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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Sache bekannt wäre, es aber kein Mittel gebe, ihr zu steuern. Es sei kein
Criminalverbrechen, und die Stadt habe keine andere Befugniß, als diejenige,
die bezüglichen Waaren wegzunehmen und zu eonfisciren, wenn man die
Schmuggler mit ihnen beträfe. Die Stadt habe kein Recht, in ein Privat¬
haus oder einen Garten einzudringen, sodaß man jene Dinge nur dann weg¬
nehmen dürfe, wenn sie auf ihrem Wege vom Lande draußen die Zollgrenze
passirten oder ohne den Stempel, der ihre Verzollung bekunde, durch die
Straßen geschafft würden. Aus diesem Grunde vermieden jene Leute die
Gassen und Landstraßen und nähmen ihren Weg quer durch die Gärten.

Ich fragte meine Freunde, was die Folge sein würde, wenn sie -- vor¬
züglich der Doctor, der ein von der Stadt besoldeter Beamter war -- den
städtischen Behörden von diesem unerlaubten Verkehr Anzeige machen wollten,
sodaß jene den Paschern eine Falle stellen und die Contrebande wegnehmen
können.

"Was!" erwiderte der Arzt, "diese Leute denunciren! Je nun. die Stadt
würde dabei nichts gewinnen, als für dieses eine Mal ein paar Fässer gerin¬
gen Wein; denn die Mafiusi würden sehr bald einen andern Weg finden;
aber wir, je nun, wir würden sicherlich binnen vierundzwanzig Stunden er¬
mordet werden."

Der Patrone fügte dem hinzu: "Und was würde aus unserer Sicherheit
werden? Wir könnten nicht ruhig in unsern Betten schlafen. Wir würden
jede Nacht Gefahr laufen, ermordet oder beraubt zu werden. Diese Leute,
welche alle Schurken in der Stadt kennen, erlauben niemals, daß irgend eine
Räuberei verübt wird, wo sie wohnen und ihre Schmuggleroperationen be¬
treiben; denn eine Räuberei würde das Auge der Polizei dorthin lenken und
ihnen ihre im Stillen betriebenen Geschäfte stören. Ich bin in dieser Villa
geboren und erinnere mich keines Raubanfalls in dieser Straße, und Sie
werden bemerken, daß, obwohl eine solche Menge von Leuten in unserm
Garten frei ein und auspasfiren, sie niemals eine Orange oder eine Limone
oder eine Weintraube anrühren, und sie treten mit ihren bloßen Füßen so
leicht auf, daß sie kaum das Gras beugen, über das sie hingehen. Es liegt
in ihrem Interesse, mit allen Gutsbesitzern aus gutem Fuße zu stehen, und
sie schützen uns und unser Eigenthum thatsächlich besser, als es die Regierung
vermag."

Ich merkte mir das natürlich und handelte demgemäß. Und ich muß
anerkennen, daß ich in den fünf Jahren, wo ich jenes Landhaus bewohnte,
obwohl ich sehr oft spät in der Nacht allein und zu Fuß nach Hause zurück¬
kehrte, nicht ein einziges Mal belästigt wurde, und daß in meinem Hause
und Garten niemals eine Störung vorkam, obschon wir bei offnen Fenstern
schliefen.


Sache bekannt wäre, es aber kein Mittel gebe, ihr zu steuern. Es sei kein
Criminalverbrechen, und die Stadt habe keine andere Befugniß, als diejenige,
die bezüglichen Waaren wegzunehmen und zu eonfisciren, wenn man die
Schmuggler mit ihnen beträfe. Die Stadt habe kein Recht, in ein Privat¬
haus oder einen Garten einzudringen, sodaß man jene Dinge nur dann weg¬
nehmen dürfe, wenn sie auf ihrem Wege vom Lande draußen die Zollgrenze
passirten oder ohne den Stempel, der ihre Verzollung bekunde, durch die
Straßen geschafft würden. Aus diesem Grunde vermieden jene Leute die
Gassen und Landstraßen und nähmen ihren Weg quer durch die Gärten.

Ich fragte meine Freunde, was die Folge sein würde, wenn sie — vor¬
züglich der Doctor, der ein von der Stadt besoldeter Beamter war — den
städtischen Behörden von diesem unerlaubten Verkehr Anzeige machen wollten,
sodaß jene den Paschern eine Falle stellen und die Contrebande wegnehmen
können.

„Was!" erwiderte der Arzt, „diese Leute denunciren! Je nun. die Stadt
würde dabei nichts gewinnen, als für dieses eine Mal ein paar Fässer gerin¬
gen Wein; denn die Mafiusi würden sehr bald einen andern Weg finden;
aber wir, je nun, wir würden sicherlich binnen vierundzwanzig Stunden er¬
mordet werden."

Der Patrone fügte dem hinzu: „Und was würde aus unserer Sicherheit
werden? Wir könnten nicht ruhig in unsern Betten schlafen. Wir würden
jede Nacht Gefahr laufen, ermordet oder beraubt zu werden. Diese Leute,
welche alle Schurken in der Stadt kennen, erlauben niemals, daß irgend eine
Räuberei verübt wird, wo sie wohnen und ihre Schmuggleroperationen be¬
treiben; denn eine Räuberei würde das Auge der Polizei dorthin lenken und
ihnen ihre im Stillen betriebenen Geschäfte stören. Ich bin in dieser Villa
geboren und erinnere mich keines Raubanfalls in dieser Straße, und Sie
werden bemerken, daß, obwohl eine solche Menge von Leuten in unserm
Garten frei ein und auspasfiren, sie niemals eine Orange oder eine Limone
oder eine Weintraube anrühren, und sie treten mit ihren bloßen Füßen so
leicht auf, daß sie kaum das Gras beugen, über das sie hingehen. Es liegt
in ihrem Interesse, mit allen Gutsbesitzern aus gutem Fuße zu stehen, und
sie schützen uns und unser Eigenthum thatsächlich besser, als es die Regierung
vermag."

Ich merkte mir das natürlich und handelte demgemäß. Und ich muß
anerkennen, daß ich in den fünf Jahren, wo ich jenes Landhaus bewohnte,
obwohl ich sehr oft spät in der Nacht allein und zu Fuß nach Hause zurück¬
kehrte, nicht ein einziges Mal belästigt wurde, und daß in meinem Hause
und Garten niemals eine Störung vorkam, obschon wir bei offnen Fenstern
schliefen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/70>, abgerufen am 27.11.2024.