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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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wurden. Sachkenner erkannten auf den Inschriften derselben auch deutlich die
Buchstaben des Mesastetnes, aber, während diese hier in ihrer Gruppirung
einen guten Sinn gaben, waren ihre Gruppen dort nicht zu enträthseln, und
man wurde somit zu der Annahme gedrängt, daß sie das Werk eines Fälschers
seien, der wohl die Form der moabitischen schriftlichen, nicht aber deren
Bedeutung gekannt habe. Diese Vermuthung erhielt Nahrung durch Gerüchte,
nach welchen in Jerusalem überhaupt die Fabrikation angeblicher Alterthümer
betrieben wurde, und sie wurde nicht entkräftet, als Schlottmann weitere
Fündlinge anzeigte; denn dieselben trugen den gleichen Mangel an sich wie
die ersten. Allerdings kam dem Vertheidiger der Echtheit jener Antiquitäten,
deren sich inzwischen im Laden des Buch - und Raritätenhändlers Schapira
gegen tausend Stück angesammelt hatten, in Gestalt eines geistlichen Mit¬
bürgers des letzteren anscheinend starke Hülfe. Der evangelische Pfarrer Weser
in Jerusalem erklärte, selbst in Moab gewesen zu sein und mit eignen Augen
gesehen zu haben, wie man Alterthümer der in Rede stehenden Gattung aus¬
gegraben habe, und fügte hinzu, daß heutzutage kein Töpfer im heiligen Lande
Dinge der Art anzufertigen vermöge. Aber wer im Orient gereist war,
wußte, wie leicht unerfahrene Franken von Arabern und Griechen hinters
Licht zu führen sind, der Weser'sche Reisebericht zeigte, näher besehen, daß der
Verfasser desselben die zum Geprelltwerden erforderliche Harmlosigkeit in un¬
gewöhnlichem Grade besaß, und die Behauptung von dem Ungeschick der
Töpfer Palästinas wurde von Leuten, die länger als Herr Weser dort gelebt
hatten, in Abrede gestellt. Die Zweifler ließen sich also durch diesen Succurs
nicht irre machen. Einige begnügten sich mit Kopfschütteln, andere -- ich
nenne Wetzstein, einen der besten Kenner der Menschen und Verhältnisse im
westlichen Morgenlande -- sprachen laut und unverblümt ihren Unglauben
aus. Wer bisher unentschieden geschwankt hatte, mußte sich aus diese Seite
gedrängt fühlen, als Professor Svein in Basel nachwies, daß jener Scha¬
pira -- beiläufig ein getaufter Jude -- mit gefälschten Inschriften andrer
Art handelte.

Herr Schlottmann blieb trotzdem seiner Sache sicher. Er wußte zu be¬
wirken, daß die deutsche morgenländische Gesellschaft Abbildungen der Scha-
pira'schen Moabitica auf ihre Kosten veröffentlichte, als ob deren Echtheit un¬
zweifelhaft feststünde, und er vermittelte den Ankauf eines Theils der Ori¬
ginale für -- das berliner Museum? -- Nach dem "Reichsanzeiger" scheint
es nicht so. Die General-Verwaltung erklärt hier, daß eine "Einverleibung"
der moabitischen Alterthümer in das königliche Museum "niemals stattgefunden
hat", und daß dieselben "von Anfang an durch sie und die ihr zur Seite
stehende technische Commission als verdächtig zurückgewiesen worden sind".
Gut denn, also keine Einverleibung; im Gegentheil "von Anfang an" --


wurden. Sachkenner erkannten auf den Inschriften derselben auch deutlich die
Buchstaben des Mesastetnes, aber, während diese hier in ihrer Gruppirung
einen guten Sinn gaben, waren ihre Gruppen dort nicht zu enträthseln, und
man wurde somit zu der Annahme gedrängt, daß sie das Werk eines Fälschers
seien, der wohl die Form der moabitischen schriftlichen, nicht aber deren
Bedeutung gekannt habe. Diese Vermuthung erhielt Nahrung durch Gerüchte,
nach welchen in Jerusalem überhaupt die Fabrikation angeblicher Alterthümer
betrieben wurde, und sie wurde nicht entkräftet, als Schlottmann weitere
Fündlinge anzeigte; denn dieselben trugen den gleichen Mangel an sich wie
die ersten. Allerdings kam dem Vertheidiger der Echtheit jener Antiquitäten,
deren sich inzwischen im Laden des Buch - und Raritätenhändlers Schapira
gegen tausend Stück angesammelt hatten, in Gestalt eines geistlichen Mit¬
bürgers des letzteren anscheinend starke Hülfe. Der evangelische Pfarrer Weser
in Jerusalem erklärte, selbst in Moab gewesen zu sein und mit eignen Augen
gesehen zu haben, wie man Alterthümer der in Rede stehenden Gattung aus¬
gegraben habe, und fügte hinzu, daß heutzutage kein Töpfer im heiligen Lande
Dinge der Art anzufertigen vermöge. Aber wer im Orient gereist war,
wußte, wie leicht unerfahrene Franken von Arabern und Griechen hinters
Licht zu führen sind, der Weser'sche Reisebericht zeigte, näher besehen, daß der
Verfasser desselben die zum Geprelltwerden erforderliche Harmlosigkeit in un¬
gewöhnlichem Grade besaß, und die Behauptung von dem Ungeschick der
Töpfer Palästinas wurde von Leuten, die länger als Herr Weser dort gelebt
hatten, in Abrede gestellt. Die Zweifler ließen sich also durch diesen Succurs
nicht irre machen. Einige begnügten sich mit Kopfschütteln, andere — ich
nenne Wetzstein, einen der besten Kenner der Menschen und Verhältnisse im
westlichen Morgenlande — sprachen laut und unverblümt ihren Unglauben
aus. Wer bisher unentschieden geschwankt hatte, mußte sich aus diese Seite
gedrängt fühlen, als Professor Svein in Basel nachwies, daß jener Scha¬
pira — beiläufig ein getaufter Jude — mit gefälschten Inschriften andrer
Art handelte.

Herr Schlottmann blieb trotzdem seiner Sache sicher. Er wußte zu be¬
wirken, daß die deutsche morgenländische Gesellschaft Abbildungen der Scha-
pira'schen Moabitica auf ihre Kosten veröffentlichte, als ob deren Echtheit un¬
zweifelhaft feststünde, und er vermittelte den Ankauf eines Theils der Ori¬
ginale für — das berliner Museum? — Nach dem „Reichsanzeiger" scheint
es nicht so. Die General-Verwaltung erklärt hier, daß eine „Einverleibung"
der moabitischen Alterthümer in das königliche Museum „niemals stattgefunden
hat", und daß dieselben „von Anfang an durch sie und die ihr zur Seite
stehende technische Commission als verdächtig zurückgewiesen worden sind".
Gut denn, also keine Einverleibung; im Gegentheil „von Anfang an" —


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[0088] wurden. Sachkenner erkannten auf den Inschriften derselben auch deutlich die Buchstaben des Mesastetnes, aber, während diese hier in ihrer Gruppirung einen guten Sinn gaben, waren ihre Gruppen dort nicht zu enträthseln, und man wurde somit zu der Annahme gedrängt, daß sie das Werk eines Fälschers seien, der wohl die Form der moabitischen schriftlichen, nicht aber deren Bedeutung gekannt habe. Diese Vermuthung erhielt Nahrung durch Gerüchte, nach welchen in Jerusalem überhaupt die Fabrikation angeblicher Alterthümer betrieben wurde, und sie wurde nicht entkräftet, als Schlottmann weitere Fündlinge anzeigte; denn dieselben trugen den gleichen Mangel an sich wie die ersten. Allerdings kam dem Vertheidiger der Echtheit jener Antiquitäten, deren sich inzwischen im Laden des Buch - und Raritätenhändlers Schapira gegen tausend Stück angesammelt hatten, in Gestalt eines geistlichen Mit¬ bürgers des letzteren anscheinend starke Hülfe. Der evangelische Pfarrer Weser in Jerusalem erklärte, selbst in Moab gewesen zu sein und mit eignen Augen gesehen zu haben, wie man Alterthümer der in Rede stehenden Gattung aus¬ gegraben habe, und fügte hinzu, daß heutzutage kein Töpfer im heiligen Lande Dinge der Art anzufertigen vermöge. Aber wer im Orient gereist war, wußte, wie leicht unerfahrene Franken von Arabern und Griechen hinters Licht zu führen sind, der Weser'sche Reisebericht zeigte, näher besehen, daß der Verfasser desselben die zum Geprelltwerden erforderliche Harmlosigkeit in un¬ gewöhnlichem Grade besaß, und die Behauptung von dem Ungeschick der Töpfer Palästinas wurde von Leuten, die länger als Herr Weser dort gelebt hatten, in Abrede gestellt. Die Zweifler ließen sich also durch diesen Succurs nicht irre machen. Einige begnügten sich mit Kopfschütteln, andere — ich nenne Wetzstein, einen der besten Kenner der Menschen und Verhältnisse im westlichen Morgenlande — sprachen laut und unverblümt ihren Unglauben aus. Wer bisher unentschieden geschwankt hatte, mußte sich aus diese Seite gedrängt fühlen, als Professor Svein in Basel nachwies, daß jener Scha¬ pira — beiläufig ein getaufter Jude — mit gefälschten Inschriften andrer Art handelte. Herr Schlottmann blieb trotzdem seiner Sache sicher. Er wußte zu be¬ wirken, daß die deutsche morgenländische Gesellschaft Abbildungen der Scha- pira'schen Moabitica auf ihre Kosten veröffentlichte, als ob deren Echtheit un¬ zweifelhaft feststünde, und er vermittelte den Ankauf eines Theils der Ori¬ ginale für — das berliner Museum? — Nach dem „Reichsanzeiger" scheint es nicht so. Die General-Verwaltung erklärt hier, daß eine „Einverleibung" der moabitischen Alterthümer in das königliche Museum „niemals stattgefunden hat", und daß dieselben „von Anfang an durch sie und die ihr zur Seite stehende technische Commission als verdächtig zurückgewiesen worden sind". Gut denn, also keine Einverleibung; im Gegentheil „von Anfang an" —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/88>, abgerufen am 27.11.2024.