Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.Beispiele solcher oder ähnlicher Heimsuchung und Zurechtweisung treffen In dem gedachten Jahre brachte Simonides Herrn Dindorf ein Palimpsest, *) Auch der Verfasser dieses Aufsatzes hat in seiner "Urgeschichte des Orients" nach
Lcnormant an jene Resultate, für deren Anerkennung beiläufig kräftig mit Reclamen gewirkt wird, geglaubt. Er thut, zu besserer Erkenntniß gekommen, hier Buße für diese Schwachheitssündc. Beispiele solcher oder ähnlicher Heimsuchung und Zurechtweisung treffen In dem gedachten Jahre brachte Simonides Herrn Dindorf ein Palimpsest, *) Auch der Verfasser dieses Aufsatzes hat in seiner „Urgeschichte des Orients" nach
Lcnormant an jene Resultate, für deren Anerkennung beiläufig kräftig mit Reclamen gewirkt wird, geglaubt. Er thut, zu besserer Erkenntniß gekommen, hier Buße für diese Schwachheitssündc. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135667"/> <p xml:id="ID_332"> Beispiele solcher oder ähnlicher Heimsuchung und Zurechtweisung treffen<lb/> wir auf allen Gebieten der Wissenschaft an. namentlich aber auf dem der Ur¬<lb/> geschichte des Orients mit Einschluß Aegyptens. Ich erinnere an Ehren<lb/> Wagenseldt's Wiederauffindung des Geschichtswerkes Sanchuniathon's, an<lb/> Fourmont's Jnschriftenfunde, an das famose „Buch der Wilden", mit dem<lb/> sich der Gelehrtenolymp Frankreichs monatelang in einer Weise dupiren ließ,<lb/> über welche die übrige Welt in krampfhaftes, lang nachhallendes Gelächter<lb/> ausbrach. Ich nenne ferner den „Riesen von Cardiff", ein kolossales Stein¬<lb/> bild mit phönizischen Schriftzeichen, welches vor einigen Jahren den nord¬<lb/> amerikanischen Gelehrten zu denken gab, und die ungefähr zu gleicher Zeit<lb/> in Brasilien aufgefundene Gedenktafel der Schiffsleute des Königs Hiram von<lb/> Tyrus, über welche Professor Schlottmann einem Fachblatte ersten Ranges<lb/> in Ausdrücken berichten durfte, nach denen die Unechtheit dieser angeblichen<lb/> Reliquie noch des Beweises zu harren schien. Noch nicht eingetreten, aber<lb/> zu hoffen ist die Erhebung der Resultate, welche eine Anzahl deutscher und<lb/> ausländischer Gelehrten beim Studium altassyrischer Keilinschriften gewonnen<lb/> zu haben versichern, aus dem Zweifelhaften ins Unzweifelhafte, d. h. in ein<lb/> Licht, in welchem sie mit allen ihren Göttern und Königen und ihrem ge-<lb/> sammten Anhang von Turaniern und Kuschiten — ich wähle für die Sache<lb/> einen vielleicht nicht genügend starken, aber artigen dänischen Ausdruck —<lb/> als „Wahrheit mit Modification" erscheinen werden*). Wiederum einer nicht<lb/> fernen Vergangenheit angehörig ist das Unglück, welches der berliner Akademie<lb/> der Wissenschaften 1856 mit dem leipziger Professor und Börsianer W. Din-<lb/> dorf und dem Griechen und Handschriftfabrikanten Simonides begegnete, und<lb/> auf das ich aus Gründen, welche sich aus dem Folgenden ergeben werden,<lb/> etwas ausführlicher eingehen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_333" next="#ID_334"> In dem gedachten Jahre brachte Simonides Herrn Dindorf ein Palimpsest,<lb/> welches drei Bücher der ägyptischen Königsgeschichte des Alexandriners Uranios<lb/> enthielt. Der Grieche erfreute sich keines reinlichen Rufes, auch andere äußere<lb/> Gründe ließen das Manuscript verdächtig erscheinen. Trotzdem wurde es von<lb/> Dindorf für 2000 Thaler erworben und darauf von ihm der berliner Akademie<lb/> um den Preis von 6000 Thalern zum Kauf angeboten. Dieselbe ließ es von<lb/> einer Anzahl ihrer Mitglieder prüfen, chemisch, mikroskopisch, kritisch und wie<lb/> noch, und das Ergebniß war, daß die Akademie den Uranios für echt erklärte<lb/> und den Beschluß faßte, dessen Ankauf beim Könige zu befürworten. Das<lb/> erforderte einige Zeit, Herr Dindorf aber hatte Eile mit dem Gelde, und so<lb/> zahlte ihm Professor Lepsius die Hälfte der verlangten Summe aus eignen</p><lb/> <note xml:id="FID_28" place="foot"> *) Auch der Verfasser dieses Aufsatzes hat in seiner „Urgeschichte des Orients" nach<lb/> Lcnormant an jene Resultate, für deren Anerkennung beiläufig kräftig mit Reclamen gewirkt<lb/> wird, geglaubt. Er thut, zu besserer Erkenntniß gekommen, hier Buße für diese Schwachheitssündc.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
Beispiele solcher oder ähnlicher Heimsuchung und Zurechtweisung treffen
wir auf allen Gebieten der Wissenschaft an. namentlich aber auf dem der Ur¬
geschichte des Orients mit Einschluß Aegyptens. Ich erinnere an Ehren
Wagenseldt's Wiederauffindung des Geschichtswerkes Sanchuniathon's, an
Fourmont's Jnschriftenfunde, an das famose „Buch der Wilden", mit dem
sich der Gelehrtenolymp Frankreichs monatelang in einer Weise dupiren ließ,
über welche die übrige Welt in krampfhaftes, lang nachhallendes Gelächter
ausbrach. Ich nenne ferner den „Riesen von Cardiff", ein kolossales Stein¬
bild mit phönizischen Schriftzeichen, welches vor einigen Jahren den nord¬
amerikanischen Gelehrten zu denken gab, und die ungefähr zu gleicher Zeit
in Brasilien aufgefundene Gedenktafel der Schiffsleute des Königs Hiram von
Tyrus, über welche Professor Schlottmann einem Fachblatte ersten Ranges
in Ausdrücken berichten durfte, nach denen die Unechtheit dieser angeblichen
Reliquie noch des Beweises zu harren schien. Noch nicht eingetreten, aber
zu hoffen ist die Erhebung der Resultate, welche eine Anzahl deutscher und
ausländischer Gelehrten beim Studium altassyrischer Keilinschriften gewonnen
zu haben versichern, aus dem Zweifelhaften ins Unzweifelhafte, d. h. in ein
Licht, in welchem sie mit allen ihren Göttern und Königen und ihrem ge-
sammten Anhang von Turaniern und Kuschiten — ich wähle für die Sache
einen vielleicht nicht genügend starken, aber artigen dänischen Ausdruck —
als „Wahrheit mit Modification" erscheinen werden*). Wiederum einer nicht
fernen Vergangenheit angehörig ist das Unglück, welches der berliner Akademie
der Wissenschaften 1856 mit dem leipziger Professor und Börsianer W. Din-
dorf und dem Griechen und Handschriftfabrikanten Simonides begegnete, und
auf das ich aus Gründen, welche sich aus dem Folgenden ergeben werden,
etwas ausführlicher eingehen muß.
In dem gedachten Jahre brachte Simonides Herrn Dindorf ein Palimpsest,
welches drei Bücher der ägyptischen Königsgeschichte des Alexandriners Uranios
enthielt. Der Grieche erfreute sich keines reinlichen Rufes, auch andere äußere
Gründe ließen das Manuscript verdächtig erscheinen. Trotzdem wurde es von
Dindorf für 2000 Thaler erworben und darauf von ihm der berliner Akademie
um den Preis von 6000 Thalern zum Kauf angeboten. Dieselbe ließ es von
einer Anzahl ihrer Mitglieder prüfen, chemisch, mikroskopisch, kritisch und wie
noch, und das Ergebniß war, daß die Akademie den Uranios für echt erklärte
und den Beschluß faßte, dessen Ankauf beim Könige zu befürworten. Das
erforderte einige Zeit, Herr Dindorf aber hatte Eile mit dem Gelde, und so
zahlte ihm Professor Lepsius die Hälfte der verlangten Summe aus eignen
*) Auch der Verfasser dieses Aufsatzes hat in seiner „Urgeschichte des Orients" nach
Lcnormant an jene Resultate, für deren Anerkennung beiläufig kräftig mit Reclamen gewirkt
wird, geglaubt. Er thut, zu besserer Erkenntniß gekommen, hier Buße für diese Schwachheitssündc.
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