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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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commandeur eigne Offiziere, welche aus den gebildeteren und angesehenern
Theilen der Bevölkerung entnommen werden. Die höheren Posten werden
mit Offizieren des stehenden Heeres besetzt. Die Aufstellung des Heeres gegen
die türkischen Truppen ist vor dem Ausbruche des Krieges rasch und in
Ordnung vor sich gegangen.

Bewassnet ist die Infanterie des stehenden Heeres und der ersten Klasse
der Nationalarmee mit dem Peabodyschen Hinterlader, die zweite Klasse mit
den Greenschen Gewehren, die Hinter- und Vorderlader zugleich find. Die
Kavallerie ist mit Korbsäbel, Karabiner und Pistole bewaffnet. Die Ge¬
schütze der Artillerie sind mit Ausnahme einer Batterie Kruppscher Hinter¬
lader zu 7, 8 ein. gezogene Borderlader, die in der Gießerei zu Kragujewatsch
angefertigt werden, und von denen man einen großen Vorrath besitzt. Die
stehende Armee garnisonirt in Belgrad, Kragujewatsch und Tschupria und
unterstützt durch Lehrpersonal die Uebungen des Nationalheeres, welche in
der ersten Klasse jährlich zwanzig, in der zweiten aber nur zwei Tage dauern.
Für Verpflegung muß im Kriegsfalle jeder Soldat selbst sorgen, zu welchem
Zwecke er täglich 4 Piaster -- 70 Pfennige erhält. Die Verwendung großer
Truppenmassen auf einer Stelle wird dadurch zur Unmöglichkeit. Serbien
hat eine Anzahl Festungen, aber Belgrad, Schabatsch, Semendria und Kla-
dowa sind veraltet und schlecht armirt, Sokol und Uschitscha geschleift, Klein-
Zwornik und Neu-Orsowa noch von den Türken besetzt.

Bosnien und die Herzegowina haben zusammen ein Areal von
etwa 1100 Quadratmeilen, von dem in Bosnien nur ein sehr kleiner Theil
Karstboden von Tertiärformation, ein Fünftel Weide und Ackerland und das
Uebrige Wald und Gestrüpp ist. In der Herzegowina dagegen nimmt der
Karstboden mehr als die Hälfte des Landes ein, der Rest ist Wald, Weide
und cultivirtes Land, welches sich namentlich auf mehreren Hochebnen be¬
findet. Das Klima der Herzegowina ist dem in Dalmatien ähnlich, in Bosnien
variirt es zwischen dem in den Saveniederungen, wo es dem von Kroatien ent¬
spricht, und dem im weiteren Binnenlande, welches aus Mittel- und Hochgebirgen
besteht und sich vorzüglich zur Viehzucht eignet. Die Weinrebe gedeiht in
Bosnien nur an der Narenta und an der save. Die letztere wird von der
Donauschifffahrtsgesellschaft regelmäßig zweimal die Woche befahren. Die
übrigen Flüsse, welche sich mit Ausnahme der durch Dalmatien sich ins
Adriatische Meer ergießenden Narenta sämmtlich der save zuwenden, haben
den Charakter von Gebirgswässern und sind nur in ihrem untern Laufe und
auch hier lediglich mit Flachbooten oder "Koraben", d. h. ausgehöhlten
Baumstämmen von höchstens dritthalb Fuß Tiefgang, beschiffbar.

Der Ackerbau wird fast allenthalben auf die urthümlichste Art und in
so geringem Maße betrieben, daß dem Bauer nach Entrichtung der Abgaben


commandeur eigne Offiziere, welche aus den gebildeteren und angesehenern
Theilen der Bevölkerung entnommen werden. Die höheren Posten werden
mit Offizieren des stehenden Heeres besetzt. Die Aufstellung des Heeres gegen
die türkischen Truppen ist vor dem Ausbruche des Krieges rasch und in
Ordnung vor sich gegangen.

Bewassnet ist die Infanterie des stehenden Heeres und der ersten Klasse
der Nationalarmee mit dem Peabodyschen Hinterlader, die zweite Klasse mit
den Greenschen Gewehren, die Hinter- und Vorderlader zugleich find. Die
Kavallerie ist mit Korbsäbel, Karabiner und Pistole bewaffnet. Die Ge¬
schütze der Artillerie sind mit Ausnahme einer Batterie Kruppscher Hinter¬
lader zu 7, 8 ein. gezogene Borderlader, die in der Gießerei zu Kragujewatsch
angefertigt werden, und von denen man einen großen Vorrath besitzt. Die
stehende Armee garnisonirt in Belgrad, Kragujewatsch und Tschupria und
unterstützt durch Lehrpersonal die Uebungen des Nationalheeres, welche in
der ersten Klasse jährlich zwanzig, in der zweiten aber nur zwei Tage dauern.
Für Verpflegung muß im Kriegsfalle jeder Soldat selbst sorgen, zu welchem
Zwecke er täglich 4 Piaster — 70 Pfennige erhält. Die Verwendung großer
Truppenmassen auf einer Stelle wird dadurch zur Unmöglichkeit. Serbien
hat eine Anzahl Festungen, aber Belgrad, Schabatsch, Semendria und Kla-
dowa sind veraltet und schlecht armirt, Sokol und Uschitscha geschleift, Klein-
Zwornik und Neu-Orsowa noch von den Türken besetzt.

Bosnien und die Herzegowina haben zusammen ein Areal von
etwa 1100 Quadratmeilen, von dem in Bosnien nur ein sehr kleiner Theil
Karstboden von Tertiärformation, ein Fünftel Weide und Ackerland und das
Uebrige Wald und Gestrüpp ist. In der Herzegowina dagegen nimmt der
Karstboden mehr als die Hälfte des Landes ein, der Rest ist Wald, Weide
und cultivirtes Land, welches sich namentlich auf mehreren Hochebnen be¬
findet. Das Klima der Herzegowina ist dem in Dalmatien ähnlich, in Bosnien
variirt es zwischen dem in den Saveniederungen, wo es dem von Kroatien ent¬
spricht, und dem im weiteren Binnenlande, welches aus Mittel- und Hochgebirgen
besteht und sich vorzüglich zur Viehzucht eignet. Die Weinrebe gedeiht in
Bosnien nur an der Narenta und an der save. Die letztere wird von der
Donauschifffahrtsgesellschaft regelmäßig zweimal die Woche befahren. Die
übrigen Flüsse, welche sich mit Ausnahme der durch Dalmatien sich ins
Adriatische Meer ergießenden Narenta sämmtlich der save zuwenden, haben
den Charakter von Gebirgswässern und sind nur in ihrem untern Laufe und
auch hier lediglich mit Flachbooten oder „Koraben", d. h. ausgehöhlten
Baumstämmen von höchstens dritthalb Fuß Tiefgang, beschiffbar.

Der Ackerbau wird fast allenthalben auf die urthümlichste Art und in
so geringem Maße betrieben, daß dem Bauer nach Entrichtung der Abgaben


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[0146] commandeur eigne Offiziere, welche aus den gebildeteren und angesehenern Theilen der Bevölkerung entnommen werden. Die höheren Posten werden mit Offizieren des stehenden Heeres besetzt. Die Aufstellung des Heeres gegen die türkischen Truppen ist vor dem Ausbruche des Krieges rasch und in Ordnung vor sich gegangen. Bewassnet ist die Infanterie des stehenden Heeres und der ersten Klasse der Nationalarmee mit dem Peabodyschen Hinterlader, die zweite Klasse mit den Greenschen Gewehren, die Hinter- und Vorderlader zugleich find. Die Kavallerie ist mit Korbsäbel, Karabiner und Pistole bewaffnet. Die Ge¬ schütze der Artillerie sind mit Ausnahme einer Batterie Kruppscher Hinter¬ lader zu 7, 8 ein. gezogene Borderlader, die in der Gießerei zu Kragujewatsch angefertigt werden, und von denen man einen großen Vorrath besitzt. Die stehende Armee garnisonirt in Belgrad, Kragujewatsch und Tschupria und unterstützt durch Lehrpersonal die Uebungen des Nationalheeres, welche in der ersten Klasse jährlich zwanzig, in der zweiten aber nur zwei Tage dauern. Für Verpflegung muß im Kriegsfalle jeder Soldat selbst sorgen, zu welchem Zwecke er täglich 4 Piaster — 70 Pfennige erhält. Die Verwendung großer Truppenmassen auf einer Stelle wird dadurch zur Unmöglichkeit. Serbien hat eine Anzahl Festungen, aber Belgrad, Schabatsch, Semendria und Kla- dowa sind veraltet und schlecht armirt, Sokol und Uschitscha geschleift, Klein- Zwornik und Neu-Orsowa noch von den Türken besetzt. Bosnien und die Herzegowina haben zusammen ein Areal von etwa 1100 Quadratmeilen, von dem in Bosnien nur ein sehr kleiner Theil Karstboden von Tertiärformation, ein Fünftel Weide und Ackerland und das Uebrige Wald und Gestrüpp ist. In der Herzegowina dagegen nimmt der Karstboden mehr als die Hälfte des Landes ein, der Rest ist Wald, Weide und cultivirtes Land, welches sich namentlich auf mehreren Hochebnen be¬ findet. Das Klima der Herzegowina ist dem in Dalmatien ähnlich, in Bosnien variirt es zwischen dem in den Saveniederungen, wo es dem von Kroatien ent¬ spricht, und dem im weiteren Binnenlande, welches aus Mittel- und Hochgebirgen besteht und sich vorzüglich zur Viehzucht eignet. Die Weinrebe gedeiht in Bosnien nur an der Narenta und an der save. Die letztere wird von der Donauschifffahrtsgesellschaft regelmäßig zweimal die Woche befahren. Die übrigen Flüsse, welche sich mit Ausnahme der durch Dalmatien sich ins Adriatische Meer ergießenden Narenta sämmtlich der save zuwenden, haben den Charakter von Gebirgswässern und sind nur in ihrem untern Laufe und auch hier lediglich mit Flachbooten oder „Koraben", d. h. ausgehöhlten Baumstämmen von höchstens dritthalb Fuß Tiefgang, beschiffbar. Der Ackerbau wird fast allenthalben auf die urthümlichste Art und in so geringem Maße betrieben, daß dem Bauer nach Entrichtung der Abgaben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/146>, abgerufen am 27.09.2024.