Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.Christenthum und Heidenthum dicke Bücher zu schreiben, vgl. S. 631 -- Mit S. 419 beginnt das Mittelalter, aus welchem H. v. H. nur Christenthum und Heidenthum dicke Bücher zu schreiben, vgl. S. 631 — Mit S. 419 beginnt das Mittelalter, aus welchem H. v. H. nur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136247"/> <p xml:id="ID_309" prev="#ID_308"> Christenthum und Heidenthum dicke Bücher zu schreiben, vgl. S. 631 —<lb/> oder „ob dieser Fetisch Religion, Freiheit oder nur ein Steinklotz ist" — welches<lb/> letztere Naturprodukt wir bei dieser Gelegenheit zuerst kennen lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_310" next="#ID_311"> Mit S. 419 beginnt das Mittelalter, aus welchem H. v. H. nur<lb/> fürs erste, bis S. 685. nicht wieder herauskommt. Welchen Theil des Mittel¬<lb/> alters oder des von ihm entdeckten „Vormittelalters" er meint, ist nur sehr<lb/> selten deutlich. da er von Chronologie gar keinen Begriff zu haben scheint:<lb/> klassisch hierfür ist Anm. 6 auf S. 592: „Auch das reinigende B«den<lb/> war im Mittelalter sehr üblich." Dasselbe Mittelalter, in welchem das<lb/> reinigende Baden so üblich war, war S. 616 auch „noch nicht in den Fehler ver¬<lb/> fallen, abstrakte Begriffe aufzustellen, wie Humanität, Menschenwürde:" unter<lb/> dem vielen Schönen, was auf 300 Seiten über diese interessante Periode gesagt<lb/> ist, möchten wir S. 615 den Preis zuerkennen, wo gesagt wird: „So ist<lb/> denn Alles und Jedes im Mittelalter, was den Tadel der Jetztzeit erfährt,<lb/> die Folge geringeren Wissens, kurzweg Unwissenheit genannt." Von diesen<lb/> Folgen geringeren Wissens, kurzweg Unwissenheit genannt, geben wir noch<lb/> ein paar Beispiele, da die Recensenten sich in diese mittelalterliche Wild¬<lb/> nis; offenbar nicht hineingewagt haben. S. 487: „Sowie neben Christus der<lb/> größere Paulus, neben Luther der größere Melanchthon auftauchte — so<lb/> erscheint neben Muhamed gewissermaßen der größere Omar," von welchem<lb/> es S. 490 heißt: „trotz dieser Unabhängigkeit Omar's in seiner staatlichen<lb/> Organisation von allem früher Dagewesenen". Unabhängig von allem früher<lb/> Dagewesenen ist sicher auch S. 504 „Dank seiner leichteren, Absorptions¬<lb/> fähigkeit wurde indeß der Germane von den südlichen gesitteteren<lb/> Nationenaufgeschlürft, der zähe Araber nicht, oder wenigstens erst nach<lb/> viel längerer Zeit," und S. 511, wo von irgend einem arabischen Weisen gesagt<lb/> ist, daß er versucht habe zu beweisen, „daß Niemand ein großer Mystiker sein<lb/> kann, ohne dem Laster der griechischen Liebe zu fröhnen" — „er mag Recht<lb/> haben." setzt H. v. H., der nicht weiß, was ein Mystiker ist, hinzu. Bei Gelegen¬<lb/> heit des „Islams in Spanien und Afrika" kommt das Buch, das überhaupt<lb/> von der Ceder auf Libanon bis zum Mop der aus der Wand wächst, über Alles,<lb/> nur nicht über das, was man gewöhnlich unter Culturgeschichte versteht, redet,<lb/> auch auf Strauß, Marie Alacoque, Don Karlos, Don Miguel, u. s. w. Wir<lb/> eilen an diesem oberflächlichsten Gerede, sowie an dem über Poly- und Monotheis¬<lb/> mus vorüber, ebenso an der kurzen „aphoristischen Uebersicht" über die<lb/> Ausbreitung des Islam in Asien, erfahren, „daß die Araber sehrwenig die Fähig¬<lb/> keit besessen, die durch den Glauben zusammengeschweißte Menschheit auch staatlich<lb/> zu beherrschen," hören mit Erstaunen S. 522 „daß alle die zahllosen Reiche, die<lb/> bis zum XIII. Jahrhundert die astatische Geschichte erfüllen" — „mehr oder minder<lb/> dahin strebten, das numerisch schon sehr schwach gewordene und entnervte durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
Christenthum und Heidenthum dicke Bücher zu schreiben, vgl. S. 631 —
oder „ob dieser Fetisch Religion, Freiheit oder nur ein Steinklotz ist" — welches
letztere Naturprodukt wir bei dieser Gelegenheit zuerst kennen lernen.
Mit S. 419 beginnt das Mittelalter, aus welchem H. v. H. nur
fürs erste, bis S. 685. nicht wieder herauskommt. Welchen Theil des Mittel¬
alters oder des von ihm entdeckten „Vormittelalters" er meint, ist nur sehr
selten deutlich. da er von Chronologie gar keinen Begriff zu haben scheint:
klassisch hierfür ist Anm. 6 auf S. 592: „Auch das reinigende B«den
war im Mittelalter sehr üblich." Dasselbe Mittelalter, in welchem das
reinigende Baden so üblich war, war S. 616 auch „noch nicht in den Fehler ver¬
fallen, abstrakte Begriffe aufzustellen, wie Humanität, Menschenwürde:" unter
dem vielen Schönen, was auf 300 Seiten über diese interessante Periode gesagt
ist, möchten wir S. 615 den Preis zuerkennen, wo gesagt wird: „So ist
denn Alles und Jedes im Mittelalter, was den Tadel der Jetztzeit erfährt,
die Folge geringeren Wissens, kurzweg Unwissenheit genannt." Von diesen
Folgen geringeren Wissens, kurzweg Unwissenheit genannt, geben wir noch
ein paar Beispiele, da die Recensenten sich in diese mittelalterliche Wild¬
nis; offenbar nicht hineingewagt haben. S. 487: „Sowie neben Christus der
größere Paulus, neben Luther der größere Melanchthon auftauchte — so
erscheint neben Muhamed gewissermaßen der größere Omar," von welchem
es S. 490 heißt: „trotz dieser Unabhängigkeit Omar's in seiner staatlichen
Organisation von allem früher Dagewesenen". Unabhängig von allem früher
Dagewesenen ist sicher auch S. 504 „Dank seiner leichteren, Absorptions¬
fähigkeit wurde indeß der Germane von den südlichen gesitteteren
Nationenaufgeschlürft, der zähe Araber nicht, oder wenigstens erst nach
viel längerer Zeit," und S. 511, wo von irgend einem arabischen Weisen gesagt
ist, daß er versucht habe zu beweisen, „daß Niemand ein großer Mystiker sein
kann, ohne dem Laster der griechischen Liebe zu fröhnen" — „er mag Recht
haben." setzt H. v. H., der nicht weiß, was ein Mystiker ist, hinzu. Bei Gelegen¬
heit des „Islams in Spanien und Afrika" kommt das Buch, das überhaupt
von der Ceder auf Libanon bis zum Mop der aus der Wand wächst, über Alles,
nur nicht über das, was man gewöhnlich unter Culturgeschichte versteht, redet,
auch auf Strauß, Marie Alacoque, Don Karlos, Don Miguel, u. s. w. Wir
eilen an diesem oberflächlichsten Gerede, sowie an dem über Poly- und Monotheis¬
mus vorüber, ebenso an der kurzen „aphoristischen Uebersicht" über die
Ausbreitung des Islam in Asien, erfahren, „daß die Araber sehrwenig die Fähig¬
keit besessen, die durch den Glauben zusammengeschweißte Menschheit auch staatlich
zu beherrschen," hören mit Erstaunen S. 522 „daß alle die zahllosen Reiche, die
bis zum XIII. Jahrhundert die astatische Geschichte erfüllen" — „mehr oder minder
dahin strebten, das numerisch schon sehr schwach gewordene und entnervte durch
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |