Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er vorzüglich auf Höhen und durch Menschenopfer verehrt worden ist.
Was darüber hinausgeht, ist nichts als Hypothese.

Den stärksten Beweis gegen die Echtheit der Thonwaaren liefert die Prü¬
fung der paläographischen Voraussetzungen, auf die jene sich stützt. Kautsch
beantwortet hier die Fragen: Wie steht es mit dem oder den Alphabeten, die
bei den Inschriften auf den Figuren und Gerathen verwendet worden sind?
Wie steht es mit dem paläographischen Befund hinsichtlich der einzelnen Buch¬
staben? -- Wie steht es mit der Möglichkeit der Entzifferung und den schon
vorliegenden Versuchen dieser Art? Die Antwort auf die erste Frage lautet
kurz gesaßt: die Inschriften zeigen vorwiegend das Alphabet des Mesasteins,
aber in so nachlässiger Ausführung, wie es auf diesem nicht vorkommt.
Manche Buchstaben sind bald nach der linken, bald nach der rechten Seite ge¬
wandt, andere stehen auf dem Kopfe, einmal begegnen wir sogar einer durch¬
gängigen Umkehrung der ganzen Inschrift. Endlich finden sich dazwischen
Zeichen, die sonst nirgends existiren, also reine Phantasiebuchstaben sind.
Daneben treffen wir Inschriften, die in andern Charakteren abgefaßt sind,
nämlich in solchen, die an nabatäische (einst im alten Petra üblich), und sol¬
chen, die an himjaritische (südarabtsche) erinnern. Dieselben leiden an dem¬
selben Mangel wie jene, die Buchstaben sind auch hier ein krauses Gemisch
von Seltsamkeiten und Unbegreiflichkeiten. Die zweite Frage endet in ihrer
Erörterung mit dem Resultat: Der Verfertiger der Inschriften hat von der
Sprache, um die es sich handelt, nichts gewußt; denn er hat gewisse Buch¬
staben viel seltener, andere viel häufiger gebraucht, als es in den semitischen
Dialekten Regel ist, von denen wir hier einen vor uns haben müßten. Der
Buchstabe Beth, der sonst gerade auf Inschriften häufig vorkommt, da er zu
dem Ben (Sohn) oder Bath (Tochter) vor Eigennamen gehört und in der
Präposition be (in) steht, fehlt beinahe ganz. Dagegen wimmeln die In¬
schriften förmlich von Kehllauten. Es kann nicht Zufall, es muß die Un¬
wissenheit eines Fälschers sein, "wenn in angeblich semitischen Inschriften unter
1443 Consonanten nahezu ein Drittel in die Gruppe der Gutturalen gehört,
welche im Alten Testamente mit 16,41"/<> vertreten sind. Hier handelt es
sich nicht mehr um einen täuschenden Schein des Zufalls, sondern um den
schlagenden Beweis einer Thatsache, der Thatsache nämlich, daß sich der Fälscher
nothwendig auf einem Gebiete verrathen mußte, wo ihm der Gedanke nicht leicht
kommen konnte, sich durch schlaue Manipulationen vor dem Erweis der Un-
echtheit zu schützen. Während er seiner Vorliebe für die schönen Ringe des
Ajtn und für die charakteristischen Formen des Chet He Aleph freien Lauf
ließ, dachte er nicht im Entferntesten an die Möglichkeit, daß hinterher jemand
diese schönen Ringe zählen, und die Anbringung derselben mit 6,99°/<> gegen
2,47 im Alten Testament gar zu verschwenderisch finden möchte." Die dritte


Grenzboten II. 187K. 12

daß er vorzüglich auf Höhen und durch Menschenopfer verehrt worden ist.
Was darüber hinausgeht, ist nichts als Hypothese.

Den stärksten Beweis gegen die Echtheit der Thonwaaren liefert die Prü¬
fung der paläographischen Voraussetzungen, auf die jene sich stützt. Kautsch
beantwortet hier die Fragen: Wie steht es mit dem oder den Alphabeten, die
bei den Inschriften auf den Figuren und Gerathen verwendet worden sind?
Wie steht es mit dem paläographischen Befund hinsichtlich der einzelnen Buch¬
staben? — Wie steht es mit der Möglichkeit der Entzifferung und den schon
vorliegenden Versuchen dieser Art? Die Antwort auf die erste Frage lautet
kurz gesaßt: die Inschriften zeigen vorwiegend das Alphabet des Mesasteins,
aber in so nachlässiger Ausführung, wie es auf diesem nicht vorkommt.
Manche Buchstaben sind bald nach der linken, bald nach der rechten Seite ge¬
wandt, andere stehen auf dem Kopfe, einmal begegnen wir sogar einer durch¬
gängigen Umkehrung der ganzen Inschrift. Endlich finden sich dazwischen
Zeichen, die sonst nirgends existiren, also reine Phantasiebuchstaben sind.
Daneben treffen wir Inschriften, die in andern Charakteren abgefaßt sind,
nämlich in solchen, die an nabatäische (einst im alten Petra üblich), und sol¬
chen, die an himjaritische (südarabtsche) erinnern. Dieselben leiden an dem¬
selben Mangel wie jene, die Buchstaben sind auch hier ein krauses Gemisch
von Seltsamkeiten und Unbegreiflichkeiten. Die zweite Frage endet in ihrer
Erörterung mit dem Resultat: Der Verfertiger der Inschriften hat von der
Sprache, um die es sich handelt, nichts gewußt; denn er hat gewisse Buch¬
staben viel seltener, andere viel häufiger gebraucht, als es in den semitischen
Dialekten Regel ist, von denen wir hier einen vor uns haben müßten. Der
Buchstabe Beth, der sonst gerade auf Inschriften häufig vorkommt, da er zu
dem Ben (Sohn) oder Bath (Tochter) vor Eigennamen gehört und in der
Präposition be (in) steht, fehlt beinahe ganz. Dagegen wimmeln die In¬
schriften förmlich von Kehllauten. Es kann nicht Zufall, es muß die Un¬
wissenheit eines Fälschers sein, „wenn in angeblich semitischen Inschriften unter
1443 Consonanten nahezu ein Drittel in die Gruppe der Gutturalen gehört,
welche im Alten Testamente mit 16,41"/<> vertreten sind. Hier handelt es
sich nicht mehr um einen täuschenden Schein des Zufalls, sondern um den
schlagenden Beweis einer Thatsache, der Thatsache nämlich, daß sich der Fälscher
nothwendig auf einem Gebiete verrathen mußte, wo ihm der Gedanke nicht leicht
kommen konnte, sich durch schlaue Manipulationen vor dem Erweis der Un-
echtheit zu schützen. Während er seiner Vorliebe für die schönen Ringe des
Ajtn und für die charakteristischen Formen des Chet He Aleph freien Lauf
ließ, dachte er nicht im Entferntesten an die Möglichkeit, daß hinterher jemand
diese schönen Ringe zählen, und die Anbringung derselben mit 6,99°/<> gegen
2,47 im Alten Testament gar zu verschwenderisch finden möchte." Die dritte


Grenzboten II. 187K. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135674"/>
          <p xml:id="ID_350" prev="#ID_349"> daß er vorzüglich auf Höhen und durch Menschenopfer verehrt worden ist.<lb/>
Was darüber hinausgeht, ist nichts als Hypothese.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_351" next="#ID_352"> Den stärksten Beweis gegen die Echtheit der Thonwaaren liefert die Prü¬<lb/>
fung der paläographischen Voraussetzungen, auf die jene sich stützt. Kautsch<lb/>
beantwortet hier die Fragen: Wie steht es mit dem oder den Alphabeten, die<lb/>
bei den Inschriften auf den Figuren und Gerathen verwendet worden sind?<lb/>
Wie steht es mit dem paläographischen Befund hinsichtlich der einzelnen Buch¬<lb/>
staben? &#x2014; Wie steht es mit der Möglichkeit der Entzifferung und den schon<lb/>
vorliegenden Versuchen dieser Art? Die Antwort auf die erste Frage lautet<lb/>
kurz gesaßt: die Inschriften zeigen vorwiegend das Alphabet des Mesasteins,<lb/>
aber in so nachlässiger Ausführung, wie es auf diesem nicht vorkommt.<lb/>
Manche Buchstaben sind bald nach der linken, bald nach der rechten Seite ge¬<lb/>
wandt, andere stehen auf dem Kopfe, einmal begegnen wir sogar einer durch¬<lb/>
gängigen Umkehrung der ganzen Inschrift. Endlich finden sich dazwischen<lb/>
Zeichen, die sonst nirgends existiren, also reine Phantasiebuchstaben sind.<lb/>
Daneben treffen wir Inschriften, die in andern Charakteren abgefaßt sind,<lb/>
nämlich in solchen, die an nabatäische (einst im alten Petra üblich), und sol¬<lb/>
chen, die an himjaritische (südarabtsche) erinnern. Dieselben leiden an dem¬<lb/>
selben Mangel wie jene, die Buchstaben sind auch hier ein krauses Gemisch<lb/>
von Seltsamkeiten und Unbegreiflichkeiten. Die zweite Frage endet in ihrer<lb/>
Erörterung mit dem Resultat: Der Verfertiger der Inschriften hat von der<lb/>
Sprache, um die es sich handelt, nichts gewußt; denn er hat gewisse Buch¬<lb/>
staben viel seltener, andere viel häufiger gebraucht, als es in den semitischen<lb/>
Dialekten Regel ist, von denen wir hier einen vor uns haben müßten. Der<lb/>
Buchstabe Beth, der sonst gerade auf Inschriften häufig vorkommt, da er zu<lb/>
dem Ben (Sohn) oder Bath (Tochter) vor Eigennamen gehört und in der<lb/>
Präposition be (in) steht, fehlt beinahe ganz. Dagegen wimmeln die In¬<lb/>
schriften förmlich von Kehllauten. Es kann nicht Zufall, es muß die Un¬<lb/>
wissenheit eines Fälschers sein, &#x201E;wenn in angeblich semitischen Inschriften unter<lb/>
1443 Consonanten nahezu ein Drittel in die Gruppe der Gutturalen gehört,<lb/>
welche im Alten Testamente mit 16,41"/&lt;&gt; vertreten sind. Hier handelt es<lb/>
sich nicht mehr um einen täuschenden Schein des Zufalls, sondern um den<lb/>
schlagenden Beweis einer Thatsache, der Thatsache nämlich, daß sich der Fälscher<lb/>
nothwendig auf einem Gebiete verrathen mußte, wo ihm der Gedanke nicht leicht<lb/>
kommen konnte, sich durch schlaue Manipulationen vor dem Erweis der Un-<lb/>
echtheit zu schützen. Während er seiner Vorliebe für die schönen Ringe des<lb/>
Ajtn und für die charakteristischen Formen des Chet He Aleph freien Lauf<lb/>
ließ, dachte er nicht im Entferntesten an die Möglichkeit, daß hinterher jemand<lb/>
diese schönen Ringe zählen, und die Anbringung derselben mit 6,99°/&lt;&gt; gegen<lb/>
2,47 im Alten Testament gar zu verschwenderisch finden möchte." Die dritte</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 187K. 12</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0093] daß er vorzüglich auf Höhen und durch Menschenopfer verehrt worden ist. Was darüber hinausgeht, ist nichts als Hypothese. Den stärksten Beweis gegen die Echtheit der Thonwaaren liefert die Prü¬ fung der paläographischen Voraussetzungen, auf die jene sich stützt. Kautsch beantwortet hier die Fragen: Wie steht es mit dem oder den Alphabeten, die bei den Inschriften auf den Figuren und Gerathen verwendet worden sind? Wie steht es mit dem paläographischen Befund hinsichtlich der einzelnen Buch¬ staben? — Wie steht es mit der Möglichkeit der Entzifferung und den schon vorliegenden Versuchen dieser Art? Die Antwort auf die erste Frage lautet kurz gesaßt: die Inschriften zeigen vorwiegend das Alphabet des Mesasteins, aber in so nachlässiger Ausführung, wie es auf diesem nicht vorkommt. Manche Buchstaben sind bald nach der linken, bald nach der rechten Seite ge¬ wandt, andere stehen auf dem Kopfe, einmal begegnen wir sogar einer durch¬ gängigen Umkehrung der ganzen Inschrift. Endlich finden sich dazwischen Zeichen, die sonst nirgends existiren, also reine Phantasiebuchstaben sind. Daneben treffen wir Inschriften, die in andern Charakteren abgefaßt sind, nämlich in solchen, die an nabatäische (einst im alten Petra üblich), und sol¬ chen, die an himjaritische (südarabtsche) erinnern. Dieselben leiden an dem¬ selben Mangel wie jene, die Buchstaben sind auch hier ein krauses Gemisch von Seltsamkeiten und Unbegreiflichkeiten. Die zweite Frage endet in ihrer Erörterung mit dem Resultat: Der Verfertiger der Inschriften hat von der Sprache, um die es sich handelt, nichts gewußt; denn er hat gewisse Buch¬ staben viel seltener, andere viel häufiger gebraucht, als es in den semitischen Dialekten Regel ist, von denen wir hier einen vor uns haben müßten. Der Buchstabe Beth, der sonst gerade auf Inschriften häufig vorkommt, da er zu dem Ben (Sohn) oder Bath (Tochter) vor Eigennamen gehört und in der Präposition be (in) steht, fehlt beinahe ganz. Dagegen wimmeln die In¬ schriften förmlich von Kehllauten. Es kann nicht Zufall, es muß die Un¬ wissenheit eines Fälschers sein, „wenn in angeblich semitischen Inschriften unter 1443 Consonanten nahezu ein Drittel in die Gruppe der Gutturalen gehört, welche im Alten Testamente mit 16,41"/<> vertreten sind. Hier handelt es sich nicht mehr um einen täuschenden Schein des Zufalls, sondern um den schlagenden Beweis einer Thatsache, der Thatsache nämlich, daß sich der Fälscher nothwendig auf einem Gebiete verrathen mußte, wo ihm der Gedanke nicht leicht kommen konnte, sich durch schlaue Manipulationen vor dem Erweis der Un- echtheit zu schützen. Während er seiner Vorliebe für die schönen Ringe des Ajtn und für die charakteristischen Formen des Chet He Aleph freien Lauf ließ, dachte er nicht im Entferntesten an die Möglichkeit, daß hinterher jemand diese schönen Ringe zählen, und die Anbringung derselben mit 6,99°/<> gegen 2,47 im Alten Testament gar zu verschwenderisch finden möchte." Die dritte Grenzboten II. 187K. 12

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/93
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/93>, abgerufen am 27.11.2024.