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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Adam Smith's Zeiten soviel über den Unterschied von Capital und Geld
geschrieben worden ist, es auch heute noch sehr viele Leute, und darunter selbst
gewiegte Geschäftsmänner giebt, welche diesen Unterschied noch nicht begriffen
haben. Trotzdem das Schicksal der Assignaten der französischen Revolution
bewiesen hat, daß man den Grund und Boden nicht in Geld ausmünzen
kann und daß man nicht beliebige Mengen davon brauchen kann, treten auch
heute, in Zeiten commercieller und politischer Krisen immer noch Projecten-
macher hervor, welche glauben, daß der Vorrath an Geld in einem Lande
ebenso unbegrenzt sein könne, als der des Capitals und des Reichthums.
Sie werden zu diesem Irrthum durch den Schein verführt, weil das Geld
einerseits einen Theil des Capitals bildet und weil andererseits das letztere
bei allen seinen Umsatzprocessen und öffentlichen Funktionen durch Geld ge¬
messen, repräsentirt und ausgetauscht wird, weil eben das Geld Werthmesser
und Tauschmittel ist. Aus jenem Irrthum kam es auch in Oesterreich in den
letzten beiden Jahren nach Ausbruch der Krisis wieder vor, daß Leute öffent¬
lich mit Projecten auftraten, von welchen sie die Heilung der Lähmung der
Geschäfte von einer Vermehrung der Circulationsmittel um ein volles Drittel
erwarteten. Man muß daher bei allen Erörterungen über diesen Gegenstand
auf das ökonomische Axiom zurückverweisen, daß das Geld nur dazu dient,
die Umsätze zu vermitteln. Da die Umsätze aber nicht willkürlich vermehrt
werden können, sondern von Bedürfniß und Angebot abhängen, so muß
natürlicher Weise auch der Bedarf an Umsatzmitteln oder Geld in demselben
Verhältnisse beschränkt sein. Für das Capital und den Reichthum ist keine
ökonomische Grenze gesetzt, sie können unbedenklich zu unbekannter Höhe ge¬
steigert werden. Die Transactionen aber sind an den Umfang des Capitals
gebunden und ihr Umfang muß weit hinter dem Betrag des letzteren zurück¬
bleiben, weil ja das Capital nicht in einem fortwährenden Umsatz begriffen
sein kann.

Der Geldvorrath aber muß auf den Umfang der Umsätze beschränkt
bleiben, weil jede Summe darüber hinaus keine Verwendung mehr finden und
nutzlos daliegen würde. Der Geldvorrath eines Landes oder Verkehrsgebietes
muß ferner auf den Bedarf eines kurzen Zeitraumes, d. h. gerade derjenigen
"spanne Zeit bemessen sein, innerhalb deren sich der Umsatz einmal bewerk¬
stelligt. Man kann z. B. in einem Lande oder in einem und demselben Ver¬
kehrsgebiete nicht soviel Geld brauchen, als Transactionen in einem Jahre,
ja auch nur in drei Monaten gemacht werden, weil die Umsätze in ihrer
Mehrzahl weit häufiger wiederkehren und eine und dieselbe Geldsumme zu
mehreren Transactionen dient. Nur im Verkehr zwischen entlegenen über,
Seelöcher Ländern mag es vorkommen, daß während eines Jahres nicht mehrere
Umsätze stattfinden, allein im Durchschnitt wird die Summe der Transaclioncn,


Adam Smith's Zeiten soviel über den Unterschied von Capital und Geld
geschrieben worden ist, es auch heute noch sehr viele Leute, und darunter selbst
gewiegte Geschäftsmänner giebt, welche diesen Unterschied noch nicht begriffen
haben. Trotzdem das Schicksal der Assignaten der französischen Revolution
bewiesen hat, daß man den Grund und Boden nicht in Geld ausmünzen
kann und daß man nicht beliebige Mengen davon brauchen kann, treten auch
heute, in Zeiten commercieller und politischer Krisen immer noch Projecten-
macher hervor, welche glauben, daß der Vorrath an Geld in einem Lande
ebenso unbegrenzt sein könne, als der des Capitals und des Reichthums.
Sie werden zu diesem Irrthum durch den Schein verführt, weil das Geld
einerseits einen Theil des Capitals bildet und weil andererseits das letztere
bei allen seinen Umsatzprocessen und öffentlichen Funktionen durch Geld ge¬
messen, repräsentirt und ausgetauscht wird, weil eben das Geld Werthmesser
und Tauschmittel ist. Aus jenem Irrthum kam es auch in Oesterreich in den
letzten beiden Jahren nach Ausbruch der Krisis wieder vor, daß Leute öffent¬
lich mit Projecten auftraten, von welchen sie die Heilung der Lähmung der
Geschäfte von einer Vermehrung der Circulationsmittel um ein volles Drittel
erwarteten. Man muß daher bei allen Erörterungen über diesen Gegenstand
auf das ökonomische Axiom zurückverweisen, daß das Geld nur dazu dient,
die Umsätze zu vermitteln. Da die Umsätze aber nicht willkürlich vermehrt
werden können, sondern von Bedürfniß und Angebot abhängen, so muß
natürlicher Weise auch der Bedarf an Umsatzmitteln oder Geld in demselben
Verhältnisse beschränkt sein. Für das Capital und den Reichthum ist keine
ökonomische Grenze gesetzt, sie können unbedenklich zu unbekannter Höhe ge¬
steigert werden. Die Transactionen aber sind an den Umfang des Capitals
gebunden und ihr Umfang muß weit hinter dem Betrag des letzteren zurück¬
bleiben, weil ja das Capital nicht in einem fortwährenden Umsatz begriffen
sein kann.

Der Geldvorrath aber muß auf den Umfang der Umsätze beschränkt
bleiben, weil jede Summe darüber hinaus keine Verwendung mehr finden und
nutzlos daliegen würde. Der Geldvorrath eines Landes oder Verkehrsgebietes
muß ferner auf den Bedarf eines kurzen Zeitraumes, d. h. gerade derjenigen
«spanne Zeit bemessen sein, innerhalb deren sich der Umsatz einmal bewerk¬
stelligt. Man kann z. B. in einem Lande oder in einem und demselben Ver¬
kehrsgebiete nicht soviel Geld brauchen, als Transactionen in einem Jahre,
ja auch nur in drei Monaten gemacht werden, weil die Umsätze in ihrer
Mehrzahl weit häufiger wiederkehren und eine und dieselbe Geldsumme zu
mehreren Transactionen dient. Nur im Verkehr zwischen entlegenen über,
Seelöcher Ländern mag es vorkommen, daß während eines Jahres nicht mehrere
Umsätze stattfinden, allein im Durchschnitt wird die Summe der Transaclioncn,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/15>, abgerufen am 27.09.2024.