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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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am Ende die Summe von 1 Million Thlr. für eine Bodenfläche von 122,000
Morgen, welche aus den Sümpfen gehoben wurden, nicht zu groß. Bis zum
Jahre 1785 wurden dort 95 Colonien gegründet.

Unser Buch zählt noch eine Reihe von geringeren Meliorationen auf,
so u. a. die an der Dosfe, an der Nuthe, an der Leba in Pommern,
nach der Erwerbung Westpreußens auch an der Netze, sowie am Drömling
in der Altmark. Fast überall ist die Anregung vom Könige selbst ausge¬
gangen, er wird nicht müde, immer wieder Geld anzuweisen, seine Minister
anzuspornen. Ja diese sind ihm zu zaghaft. Gelegentlich des Drömling
schreibt er dem Minister v. Werber, der einen etwas vorsichtigen Plan auf¬
gestellt hat: "Nein, ich muß ihm darüber in Berlin sprechen.
Der Drömling muß Künstigjahr 100,000 Thlr. und die Bude.
ner 50,000 Thlr. Kosten." Er verhehlt sich dabei nicht, daß sein Land in
Bezug auf die Ertragsfähigkeit hinter anderen Ländern weit zurückstehe; schreibt
er doch an Voltaire 1776:,, ich gestehe zu, daß Libyen ausgenommen, wenige
Staaten sich rühmen können es uns an Sand gleich zu thun. Ich weiß wohl,
daß die Menschen nicht im Stande sind die Natur umzuändern; aber mich dünkt,
durch vielen Fleiß und viele Arbeit bringt man es doch dazu, daß ein
dürrer Boden besser und wenigstens mittelmäßig werde. Damit müssen wir
uns denn begnügen." Was aber so wohlthuenden Eindruck bei dieser ganzen
Thätigkeit macht, das ist das hausväterliche Wohlwollen, die Sorge um das
Unscheinbare und Geringe, wovon jede Zeile, die er schreibt, Zeugniß giebt.
Pröhle hat in den Feldgarben die Erzählung von einer Besichtigungsreise
des Königs in der Ruppiner Gegend veröffentlicht, welche er in den Gleim-
schen Papieren gesunden zu haben scheint. Da sitzt der alte Herr in dem
Wagen, neben demselben reiten die Domänenpächter und der Oberförster
Fromm, die über jedes Kornfeld Auskunft geben müssen, mit denen er sich
über die Kirchthürme streitet, die er nach Personen wie nach dem Mehstande
ausfragt. Man erstaunt über das außerordentliche Gedächtniß des Monarchen,
freut sich aber noch mehr über die Herzensgüte, ja die liebenswürdige Weich¬
heit, die ihn an jedem Einzelnen theilnehmen läßt, wenn er auch kurz und
barsch fragt und schneidend antwortet. Man findet denselben Zug des
Interesses für die kleinen Leute in vielen Cireularverfügungen und Instruk¬
tionen wieder, die schon Preuß mitgetheilt hat. "Der geringste Bauer, ja
der Bettler ist ebenso wohl ein Mensch, wie S. Majestät, und es muß ihm
alle Justitz widerfahren. Vor der Justltz ist der Prinz dem Bauer gleich."

Ganz folgerecht fügt sich zu dieser Darstellung eine Auseinandersetzung
über das, was der König für die Umgestaltung der gutsherrltch-bäuerlichen
Institutionen that. Er ist in Wahrheit dadurch, daß er hier wenigstens eine
Beseitigung der Abhängigkeit der Bauern ins Leben zu rufen versuchte, daß


am Ende die Summe von 1 Million Thlr. für eine Bodenfläche von 122,000
Morgen, welche aus den Sümpfen gehoben wurden, nicht zu groß. Bis zum
Jahre 1785 wurden dort 95 Colonien gegründet.

Unser Buch zählt noch eine Reihe von geringeren Meliorationen auf,
so u. a. die an der Dosfe, an der Nuthe, an der Leba in Pommern,
nach der Erwerbung Westpreußens auch an der Netze, sowie am Drömling
in der Altmark. Fast überall ist die Anregung vom Könige selbst ausge¬
gangen, er wird nicht müde, immer wieder Geld anzuweisen, seine Minister
anzuspornen. Ja diese sind ihm zu zaghaft. Gelegentlich des Drömling
schreibt er dem Minister v. Werber, der einen etwas vorsichtigen Plan auf¬
gestellt hat: „Nein, ich muß ihm darüber in Berlin sprechen.
Der Drömling muß Künstigjahr 100,000 Thlr. und die Bude.
ner 50,000 Thlr. Kosten." Er verhehlt sich dabei nicht, daß sein Land in
Bezug auf die Ertragsfähigkeit hinter anderen Ländern weit zurückstehe; schreibt
er doch an Voltaire 1776:,, ich gestehe zu, daß Libyen ausgenommen, wenige
Staaten sich rühmen können es uns an Sand gleich zu thun. Ich weiß wohl,
daß die Menschen nicht im Stande sind die Natur umzuändern; aber mich dünkt,
durch vielen Fleiß und viele Arbeit bringt man es doch dazu, daß ein
dürrer Boden besser und wenigstens mittelmäßig werde. Damit müssen wir
uns denn begnügen." Was aber so wohlthuenden Eindruck bei dieser ganzen
Thätigkeit macht, das ist das hausväterliche Wohlwollen, die Sorge um das
Unscheinbare und Geringe, wovon jede Zeile, die er schreibt, Zeugniß giebt.
Pröhle hat in den Feldgarben die Erzählung von einer Besichtigungsreise
des Königs in der Ruppiner Gegend veröffentlicht, welche er in den Gleim-
schen Papieren gesunden zu haben scheint. Da sitzt der alte Herr in dem
Wagen, neben demselben reiten die Domänenpächter und der Oberförster
Fromm, die über jedes Kornfeld Auskunft geben müssen, mit denen er sich
über die Kirchthürme streitet, die er nach Personen wie nach dem Mehstande
ausfragt. Man erstaunt über das außerordentliche Gedächtniß des Monarchen,
freut sich aber noch mehr über die Herzensgüte, ja die liebenswürdige Weich¬
heit, die ihn an jedem Einzelnen theilnehmen läßt, wenn er auch kurz und
barsch fragt und schneidend antwortet. Man findet denselben Zug des
Interesses für die kleinen Leute in vielen Cireularverfügungen und Instruk¬
tionen wieder, die schon Preuß mitgetheilt hat. „Der geringste Bauer, ja
der Bettler ist ebenso wohl ein Mensch, wie S. Majestät, und es muß ihm
alle Justitz widerfahren. Vor der Justltz ist der Prinz dem Bauer gleich."

Ganz folgerecht fügt sich zu dieser Darstellung eine Auseinandersetzung
über das, was der König für die Umgestaltung der gutsherrltch-bäuerlichen
Institutionen that. Er ist in Wahrheit dadurch, daß er hier wenigstens eine
Beseitigung der Abhängigkeit der Bauern ins Leben zu rufen versuchte, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/102>, abgerufen am 27.09.2024.