hinzu, daß Thomas Macaulay wohl aus den Beschreibungen jener Schreckenstage den herzinnigen Patriotismus ge¬ schöpft habe, von dem er sein ganzes Leben hindurch erfüllt war. Z. Mac¬ aulay kehrte nach jener Invasion in die Heimath zurück, verheirathete sich und lebte als Redacteur einer theologischen Zeitschrift bis zum Mannesalter seines ältesten Sohnes in den bescheidensten Verhältnissen. Nie verließ ihn die rastlose Thätigkeit für die Verwirklichung seiner menschenfreundlichen Ideen; zu seinen Mitarbeitern an der großen Aufgabe seines Lebens zählte er Sis- mondt, Chateaubriand, Frau von Stael und viele Gleichgesinnte. Der älteste Sohn Thomas Macaulay war im vollsten Sinne des Wortes ein Wunderkind und blieb das auch mutatis muttmälZ während seines ganzen Lebens. Mit drei Jahren konnte er lesen, mit sieben Jahren faßte er den Plan, eine allgemeine Weltgeschichte zu schreiben, und machte sich kindlich¬ ernsthaft an die Ausführung dieser Aufgabe. Nach Art der meisten frühreifen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/170>, abgerufen am 27.09.2024.