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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Noch einmal schien den Herren Weser und Schlottmann das Glück zu
lächeln und der Sieg zu winken. Die preußische Regierung ließ infolge der
Ganneau'schen Mittheilungen die Sache durch das deutsche Consulat in Je¬
rusalem untersuchen, und siehe da, die Verhöre der Töpfer des Franzosen
fielen gegen diesen aus. Die Leute traten auf die Hinterbeine und wollten,
was ihre Naivetät früher freiwillig ausgeplaudert, entweder gar nicht gesagt
haben oder zu ihren damaligen Aeußerungen durch Drohungen bewogen
worden sein. Selim el Gari war, so schien es nach diesen Verhören, nicht
der Verfertiger der fraglichen Antiquitäten, Schapira war erst recht unschuldig,
Herr Weser rieb sich vergnügt die Hände, und die moabitischen Götzen grinsten
und schmunzelten wie nie, daß sie nun doch echt sein sollten. Die Zweifler
waren aber auch damit nicht befriedigt und bekehrt; denn einmal hatten sie
ihre innern Gründe, bei ihrer Ansicht zu verharren, und dann meinten sie,
die Methode, mit der die Untersuchung geführt worden, lasse zu wünschen
übrig, sie habe das Ding nicht beim rechten Ende angefaßt, und es habe
ihr namentlich an genügender Kenntniß des Charakters der Araber im All¬
gemeinen, dagegen nicht an falschen Annahmen in Betreff der beiden Haupt¬
zeugen gefehlt.

So standen die Sachen vor einigen Wochen. Für die Echtheit der Moa-
bitica waren, soweit man sehen konnte, nur vier Gelehrte von Fach: Weser,
Schlottmann (früher Gesandtschaftsprediger in Konstantinopel), der alte
wunderliche Hitzig in Heidelberg, ein Vater der allerseltsamsten Hypothesen,
und der junge Professor Loth in Leipzig, der früher ein vorzügliches Buch
über Ihr Sa'd geschrieben, und dessen Enthusiasmus für den "Plunder"
Schapira's deshalb von der Gegenpartei lebhaft bedauert wurde. Von
Fleischer's Gutachten wußte man noch nichts, und der Professor und Pastor
Koch in Schaffhausen, der in den letzten Tagen mit einigen Reserven den
genannten Herren beigetreten ist, befand sich damals noch in Jerusalem.
Man bemerke, daß drei von den Genannten Pastoren sind oder waren, und
man wolle sich erinnern, daß Pastorale Kritik nicht immer die schärfste ist.
Gegen die Echtheit waren wieder, soweit man sehen konnte, alle übrigen Ge¬
lehrten Deutschlands und des Auslandes, auf deren Urtheil etwas zu geben
war, darunter vor Allem Rottele in Straßburg, einer unsrer ersten Kenner
semitischer Sprachen und Alterthümer.

Eine in die Einzelheiren eingehende Kritik war aus dem oben angeführ¬
ten Grunde bisher noch nicht erschienen. Jetzt aber traten zwei jüngere Ge¬
lehrte, die Herren Kautsch und Svein, beide in Basel, mit einer solchen auf*)
und bewiesen mit einer Gründlichkeit, die wenig zu wünschen übrig ließ, nicht



*) Die Aechtheit der moabitischen Alterthümer geprüft von Prof. E. Kautsch und Prof.
A. Svein. Straßburg. Verlag von K. I. Trübner, 1876.

Noch einmal schien den Herren Weser und Schlottmann das Glück zu
lächeln und der Sieg zu winken. Die preußische Regierung ließ infolge der
Ganneau'schen Mittheilungen die Sache durch das deutsche Consulat in Je¬
rusalem untersuchen, und siehe da, die Verhöre der Töpfer des Franzosen
fielen gegen diesen aus. Die Leute traten auf die Hinterbeine und wollten,
was ihre Naivetät früher freiwillig ausgeplaudert, entweder gar nicht gesagt
haben oder zu ihren damaligen Aeußerungen durch Drohungen bewogen
worden sein. Selim el Gari war, so schien es nach diesen Verhören, nicht
der Verfertiger der fraglichen Antiquitäten, Schapira war erst recht unschuldig,
Herr Weser rieb sich vergnügt die Hände, und die moabitischen Götzen grinsten
und schmunzelten wie nie, daß sie nun doch echt sein sollten. Die Zweifler
waren aber auch damit nicht befriedigt und bekehrt; denn einmal hatten sie
ihre innern Gründe, bei ihrer Ansicht zu verharren, und dann meinten sie,
die Methode, mit der die Untersuchung geführt worden, lasse zu wünschen
übrig, sie habe das Ding nicht beim rechten Ende angefaßt, und es habe
ihr namentlich an genügender Kenntniß des Charakters der Araber im All¬
gemeinen, dagegen nicht an falschen Annahmen in Betreff der beiden Haupt¬
zeugen gefehlt.

So standen die Sachen vor einigen Wochen. Für die Echtheit der Moa-
bitica waren, soweit man sehen konnte, nur vier Gelehrte von Fach: Weser,
Schlottmann (früher Gesandtschaftsprediger in Konstantinopel), der alte
wunderliche Hitzig in Heidelberg, ein Vater der allerseltsamsten Hypothesen,
und der junge Professor Loth in Leipzig, der früher ein vorzügliches Buch
über Ihr Sa'd geschrieben, und dessen Enthusiasmus für den „Plunder"
Schapira's deshalb von der Gegenpartei lebhaft bedauert wurde. Von
Fleischer's Gutachten wußte man noch nichts, und der Professor und Pastor
Koch in Schaffhausen, der in den letzten Tagen mit einigen Reserven den
genannten Herren beigetreten ist, befand sich damals noch in Jerusalem.
Man bemerke, daß drei von den Genannten Pastoren sind oder waren, und
man wolle sich erinnern, daß Pastorale Kritik nicht immer die schärfste ist.
Gegen die Echtheit waren wieder, soweit man sehen konnte, alle übrigen Ge¬
lehrten Deutschlands und des Auslandes, auf deren Urtheil etwas zu geben
war, darunter vor Allem Rottele in Straßburg, einer unsrer ersten Kenner
semitischer Sprachen und Alterthümer.

Eine in die Einzelheiren eingehende Kritik war aus dem oben angeführ¬
ten Grunde bisher noch nicht erschienen. Jetzt aber traten zwei jüngere Ge¬
lehrte, die Herren Kautsch und Svein, beide in Basel, mit einer solchen auf*)
und bewiesen mit einer Gründlichkeit, die wenig zu wünschen übrig ließ, nicht



*) Die Aechtheit der moabitischen Alterthümer geprüft von Prof. E. Kautsch und Prof.
A. Svein. Straßburg. Verlag von K. I. Trübner, 1876.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/91>, abgerufen am 27.11.2024.