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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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kaum so viel bleibt, um kümmerlich das Leben zu fristen. Er hat kein
Interesse daran, sein Land zu verbessern, da er in der Regel nur Pächter
desselben ist und trotz seines Contracts jeden Augenblick von seinem Grund
und Boden verjagt werden kann. Dazu kommen die erdrückenden Abgaben,
die gesetzlich den achten Theil des Einkommens der Bevölkerung ausmachen,
in der That aber in Qualität, Erhebungsart und Zeit ganz unbeschränkt
und unbestimmt sind. Die Wälder enthalten die verschiedensten Hölzer, an
zugänglichen Orten aber sind sie schon stark gelichtet und verwüstet, und eine
viel Gewinn bringende Ausbeutung derselben ist wegen Mangel an Communi-
cationen unmöglich. Mineralien sind reichlich vorhanden, namentlich hat
Bosnien vortreffliches Eisen. Die zahlreichen Thermen, Schwefelquellen und
Säuerlinge werden kaum benutzt. Die Obstcultur wird ganz der Natur über¬
lassen, und diese erzeugt in der Savegegend bei Zwornik und Banjaluka die
berühmten böhmischen Zwetschen, welche massenhaft nach Norden ausgeführt
werden und in gedörrten Zustande die Haupteinnahmequelle jener Landstriche
bilden. Die Bodenproduction Bosniens und der Herzegowina stellt sich nach
der Oka, dem Landsgewichte, welches 2^ Zollpfund gleich ist, wie folgt:
Weizen etwa 60. Mais 160, Gerste 64, Roggen 14, Buchweizen 6, Hirse 16.
Hafer 40 Millionen. Flachs 289,000, Hanf 231,000, Zwetschen 11, Bohnen 3,
Tabak 1^ Millionen Oka.

Die Viehzucht liefert ein ebenso kümmerliches Ergebniß wie der Ackerbau.
Schon seit zehn Jahren herrschten fast ununterbrochen Viehseuchen, die
Schafzucht ist seit den Zeiten Omer Paschas, wo die mächtigen Begs und
Agas um den größten Theil ihres Vermögens kamen, so gesunken, daß in
den letzten Jahren von Seiten der Regierung das Schlachten der Lämmer
verboten worden ist. Es giebt im Vilajet nur ungefähr 2 Millionen Schafe
und Lämmer, etwas mehr als eine Million Ziegen, Schweine 106,000, und
der Rindviehbestand beträgt nur etwas über eine halbe Million Stück.

Das Gewerbe ist durch die auf der niedrigsten Stufe stehenden Lebens¬
bedürfnisse der Bosnier selbst beschränkt. Man erzeugt grobes Lodentuch
(Halma) und bereitet Leder aus den Häuten der Heerden und den Fellen der
Wölfe und Bären des Landes. Kürschner, Färber, Schuhmacher, Schneider,
Sattler, Messerschmiede und Büchsenmacher finden sich in den Städten. Man
verfertigt ferner ordinäre Teppiche und Decken, messingne Kaffeemühlen und
Filigranarbeiten in Gold und Silber zu landesüblichem Schmucke. Tischler,
Glaser, Maurer und Dachdecker sind in der Regel in einer einzigen Person,
dem sogenannten Dundjer, vereinigt ist. Die Bergwerksindustrie beschränkt
sich daraus, daß man das aus die primitivste Art gewonnene Eisen in kunst¬
losen Oefen zu Barren schmilzt und daraus die landesüblichen vollen Hufeisen,
die den Backofen ersetzenden, halbkugelförmigen Deckel, manche grobe Werkzeuge


kaum so viel bleibt, um kümmerlich das Leben zu fristen. Er hat kein
Interesse daran, sein Land zu verbessern, da er in der Regel nur Pächter
desselben ist und trotz seines Contracts jeden Augenblick von seinem Grund
und Boden verjagt werden kann. Dazu kommen die erdrückenden Abgaben,
die gesetzlich den achten Theil des Einkommens der Bevölkerung ausmachen,
in der That aber in Qualität, Erhebungsart und Zeit ganz unbeschränkt
und unbestimmt sind. Die Wälder enthalten die verschiedensten Hölzer, an
zugänglichen Orten aber sind sie schon stark gelichtet und verwüstet, und eine
viel Gewinn bringende Ausbeutung derselben ist wegen Mangel an Communi-
cationen unmöglich. Mineralien sind reichlich vorhanden, namentlich hat
Bosnien vortreffliches Eisen. Die zahlreichen Thermen, Schwefelquellen und
Säuerlinge werden kaum benutzt. Die Obstcultur wird ganz der Natur über¬
lassen, und diese erzeugt in der Savegegend bei Zwornik und Banjaluka die
berühmten böhmischen Zwetschen, welche massenhaft nach Norden ausgeführt
werden und in gedörrten Zustande die Haupteinnahmequelle jener Landstriche
bilden. Die Bodenproduction Bosniens und der Herzegowina stellt sich nach
der Oka, dem Landsgewichte, welches 2^ Zollpfund gleich ist, wie folgt:
Weizen etwa 60. Mais 160, Gerste 64, Roggen 14, Buchweizen 6, Hirse 16.
Hafer 40 Millionen. Flachs 289,000, Hanf 231,000, Zwetschen 11, Bohnen 3,
Tabak 1^ Millionen Oka.

Die Viehzucht liefert ein ebenso kümmerliches Ergebniß wie der Ackerbau.
Schon seit zehn Jahren herrschten fast ununterbrochen Viehseuchen, die
Schafzucht ist seit den Zeiten Omer Paschas, wo die mächtigen Begs und
Agas um den größten Theil ihres Vermögens kamen, so gesunken, daß in
den letzten Jahren von Seiten der Regierung das Schlachten der Lämmer
verboten worden ist. Es giebt im Vilajet nur ungefähr 2 Millionen Schafe
und Lämmer, etwas mehr als eine Million Ziegen, Schweine 106,000, und
der Rindviehbestand beträgt nur etwas über eine halbe Million Stück.

Das Gewerbe ist durch die auf der niedrigsten Stufe stehenden Lebens¬
bedürfnisse der Bosnier selbst beschränkt. Man erzeugt grobes Lodentuch
(Halma) und bereitet Leder aus den Häuten der Heerden und den Fellen der
Wölfe und Bären des Landes. Kürschner, Färber, Schuhmacher, Schneider,
Sattler, Messerschmiede und Büchsenmacher finden sich in den Städten. Man
verfertigt ferner ordinäre Teppiche und Decken, messingne Kaffeemühlen und
Filigranarbeiten in Gold und Silber zu landesüblichem Schmucke. Tischler,
Glaser, Maurer und Dachdecker sind in der Regel in einer einzigen Person,
dem sogenannten Dundjer, vereinigt ist. Die Bergwerksindustrie beschränkt
sich daraus, daß man das aus die primitivste Art gewonnene Eisen in kunst¬
losen Oefen zu Barren schmilzt und daraus die landesüblichen vollen Hufeisen,
die den Backofen ersetzenden, halbkugelförmigen Deckel, manche grobe Werkzeuge


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[0147] kaum so viel bleibt, um kümmerlich das Leben zu fristen. Er hat kein Interesse daran, sein Land zu verbessern, da er in der Regel nur Pächter desselben ist und trotz seines Contracts jeden Augenblick von seinem Grund und Boden verjagt werden kann. Dazu kommen die erdrückenden Abgaben, die gesetzlich den achten Theil des Einkommens der Bevölkerung ausmachen, in der That aber in Qualität, Erhebungsart und Zeit ganz unbeschränkt und unbestimmt sind. Die Wälder enthalten die verschiedensten Hölzer, an zugänglichen Orten aber sind sie schon stark gelichtet und verwüstet, und eine viel Gewinn bringende Ausbeutung derselben ist wegen Mangel an Communi- cationen unmöglich. Mineralien sind reichlich vorhanden, namentlich hat Bosnien vortreffliches Eisen. Die zahlreichen Thermen, Schwefelquellen und Säuerlinge werden kaum benutzt. Die Obstcultur wird ganz der Natur über¬ lassen, und diese erzeugt in der Savegegend bei Zwornik und Banjaluka die berühmten böhmischen Zwetschen, welche massenhaft nach Norden ausgeführt werden und in gedörrten Zustande die Haupteinnahmequelle jener Landstriche bilden. Die Bodenproduction Bosniens und der Herzegowina stellt sich nach der Oka, dem Landsgewichte, welches 2^ Zollpfund gleich ist, wie folgt: Weizen etwa 60. Mais 160, Gerste 64, Roggen 14, Buchweizen 6, Hirse 16. Hafer 40 Millionen. Flachs 289,000, Hanf 231,000, Zwetschen 11, Bohnen 3, Tabak 1^ Millionen Oka. Die Viehzucht liefert ein ebenso kümmerliches Ergebniß wie der Ackerbau. Schon seit zehn Jahren herrschten fast ununterbrochen Viehseuchen, die Schafzucht ist seit den Zeiten Omer Paschas, wo die mächtigen Begs und Agas um den größten Theil ihres Vermögens kamen, so gesunken, daß in den letzten Jahren von Seiten der Regierung das Schlachten der Lämmer verboten worden ist. Es giebt im Vilajet nur ungefähr 2 Millionen Schafe und Lämmer, etwas mehr als eine Million Ziegen, Schweine 106,000, und der Rindviehbestand beträgt nur etwas über eine halbe Million Stück. Das Gewerbe ist durch die auf der niedrigsten Stufe stehenden Lebens¬ bedürfnisse der Bosnier selbst beschränkt. Man erzeugt grobes Lodentuch (Halma) und bereitet Leder aus den Häuten der Heerden und den Fellen der Wölfe und Bären des Landes. Kürschner, Färber, Schuhmacher, Schneider, Sattler, Messerschmiede und Büchsenmacher finden sich in den Städten. Man verfertigt ferner ordinäre Teppiche und Decken, messingne Kaffeemühlen und Filigranarbeiten in Gold und Silber zu landesüblichem Schmucke. Tischler, Glaser, Maurer und Dachdecker sind in der Regel in einer einzigen Person, dem sogenannten Dundjer, vereinigt ist. Die Bergwerksindustrie beschränkt sich daraus, daß man das aus die primitivste Art gewonnene Eisen in kunst¬ losen Oefen zu Barren schmilzt und daraus die landesüblichen vollen Hufeisen, die den Backofen ersetzenden, halbkugelförmigen Deckel, manche grobe Werkzeuge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/147>, abgerufen am 27.09.2024.