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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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etwa blos, was sie, etwas zu vorsichtig, wie Vielen scheinen wird, allein be¬
wiesen haben wollen, die Hinfälligkeit der bisher für die Echtheit gelieferten
Beweise, sondern die absolute, durch fernere Gründe nicht zu erschütternde Un-
echtheit der Schapira'schen Waare. Sie konnten ihrer Untersuchung zunächst
Abbildungen der in Basel befindlichen Thonsachen, dann die bisher noch nicht
in die Oeffentlichkeit gelangten Schlottmann'schen Tafeln zu Grunde legen, und
später fand Kautsch Gelegenheit, auch die berliner Originale zu prüfen. Beide
theilten sich so in die Arbeit, daß Svein sich der Prüfung der äußeren ein¬
schlägigen Momente unterzog, während Kautsch die Probe der inneren vor¬
nahm. Der Raum d. Bl. gestattet nur einen kurzen Ueberblick über den
Gedankengang und die Resultate ihres Buches.

Svein, durch mehrjährigen Aufenthalt im Orient gründlich mit den
dortigen Verhältnissen vertraut, weist nach, wie verdächtig die Herkunft der
Sachen aus Moav ist. Er zeigt, wie man vor Auffindung des Mesasteins
im heiligen Lande nichts von Alterthümern wußte, die mit Sicherheit den alten
Moabitern zuzuschreiben gewesen wären, und wie nach jener Entdeckung in
Jerusalem zunächst eine Fabrik von Steininschriften entstand und bald nachher
plötzlich und in ungeheurer Fülle moabitische Thonwaaren auftauchten. Die
Weser'schen Erpeditionen nach dem angeblichen Fundorte derselben beweisen
für deren Echtheit nicht das Geringste, da sie unter der Führung eines
Mannes unternommen wurden, der des Betruges höchst verdächtig ist, und
da die näheren Umstände, wie sie in den Reiseberichten geschildert werden, die
Möglichkeit einer Fälschung nicht ausschließen. sondern zur höchsten Wahr¬
scheinlichkeit erheben. Die Enthüllungen Ganneau's und Drake's machen bei
der Ehrenhaftigkeit dieser Männer durchweg den Eindruck, daß sie dem wahren
Sachverhalt auf der Spur sind. Die Untersuchung vor dem deutschen Consul
hat nichts als ein großartiges Lügengewebe zum Vorschein gebracht, und die
auf Aussagen der Töpfer gebauten Schlüsse sind hinfällig, da hierbei die In¬
teresselosigkeit dieser Leute vorausgesetzt wurde, die in keiner Weise erwiesen
war. --

Kautsch prüft zuerst die religionsgeschichtlichen Voraussetzungen, mit denen
die Vertheidiger der Echtheit der Moabitica ihre Behauptungen stützen. Ein
Theil der Antiken soll Götter und Göttinnen vorstellen, und Weser und
Schlottmann phantasiren Allerlei von einem moabitischen Olymp, der mit dem
phönicischen verwandt gewesen, von einer Astarte, einem Baal Peor, der durch
wollüstige Orgien verehrt worden, von einem Natur- und Geheimdienste der
Moabiter u. tgi. Dem gegenüber zeigt Kautsch in zwingender und unanfecht¬
barer Weise, daß das Alte Testament nur einen einzigen moabitischen Gott,
den Kemosch, kennt, und daß wir auch von diesem nichts weiter wissen, als


etwa blos, was sie, etwas zu vorsichtig, wie Vielen scheinen wird, allein be¬
wiesen haben wollen, die Hinfälligkeit der bisher für die Echtheit gelieferten
Beweise, sondern die absolute, durch fernere Gründe nicht zu erschütternde Un-
echtheit der Schapira'schen Waare. Sie konnten ihrer Untersuchung zunächst
Abbildungen der in Basel befindlichen Thonsachen, dann die bisher noch nicht
in die Oeffentlichkeit gelangten Schlottmann'schen Tafeln zu Grunde legen, und
später fand Kautsch Gelegenheit, auch die berliner Originale zu prüfen. Beide
theilten sich so in die Arbeit, daß Svein sich der Prüfung der äußeren ein¬
schlägigen Momente unterzog, während Kautsch die Probe der inneren vor¬
nahm. Der Raum d. Bl. gestattet nur einen kurzen Ueberblick über den
Gedankengang und die Resultate ihres Buches.

Svein, durch mehrjährigen Aufenthalt im Orient gründlich mit den
dortigen Verhältnissen vertraut, weist nach, wie verdächtig die Herkunft der
Sachen aus Moav ist. Er zeigt, wie man vor Auffindung des Mesasteins
im heiligen Lande nichts von Alterthümern wußte, die mit Sicherheit den alten
Moabitern zuzuschreiben gewesen wären, und wie nach jener Entdeckung in
Jerusalem zunächst eine Fabrik von Steininschriften entstand und bald nachher
plötzlich und in ungeheurer Fülle moabitische Thonwaaren auftauchten. Die
Weser'schen Erpeditionen nach dem angeblichen Fundorte derselben beweisen
für deren Echtheit nicht das Geringste, da sie unter der Führung eines
Mannes unternommen wurden, der des Betruges höchst verdächtig ist, und
da die näheren Umstände, wie sie in den Reiseberichten geschildert werden, die
Möglichkeit einer Fälschung nicht ausschließen. sondern zur höchsten Wahr¬
scheinlichkeit erheben. Die Enthüllungen Ganneau's und Drake's machen bei
der Ehrenhaftigkeit dieser Männer durchweg den Eindruck, daß sie dem wahren
Sachverhalt auf der Spur sind. Die Untersuchung vor dem deutschen Consul
hat nichts als ein großartiges Lügengewebe zum Vorschein gebracht, und die
auf Aussagen der Töpfer gebauten Schlüsse sind hinfällig, da hierbei die In¬
teresselosigkeit dieser Leute vorausgesetzt wurde, die in keiner Weise erwiesen
war. —

Kautsch prüft zuerst die religionsgeschichtlichen Voraussetzungen, mit denen
die Vertheidiger der Echtheit der Moabitica ihre Behauptungen stützen. Ein
Theil der Antiken soll Götter und Göttinnen vorstellen, und Weser und
Schlottmann phantasiren Allerlei von einem moabitischen Olymp, der mit dem
phönicischen verwandt gewesen, von einer Astarte, einem Baal Peor, der durch
wollüstige Orgien verehrt worden, von einem Natur- und Geheimdienste der
Moabiter u. tgi. Dem gegenüber zeigt Kautsch in zwingender und unanfecht¬
barer Weise, daß das Alte Testament nur einen einzigen moabitischen Gott,
den Kemosch, kennt, und daß wir auch von diesem nichts weiter wissen, als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/92>, abgerufen am 27.11.2024.