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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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wissen wollen, empfehlen sie der massenhaften mongolischen Einwanderung
gegenüber eine weise und zeitgemäße Gesetzgebung. Es sind namentlich die
am Stillen Meere gelegenen Unionsstaaten, die sich über die demoralisirende
Einwirkung der Chineseneinwanderung beklagen. Hinsichtlich der Schul-
und Kirchenfrage, die. Dank der ultramontanen Propaganda, auch in
den Vereinigten Staaten immer mehr in den Vordergrund gedrängt wird,
verlangen die Republikaner energisch den Schutz des Freischulsystems und
fordern zu dem Ende ein neues Amendement zur Bundesverfassung, wodurch
der böse Einfluß alles religiösen Sektenwesens verhindert und unmöglich ge¬
macht werden soll; die Demokraten gehen in diesem Punkte scheinbar noch
weiter, indem sie eine vollständige Trennung der Kirche vom Staate wünschen.
Wenn man erwägt, daß die römisch-katholische Partei in der nordameri¬
kanischen Union seit längerer Zeit mit den Demokraten liebäugelt, so dürfte
die Annahme nicht ganz ungerechtfertigt sein, daß es der demokratischen
Partei mit ihrem Verlangen nach einer vollständigen Trennung von Kirche
und Staat weniger auf die Aufstellung eines freisinnigen Princips, als
auf die Gewinnung von römisch-katholischen und ultramontanen Stimmen
ankommt. Zu loben ist in der republikanischen Platform, daß sie auf Ein¬
schränkung der übermäßigen Landverschenkungen an Eisenbahngesellschaften
dringt, daß sie die Versöhnung der alten Gegensätze und des alten Haders
zwischen den Süd- und Nordstaaten angelegentlichst empfiehlt und die nati¬
onale Einheit der Union eindringlich hervorhebt. In letzterer Beziehung muß
übrigens auch rühmend erwähnt werden, daß die demokratische Partei in
ihrem Wahlmanifeste sich offen gegen alle Sondergelüste erklärt und sich da¬
mit ohne Rückhalt auf den Boden der durch die Beendigung des Secessions¬
krieges und die Unterwerfung der Südstaaten gegebenen Thatsachen stellt.
Eine recht zeitgemäße Forderung enthält endlich noch das Programm der
Demokraten in dem Verlangen, daß die in den Vereinigten Staaten herrschen¬
den, übermäßig hohen Schutzzolltarife (nahezu 4000 verschiedene Handelsartikel
sind mit mehr oder minder hohem Zolle belegt) abgemindert, resp, aufgehoben
werden möchten. Bemerkt muß allerdings hierbei werden, daß die Union
ohne Schutzzoll fürs Erste nicht wohl wird auskommen können, da die Haupt-
revenuen der Centralregierung in Zolleinnahmen bestehen. Schließlich sei
noch kurz hervorgehoben, daß beide Wahlmanifeste vielfach zu heftige gegen¬
seitige Anklagen enthalten.

Wenn in einigen deutschen Zeitschriften und Zeitungen die Bemerkung
gemacht wird, daß die durch Karl Schurz und dessen Freunde ins Leben
gerufene Reformbewegung "mit dem größten Skepticismus" aufgenom¬
men werden müsse oder daß dieselbe "gänzlich mißlungen bei", so ist da¬
durch nur der Beweis geliefert, daß die amerikanischen Parteiverhältnisse von


wissen wollen, empfehlen sie der massenhaften mongolischen Einwanderung
gegenüber eine weise und zeitgemäße Gesetzgebung. Es sind namentlich die
am Stillen Meere gelegenen Unionsstaaten, die sich über die demoralisirende
Einwirkung der Chineseneinwanderung beklagen. Hinsichtlich der Schul-
und Kirchenfrage, die. Dank der ultramontanen Propaganda, auch in
den Vereinigten Staaten immer mehr in den Vordergrund gedrängt wird,
verlangen die Republikaner energisch den Schutz des Freischulsystems und
fordern zu dem Ende ein neues Amendement zur Bundesverfassung, wodurch
der böse Einfluß alles religiösen Sektenwesens verhindert und unmöglich ge¬
macht werden soll; die Demokraten gehen in diesem Punkte scheinbar noch
weiter, indem sie eine vollständige Trennung der Kirche vom Staate wünschen.
Wenn man erwägt, daß die römisch-katholische Partei in der nordameri¬
kanischen Union seit längerer Zeit mit den Demokraten liebäugelt, so dürfte
die Annahme nicht ganz ungerechtfertigt sein, daß es der demokratischen
Partei mit ihrem Verlangen nach einer vollständigen Trennung von Kirche
und Staat weniger auf die Aufstellung eines freisinnigen Princips, als
auf die Gewinnung von römisch-katholischen und ultramontanen Stimmen
ankommt. Zu loben ist in der republikanischen Platform, daß sie auf Ein¬
schränkung der übermäßigen Landverschenkungen an Eisenbahngesellschaften
dringt, daß sie die Versöhnung der alten Gegensätze und des alten Haders
zwischen den Süd- und Nordstaaten angelegentlichst empfiehlt und die nati¬
onale Einheit der Union eindringlich hervorhebt. In letzterer Beziehung muß
übrigens auch rühmend erwähnt werden, daß die demokratische Partei in
ihrem Wahlmanifeste sich offen gegen alle Sondergelüste erklärt und sich da¬
mit ohne Rückhalt auf den Boden der durch die Beendigung des Secessions¬
krieges und die Unterwerfung der Südstaaten gegebenen Thatsachen stellt.
Eine recht zeitgemäße Forderung enthält endlich noch das Programm der
Demokraten in dem Verlangen, daß die in den Vereinigten Staaten herrschen¬
den, übermäßig hohen Schutzzolltarife (nahezu 4000 verschiedene Handelsartikel
sind mit mehr oder minder hohem Zolle belegt) abgemindert, resp, aufgehoben
werden möchten. Bemerkt muß allerdings hierbei werden, daß die Union
ohne Schutzzoll fürs Erste nicht wohl wird auskommen können, da die Haupt-
revenuen der Centralregierung in Zolleinnahmen bestehen. Schließlich sei
noch kurz hervorgehoben, daß beide Wahlmanifeste vielfach zu heftige gegen¬
seitige Anklagen enthalten.

Wenn in einigen deutschen Zeitschriften und Zeitungen die Bemerkung
gemacht wird, daß die durch Karl Schurz und dessen Freunde ins Leben
gerufene Reformbewegung „mit dem größten Skepticismus" aufgenom¬
men werden müsse oder daß dieselbe „gänzlich mißlungen bei", so ist da¬
durch nur der Beweis geliefert, daß die amerikanischen Parteiverhältnisse von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/118>, abgerufen am 20.10.2024.