Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.dem Nürnberger Hofe bestimmt. Und wie in Frankfurt, war es in allen Wegen einer aus dem Mittelalter stammenden Hute- oder Weide-Gerecht¬ Der am rechten Ufer der Schwarz" gelegene Marktflecken Mehlis zählt Die Gemeinde Mehlis hatte also seit unvordenklichen Zeiten als Gegen¬ dem Nürnberger Hofe bestimmt. Und wie in Frankfurt, war es in allen Wegen einer aus dem Mittelalter stammenden Hute- oder Weide-Gerecht¬ Der am rechten Ufer der Schwarz« gelegene Marktflecken Mehlis zählt Die Gemeinde Mehlis hatte also seit unvordenklichen Zeiten als Gegen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135659"/> <p xml:id="ID_310" prev="#ID_309"> dem Nürnberger Hofe bestimmt. Und wie in Frankfurt, war es in allen<lb/> übrigen Städten des heiligen römischen Reichs deutscher Nation. Ein guter<lb/> Trunk blieb dem biederen Deutschen bei allen Wechselfällen des Lebens eine<lb/> Hauptsache. An die Sitte, den Abschluß eines Kaufes oder sonstigen Ver¬<lb/> trages mit einigen Flaschen Wein zu besiegeln, erinnert der Ausdruck „Wein¬<lb/> kauf", welcher in manchen Gegenden noch heute üblich ist. Dieser guten alten<lb/> Gewohnheit verdankte auch die Hirtenzeche zu Mehlis ihren Ursprung,<lb/> mit welcher es folgende Bewandtniß hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_311"> Wegen einer aus dem Mittelalter stammenden Hute- oder Weide-Gerecht¬<lb/> same auf kurhessischem Grund und Boden in der Herrschaft Schmalkalden<lb/> war der gothaische Marktflecken Mehlis in Thüringen verpflichtet, neben<lb/> einer kleinen Geldabgabe von 2 Thalern jährlich an die kurhessische Renterei<lb/> Steinbach Hallenberg, einer Anzahl hessischer Beamten alle 7 Jahre ein Fest¬<lb/> essen zu geben, wobei zugleich die Hirten der angrenzenden kurhessischen Ge¬<lb/> meinden und die unteren Forstbeamten (in Hessen „Forstlaufer") des Stein¬<lb/> bach - Hallenberger Revieres bewirthet wurden. Dem Namen nach sollten<lb/> eigentlich die Hirten hierbei die Hauptrolle spielen; allein wenn dieselben auch<lb/> bei dieser „Zeche" nicht zu kurz kamen, so war doch das Festessen, welches<lb/> den hessischen Beamten gegeben wurde, die Hauptsache.</p><lb/> <p xml:id="ID_312"> Der am rechten Ufer der Schwarz« gelegene Marktflecken Mehlis zählt<lb/> über 1600 Einwohner. Der Ort hat eine herrliche Lage. Allerdings ist das<lb/> Klima dort etwas rauh, denn Mehlis liegt 1200 Fuß über der Nordsee,<lb/> rings umgeben von mächtigen Bergen, welche mit zu den höchsten des Thüringer<lb/> Waldes gehören, wie der 2392 Fuß hohe Dreiherrnstein, der 2758 Fuß hohe<lb/> Ruppberg und der 2861 Fuß hohe Gebrannte - Stein. Eine solche Gebirgs¬<lb/> gegend hat aber auf der anderen Seite den großen Vorzug, daß ihre Be¬<lb/> wohner, nicht gedrückt von dem Qualm der Städte, reine Himmelsluft genießen<lb/> und deshalb frisch und gesund und heiteren Sinnes sind. Auch findet man<lb/> im Thüringer Walde und somit auch in Mehlis einen Schlag Menschen von<lb/> seltener Schönheit, insbesondere sind ja die Thüringer Mädchen weit und<lb/> breit berühmt. Daß eine „Hirtenzeche" unter solchen schönen und fröhlichen<lb/> Menschen einen ganz besonderen Reiz haben mußte, ist leicht zu begreifen.</p><lb/> <p xml:id="ID_313"> Die Gemeinde Mehlis hatte also seit unvordenklichen Zeiten als Gegen¬<lb/> leistung für die ihr zugestandene Huteberechtigung die Pflicht, alle 7 Jahre<lb/> den hessischen Beamten, Förstern, Forstcandidaten, Forstläufern und Hirten<lb/> eine ordentliche Zeche zu geben. Zum letzten Mal ist dieselbe im Jahr 1825<lb/> gehalten worden, und da der Verfasser dieser Zeilen jener letzten Hirtenzeche<lb/> persönlich beigewohnt hat, so darf er vielleicht auf das Interesse der Leser<lb/> rechnen, wenn er ihnen dieses Stückchen Mittelalter nach seiner Erinnerung<lb/> hier vorführt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
dem Nürnberger Hofe bestimmt. Und wie in Frankfurt, war es in allen
übrigen Städten des heiligen römischen Reichs deutscher Nation. Ein guter
Trunk blieb dem biederen Deutschen bei allen Wechselfällen des Lebens eine
Hauptsache. An die Sitte, den Abschluß eines Kaufes oder sonstigen Ver¬
trages mit einigen Flaschen Wein zu besiegeln, erinnert der Ausdruck „Wein¬
kauf", welcher in manchen Gegenden noch heute üblich ist. Dieser guten alten
Gewohnheit verdankte auch die Hirtenzeche zu Mehlis ihren Ursprung,
mit welcher es folgende Bewandtniß hatte.
Wegen einer aus dem Mittelalter stammenden Hute- oder Weide-Gerecht¬
same auf kurhessischem Grund und Boden in der Herrschaft Schmalkalden
war der gothaische Marktflecken Mehlis in Thüringen verpflichtet, neben
einer kleinen Geldabgabe von 2 Thalern jährlich an die kurhessische Renterei
Steinbach Hallenberg, einer Anzahl hessischer Beamten alle 7 Jahre ein Fest¬
essen zu geben, wobei zugleich die Hirten der angrenzenden kurhessischen Ge¬
meinden und die unteren Forstbeamten (in Hessen „Forstlaufer") des Stein¬
bach - Hallenberger Revieres bewirthet wurden. Dem Namen nach sollten
eigentlich die Hirten hierbei die Hauptrolle spielen; allein wenn dieselben auch
bei dieser „Zeche" nicht zu kurz kamen, so war doch das Festessen, welches
den hessischen Beamten gegeben wurde, die Hauptsache.
Der am rechten Ufer der Schwarz« gelegene Marktflecken Mehlis zählt
über 1600 Einwohner. Der Ort hat eine herrliche Lage. Allerdings ist das
Klima dort etwas rauh, denn Mehlis liegt 1200 Fuß über der Nordsee,
rings umgeben von mächtigen Bergen, welche mit zu den höchsten des Thüringer
Waldes gehören, wie der 2392 Fuß hohe Dreiherrnstein, der 2758 Fuß hohe
Ruppberg und der 2861 Fuß hohe Gebrannte - Stein. Eine solche Gebirgs¬
gegend hat aber auf der anderen Seite den großen Vorzug, daß ihre Be¬
wohner, nicht gedrückt von dem Qualm der Städte, reine Himmelsluft genießen
und deshalb frisch und gesund und heiteren Sinnes sind. Auch findet man
im Thüringer Walde und somit auch in Mehlis einen Schlag Menschen von
seltener Schönheit, insbesondere sind ja die Thüringer Mädchen weit und
breit berühmt. Daß eine „Hirtenzeche" unter solchen schönen und fröhlichen
Menschen einen ganz besonderen Reiz haben mußte, ist leicht zu begreifen.
Die Gemeinde Mehlis hatte also seit unvordenklichen Zeiten als Gegen¬
leistung für die ihr zugestandene Huteberechtigung die Pflicht, alle 7 Jahre
den hessischen Beamten, Förstern, Forstcandidaten, Forstläufern und Hirten
eine ordentliche Zeche zu geben. Zum letzten Mal ist dieselbe im Jahr 1825
gehalten worden, und da der Verfasser dieser Zeilen jener letzten Hirtenzeche
persönlich beigewohnt hat, so darf er vielleicht auf das Interesse der Leser
rechnen, wenn er ihnen dieses Stückchen Mittelalter nach seiner Erinnerung
hier vorführt.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |