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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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der Narenta zum Angelpunkte aller Operationen auf dem westlichen Schau¬
platze des jetzigen durch den Aufstand der Herzegowiner eingeleiteten Krieges.
Indem man hier seine Streitkräfte vereinigt, kann man sie vergleichsweise
am leichtesten dahin dirigiren, wo die Umstände ihr Erscheinen verlangen.
Dazu kommt, daß Mostar als die größte Stadt in einem nur dünn bevölkerten
und wenig angebauten Lande auch die reichsten Mittel zur Unterhaltung
eines Truppencorps bietet, da hier im Unterschiede zu den andern armen und
kleinen Ortschaften erhebliche Vorräthe von den Bedürfnissen eines Heeres
angehäuft sind, und da diese Borräthe sich hier von zwei Richtungen her,
von Serajawo in Bosnien und von Metkowitsch in Dalmatien, durch Zu¬
fuhr auf der gedachten Straße des Narentathales mit Leichtigkeit ergänzen
lassen.

Von Bulgarien sei für heute zunächst nur erwähnt, daß diese Provinz
nach der Zählung der männlichen Bevölkerung derselben, die im Herbst 1874
vorgenommen wurde, von den Frauen und Kindern abgesehen, 1,141,951
Einwohner hat, von denen 482.698 Muslime sind, so daß sich die Muhame-
daner hier zu den Nichtmuhamedanern wie ungefähr 48 zu 63 verhalten.
Unter den Muslimen sind 392,369 Türken, 64,398 vor einigen Jahren ein¬
gewanderte Tartaren und Tscherkessen und 23,931 den Islam bekennende
Zigeuner. Die Christen zerfallen in Bulgaren, die 592,373, in Griechen,
die 7,655, in Armenier, die 2,128, in Römisch-katholische, die 3,656 und in
Zigeuner, die 7.663 Köpfe zählen. Juden wohnen in der Provinz, die amt¬
lich als das Donau-Vilajet bezeichnet wird, 5,375; endlich kommen hierzu
noch 40,303 Einwohner Bulgariens, über deren Nationalität und Bekenntniß
die uns vorliegende statistische Tabelle nichts sagt. Ferner mag, da die eine
Colonne der serbischen Armee nach Wiodin hin operirt, erwähnt werden, daß
diese Festung eine der besseren des osmanischen Reiches ist, 20.000 Einwohner
zählt und einen ziemlich erheblichen Handel mit Waaren treibt, welche sie auf
der Donau empfängt und versendet.

In der Gegend von Novi-Bazar zieht sich ein etwa 9 Meilen langer
und fast ebenso breiter Zipfel Bosniens hin, wo die montenegrische Grenze
von der serbischen am wenigsten weit entfernt ist, und wo die Truppen der
Serben vermuthlich durch Verdrängung der dort stehenden Türken eine Ver¬
einigung mit den Schaaren des Fürsten der Tschernagora und den mit diesem
heranziehenden aufständischen Bosniern anstreben werden. Montenegro hat
nach der neuesten Vermessung eine Flächenraum von 82 Meilen, auf denen
129,000 Menschen leben, wobei die sogenannten Uskoken, unter welcher Be¬
zeichnung man Flüchtlinge aus den angrenzenden türkischen Provinzen versteht,
nicht mit gerechnet sind. Im jetzigen Augenblicke sollen an 5000 solcher
Flüchtlinge in dem kleinen Fürstenthume verweilen, was bei der geringen


der Narenta zum Angelpunkte aller Operationen auf dem westlichen Schau¬
platze des jetzigen durch den Aufstand der Herzegowiner eingeleiteten Krieges.
Indem man hier seine Streitkräfte vereinigt, kann man sie vergleichsweise
am leichtesten dahin dirigiren, wo die Umstände ihr Erscheinen verlangen.
Dazu kommt, daß Mostar als die größte Stadt in einem nur dünn bevölkerten
und wenig angebauten Lande auch die reichsten Mittel zur Unterhaltung
eines Truppencorps bietet, da hier im Unterschiede zu den andern armen und
kleinen Ortschaften erhebliche Vorräthe von den Bedürfnissen eines Heeres
angehäuft sind, und da diese Borräthe sich hier von zwei Richtungen her,
von Serajawo in Bosnien und von Metkowitsch in Dalmatien, durch Zu¬
fuhr auf der gedachten Straße des Narentathales mit Leichtigkeit ergänzen
lassen.

Von Bulgarien sei für heute zunächst nur erwähnt, daß diese Provinz
nach der Zählung der männlichen Bevölkerung derselben, die im Herbst 1874
vorgenommen wurde, von den Frauen und Kindern abgesehen, 1,141,951
Einwohner hat, von denen 482.698 Muslime sind, so daß sich die Muhame-
daner hier zu den Nichtmuhamedanern wie ungefähr 48 zu 63 verhalten.
Unter den Muslimen sind 392,369 Türken, 64,398 vor einigen Jahren ein¬
gewanderte Tartaren und Tscherkessen und 23,931 den Islam bekennende
Zigeuner. Die Christen zerfallen in Bulgaren, die 592,373, in Griechen,
die 7,655, in Armenier, die 2,128, in Römisch-katholische, die 3,656 und in
Zigeuner, die 7.663 Köpfe zählen. Juden wohnen in der Provinz, die amt¬
lich als das Donau-Vilajet bezeichnet wird, 5,375; endlich kommen hierzu
noch 40,303 Einwohner Bulgariens, über deren Nationalität und Bekenntniß
die uns vorliegende statistische Tabelle nichts sagt. Ferner mag, da die eine
Colonne der serbischen Armee nach Wiodin hin operirt, erwähnt werden, daß
diese Festung eine der besseren des osmanischen Reiches ist, 20.000 Einwohner
zählt und einen ziemlich erheblichen Handel mit Waaren treibt, welche sie auf
der Donau empfängt und versendet.

In der Gegend von Novi-Bazar zieht sich ein etwa 9 Meilen langer
und fast ebenso breiter Zipfel Bosniens hin, wo die montenegrische Grenze
von der serbischen am wenigsten weit entfernt ist, und wo die Truppen der
Serben vermuthlich durch Verdrängung der dort stehenden Türken eine Ver¬
einigung mit den Schaaren des Fürsten der Tschernagora und den mit diesem
heranziehenden aufständischen Bosniern anstreben werden. Montenegro hat
nach der neuesten Vermessung eine Flächenraum von 82 Meilen, auf denen
129,000 Menschen leben, wobei die sogenannten Uskoken, unter welcher Be¬
zeichnung man Flüchtlinge aus den angrenzenden türkischen Provinzen versteht,
nicht mit gerechnet sind. Im jetzigen Augenblicke sollen an 5000 solcher
Flüchtlinge in dem kleinen Fürstenthume verweilen, was bei der geringen


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[0152] der Narenta zum Angelpunkte aller Operationen auf dem westlichen Schau¬ platze des jetzigen durch den Aufstand der Herzegowiner eingeleiteten Krieges. Indem man hier seine Streitkräfte vereinigt, kann man sie vergleichsweise am leichtesten dahin dirigiren, wo die Umstände ihr Erscheinen verlangen. Dazu kommt, daß Mostar als die größte Stadt in einem nur dünn bevölkerten und wenig angebauten Lande auch die reichsten Mittel zur Unterhaltung eines Truppencorps bietet, da hier im Unterschiede zu den andern armen und kleinen Ortschaften erhebliche Vorräthe von den Bedürfnissen eines Heeres angehäuft sind, und da diese Borräthe sich hier von zwei Richtungen her, von Serajawo in Bosnien und von Metkowitsch in Dalmatien, durch Zu¬ fuhr auf der gedachten Straße des Narentathales mit Leichtigkeit ergänzen lassen. Von Bulgarien sei für heute zunächst nur erwähnt, daß diese Provinz nach der Zählung der männlichen Bevölkerung derselben, die im Herbst 1874 vorgenommen wurde, von den Frauen und Kindern abgesehen, 1,141,951 Einwohner hat, von denen 482.698 Muslime sind, so daß sich die Muhame- daner hier zu den Nichtmuhamedanern wie ungefähr 48 zu 63 verhalten. Unter den Muslimen sind 392,369 Türken, 64,398 vor einigen Jahren ein¬ gewanderte Tartaren und Tscherkessen und 23,931 den Islam bekennende Zigeuner. Die Christen zerfallen in Bulgaren, die 592,373, in Griechen, die 7,655, in Armenier, die 2,128, in Römisch-katholische, die 3,656 und in Zigeuner, die 7.663 Köpfe zählen. Juden wohnen in der Provinz, die amt¬ lich als das Donau-Vilajet bezeichnet wird, 5,375; endlich kommen hierzu noch 40,303 Einwohner Bulgariens, über deren Nationalität und Bekenntniß die uns vorliegende statistische Tabelle nichts sagt. Ferner mag, da die eine Colonne der serbischen Armee nach Wiodin hin operirt, erwähnt werden, daß diese Festung eine der besseren des osmanischen Reiches ist, 20.000 Einwohner zählt und einen ziemlich erheblichen Handel mit Waaren treibt, welche sie auf der Donau empfängt und versendet. In der Gegend von Novi-Bazar zieht sich ein etwa 9 Meilen langer und fast ebenso breiter Zipfel Bosniens hin, wo die montenegrische Grenze von der serbischen am wenigsten weit entfernt ist, und wo die Truppen der Serben vermuthlich durch Verdrängung der dort stehenden Türken eine Ver¬ einigung mit den Schaaren des Fürsten der Tschernagora und den mit diesem heranziehenden aufständischen Bosniern anstreben werden. Montenegro hat nach der neuesten Vermessung eine Flächenraum von 82 Meilen, auf denen 129,000 Menschen leben, wobei die sogenannten Uskoken, unter welcher Be¬ zeichnung man Flüchtlinge aus den angrenzenden türkischen Provinzen versteht, nicht mit gerechnet sind. Im jetzigen Augenblicke sollen an 5000 solcher Flüchtlinge in dem kleinen Fürstenthume verweilen, was bei der geringen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/152>, abgerufen am 20.10.2024.