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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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bildet ist. Ihr Gesicht von anziehender Lieblichkeit hat ein längliches Oval;
die blonden, besonders sorgfältig durchgeführten Haare hängen leicht gelockt,
lang herab. Ihre Füße ruhen auf einem großen, gothisch gemusterten Kissen
von Goldbrokat, mit Perlen gestickt. Maria hält mit beiden Händen ihr fast
nacktes, nur theilweise mit einem ganz dünnen Schleier bedecktes, auf ihrem
Schoße sitzendes Kind. Es spielt mit einer Perlenschnur. Der Fußboden ist
ein reich gemustertes Marmor-Mosaik. Hinter dem Throne halten drei Engel
in langen, flatternden Gewändern einen grünen, gothisch gemusterten Vorhang
ausgespannt und zugleich über dem Haupte der Mutter Gottes eine große
reich durchgebildete, goldene Krone. Hinter Thron und Vorhang zieht sich
eine Brüstung von Holz quer durch das ganze Bild. Dieselbe ist zum
größesten Theil mit einem dunkeln, gothisch gemusterten Teppich bedeckt. Links
im Hintergrunde liegt aus dieser Brüstung ein Buch, aus demselben steht eine
Kapsel, daneben liegt ein Apfel, auf der andern Seite steht eine große Sand¬
uhr. Aus dem Buche hängt ein langer weißer Zettel heraus, aus welchem
verkehrt, von rechts nach links mit lateinischen Lettern geschrieben der Name*)
des Künstlers 8. MI.IiI'^IN. N. deutlich zu lesen ist. Links im Vorder-
gründe steht eine dickbäuchige, gehenkelte Vase aus weißer Fayence und aus
derselben ist eine schöne Lilie üppig empor gewachsen. Im Bilde unregel¬
mäßig vertheilt, auf der Kapsel, auf dem Apfel, auf der Sanduhr, auf zwei
Pfosten des Thrones und auf dem Boden, sitzen sechs kleine Vögel. Oben
wird das Bild im Halbkreise durch neun in Wolken schwebende Engel in
goldschimmernden Gewändern abgeschlossen. Der Hintergrund ist einfach golden.

Das Bild, warm und leuchtend im Colorit ist von sehr kräftigem Ge-
sammtton und alle seine Theile wirken harmonisch zu einem einheitlichen
Ganzen zusammen, dabei zeigt es große Sorgfalt in der Behandlung aller
Einzelheiten.

Auf der Rückseite des Bildes befindet sich folgende Inschrift: "Dieses
Bild hat meine liebe Gemahlin Maria Ursula von Herzog Arigens (?) zu
Rom geschenkt kriegt 1502." welche A. v. Zahn. Jahrbücher Bd. IV. S. 246)
jedoch für gefälscht erklärt hat. Die Erhaltung des Bildes läßt nichts zu
wünschen übrig; namentlich sind die Köpfe völlig intakt. -- Ueber die Pro¬
venienz dieses Bildes ist nichts bekannt.

Die Inschrift auf dem weißen Zettel giebt uns, trotz ihrer Vollständig-
keit und Deutlichkeit doch nicht vollkommen sichere Kunde über den
Meister des Bildes. Das S. vor dem Namen Holbein kann nämlich, wie



Seite 351) bemerkt hat, keine Spur vorhanden. Damit fällt auch Woltmann's Annahme, daß
dieses Bild jünger sei als das zweite.
") Facsimile in Zahn's Jahrbüchern für Kunstwissenschaft Bd. IV. Seite 214 und, rieb.
tiger gestellt, in Woltmann's Buch.

bildet ist. Ihr Gesicht von anziehender Lieblichkeit hat ein längliches Oval;
die blonden, besonders sorgfältig durchgeführten Haare hängen leicht gelockt,
lang herab. Ihre Füße ruhen auf einem großen, gothisch gemusterten Kissen
von Goldbrokat, mit Perlen gestickt. Maria hält mit beiden Händen ihr fast
nacktes, nur theilweise mit einem ganz dünnen Schleier bedecktes, auf ihrem
Schoße sitzendes Kind. Es spielt mit einer Perlenschnur. Der Fußboden ist
ein reich gemustertes Marmor-Mosaik. Hinter dem Throne halten drei Engel
in langen, flatternden Gewändern einen grünen, gothisch gemusterten Vorhang
ausgespannt und zugleich über dem Haupte der Mutter Gottes eine große
reich durchgebildete, goldene Krone. Hinter Thron und Vorhang zieht sich
eine Brüstung von Holz quer durch das ganze Bild. Dieselbe ist zum
größesten Theil mit einem dunkeln, gothisch gemusterten Teppich bedeckt. Links
im Hintergrunde liegt aus dieser Brüstung ein Buch, aus demselben steht eine
Kapsel, daneben liegt ein Apfel, auf der andern Seite steht eine große Sand¬
uhr. Aus dem Buche hängt ein langer weißer Zettel heraus, aus welchem
verkehrt, von rechts nach links mit lateinischen Lettern geschrieben der Name*)
des Künstlers 8. MI.IiI'^IN. N. deutlich zu lesen ist. Links im Vorder-
gründe steht eine dickbäuchige, gehenkelte Vase aus weißer Fayence und aus
derselben ist eine schöne Lilie üppig empor gewachsen. Im Bilde unregel¬
mäßig vertheilt, auf der Kapsel, auf dem Apfel, auf der Sanduhr, auf zwei
Pfosten des Thrones und auf dem Boden, sitzen sechs kleine Vögel. Oben
wird das Bild im Halbkreise durch neun in Wolken schwebende Engel in
goldschimmernden Gewändern abgeschlossen. Der Hintergrund ist einfach golden.

Das Bild, warm und leuchtend im Colorit ist von sehr kräftigem Ge-
sammtton und alle seine Theile wirken harmonisch zu einem einheitlichen
Ganzen zusammen, dabei zeigt es große Sorgfalt in der Behandlung aller
Einzelheiten.

Auf der Rückseite des Bildes befindet sich folgende Inschrift: „Dieses
Bild hat meine liebe Gemahlin Maria Ursula von Herzog Arigens (?) zu
Rom geschenkt kriegt 1502." welche A. v. Zahn. Jahrbücher Bd. IV. S. 246)
jedoch für gefälscht erklärt hat. Die Erhaltung des Bildes läßt nichts zu
wünschen übrig; namentlich sind die Köpfe völlig intakt. — Ueber die Pro¬
venienz dieses Bildes ist nichts bekannt.

Die Inschrift auf dem weißen Zettel giebt uns, trotz ihrer Vollständig-
keit und Deutlichkeit doch nicht vollkommen sichere Kunde über den
Meister des Bildes. Das S. vor dem Namen Holbein kann nämlich, wie



Seite 351) bemerkt hat, keine Spur vorhanden. Damit fällt auch Woltmann's Annahme, daß
dieses Bild jünger sei als das zweite.
") Facsimile in Zahn's Jahrbüchern für Kunstwissenschaft Bd. IV. Seite 214 und, rieb.
tiger gestellt, in Woltmann's Buch.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/72>, abgerufen am 27.07.2024.