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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Votum für Morton und Conkling, die bekannten Anhänger der corrupten
Grantpartei, wurde bei jeder folgenden Abstimmung geringer. Beim vierten
Ballottement stieg Bristow's Votum auf 126 und Blaine's beim sechsten
Ballottement auf 308 Stimmen. Es waren im Ganzen 736 Delegirte aus
den verschiedenen Staaten und Territorien der Union in der Nationalconvention
zu Cincinnati versammelt; die zur Nomination eines Candidaten nothwendige
Stimmenzahl war mithin 379. Beim fünften Wahlgänge fing das Votum
von Hayes an zu steigen. Der alte Gouverneur Howard von Michigan er¬
innerte daran, daß Hayes bei früheren Staatswahlen schon drei prominente
Demokraten besiegt habe: Allen G. Thurnau. George H. Pendleton und
William Allen. Wenn er dies in früherer Zeit zu Stande gebracht habe, so
würde er jetzt auch den Kampf mit einem demokratischen Prästdentschafts-
candidaten siegreich bestehen können. Mit diesen Worten warf Howard die
22 Stimmen des Staates Michigan für Hayes in die Wagschale. Beim
sechsten Ballottement erhielten Blaine, wie gesagt, 308, Hayes 113, Bri-
stow 111, Morton aber nur 83 und Conkling 81 Stimmen. Nach der Ver¬
kündigung dieses Resultates durch den Vorsitzenden der Convention, Herrn
Edward Me. Pherson von Pennsylvanien, entstand eine gewaltige Aufregung
unter den Delegirten. Die verschiedensten Muthmaßungen und Gerüchte
durchschwirrten die Luft. Donald Cameron, der Führer der 38 Stimmen
starken Delegation von Pennsylvanien, fühlte sich durch die übereifriger Freunde
Blaine's und deren unkluge Taktik schwer verletzt; Herr Dana von Massa¬
chusetts erklärte, Blaine würde bei der Präsidentenwahl im November die
Majorität der Stimmen dieses Staates nicht erhalten; ähnlich äußerten sich
die Vertreter des Staates New-Uork. Von verschiedenen Seiten wurde auch
behauptet, daß die Partei der unabhängigen Reformfreunde unter
keiner Bedingung für Blaine stimmen würden, und so geschah es schließlich,
daß. nachdem die Namen von Bristow und Morton von der Liste der Candi¬
daten zurückgezogen waren, im siebenten Wahlgänge Hayes 384, Blaine 351
und Bristow 21 Stimmen erhielten. Die Gegner von Blaine hatten sich
mithin aus Hayes als einen Compromißcandidaten geeinigt und ihn zum
Bannerträger der republikanischen Partei in der kommenden Präsidentenwahl
gemacht. Für das Amt des Viceprästdenten wurde William A. Wheeler
von New-York fast ohne alle Opposition nominirt.

Die Kunde, daß Blaine, Morton und Conkling auf der republikanischen
Nationalconvention zu Cincinnati Rutherford B. Hayes gegenüber
unterlegen seien, machte auf die Demokraten nicht gerade den erfreulichsten
Eindruck. Sie wußten wohl, daß keiner der drei erstgenannten Candidaten
im Stande gewesen wäre, das gesammte Votum der republikanischen Partei
auf sich zu vereinigen, namentlich würden die unabhängigen Reformfreunde


Votum für Morton und Conkling, die bekannten Anhänger der corrupten
Grantpartei, wurde bei jeder folgenden Abstimmung geringer. Beim vierten
Ballottement stieg Bristow's Votum auf 126 und Blaine's beim sechsten
Ballottement auf 308 Stimmen. Es waren im Ganzen 736 Delegirte aus
den verschiedenen Staaten und Territorien der Union in der Nationalconvention
zu Cincinnati versammelt; die zur Nomination eines Candidaten nothwendige
Stimmenzahl war mithin 379. Beim fünften Wahlgänge fing das Votum
von Hayes an zu steigen. Der alte Gouverneur Howard von Michigan er¬
innerte daran, daß Hayes bei früheren Staatswahlen schon drei prominente
Demokraten besiegt habe: Allen G. Thurnau. George H. Pendleton und
William Allen. Wenn er dies in früherer Zeit zu Stande gebracht habe, so
würde er jetzt auch den Kampf mit einem demokratischen Prästdentschafts-
candidaten siegreich bestehen können. Mit diesen Worten warf Howard die
22 Stimmen des Staates Michigan für Hayes in die Wagschale. Beim
sechsten Ballottement erhielten Blaine, wie gesagt, 308, Hayes 113, Bri-
stow 111, Morton aber nur 83 und Conkling 81 Stimmen. Nach der Ver¬
kündigung dieses Resultates durch den Vorsitzenden der Convention, Herrn
Edward Me. Pherson von Pennsylvanien, entstand eine gewaltige Aufregung
unter den Delegirten. Die verschiedensten Muthmaßungen und Gerüchte
durchschwirrten die Luft. Donald Cameron, der Führer der 38 Stimmen
starken Delegation von Pennsylvanien, fühlte sich durch die übereifriger Freunde
Blaine's und deren unkluge Taktik schwer verletzt; Herr Dana von Massa¬
chusetts erklärte, Blaine würde bei der Präsidentenwahl im November die
Majorität der Stimmen dieses Staates nicht erhalten; ähnlich äußerten sich
die Vertreter des Staates New-Uork. Von verschiedenen Seiten wurde auch
behauptet, daß die Partei der unabhängigen Reformfreunde unter
keiner Bedingung für Blaine stimmen würden, und so geschah es schließlich,
daß. nachdem die Namen von Bristow und Morton von der Liste der Candi¬
daten zurückgezogen waren, im siebenten Wahlgänge Hayes 384, Blaine 351
und Bristow 21 Stimmen erhielten. Die Gegner von Blaine hatten sich
mithin aus Hayes als einen Compromißcandidaten geeinigt und ihn zum
Bannerträger der republikanischen Partei in der kommenden Präsidentenwahl
gemacht. Für das Amt des Viceprästdenten wurde William A. Wheeler
von New-York fast ohne alle Opposition nominirt.

Die Kunde, daß Blaine, Morton und Conkling auf der republikanischen
Nationalconvention zu Cincinnati Rutherford B. Hayes gegenüber
unterlegen seien, machte auf die Demokraten nicht gerade den erfreulichsten
Eindruck. Sie wußten wohl, daß keiner der drei erstgenannten Candidaten
im Stande gewesen wäre, das gesammte Votum der republikanischen Partei
auf sich zu vereinigen, namentlich würden die unabhängigen Reformfreunde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/115>, abgerufen am 27.09.2024.