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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Wächter und Gärtner zugleich, und meine Doppelflinte ist in der Nachbar¬
schaft sehr gut bekannt. Befürchten Sie deßhalb nichts; i xieeiotti ini xor-
t-mu rispetto" (die Jungen haben Respect vor mir).

Er sagte diese letzten Worte mit einer so vollkommen zuversichtlichen
Miene, daß in meiner Seele alle Zweifel in Betreff der Sicherheit der Villa
schwanden; denn ich kannte den Einfluß und die Macht, die solche Leute über
ihre Standesgenossen ausüben. Indem ich nun über die Gartenseite beruhigt
war, gedachte ich auch die Straßenseite zu berücksichtigen, um mich doppelt
sicher zu stellen. Ich brauche den Barbier nur sehr wenig, da ich mich selbst
rastre, und die meisten meiner Haare sind schon vor Jahren verschwunden,
dennoch aber schickte ich, da er eine wichtige und nützliche Persönlichkeit war,
nach Don Piddu, dem Figaro unsrer Straße. Wie der Name des heiligen Joseph,
im sicilischen Dialekt Giuseppi, jemals zu Piddu einschrumpfen konnte, ist eine
jener philologischen Metamorphosen, welche das Nachdenken der gelehrtesten
Forscher vereiteln.

Don Piddu kam, ein kleiner, dicker, rundbäuchiger Mann, der immer sich
mit Maccaroni überfüllt zu haben schien. Sein derbes, stets lächelndes Ge¬
sicht glänzte wie der volle Mond. Er hatte kleine graue Augen und kasta-
nienbraunes Haar, welches sehr kurz geschnitten war. Er kleidete sich sehr
bunt in der Weise der besseren Stände, indem er Tuchhosen, einen hellblauen
Rock und eine große weiße Weste trug, aus deren Tasche eine ungeheure goldne
Kette baumelte. Er zeigte nicht den leisesten Anflug vom Mafiuso, ausgenom¬
men die ungewöhnliche Menge von Ringen an seinen Fingern. Doch war
dabei der Unterschied, daß, während die Mafiusi gemeiniglich ganz einfache
goldne Ringe tragen, die seinen Steine von allen Arten, mit Buchstaben,
Chiffern und Cameen hatten.

Er kam mit würdevoller Miene und jenem Bestreben, elegant zutraulich
und zugleich artig zu sein, herein, welches beim Figaro herkömmlich ist. Als
ich ihm sagte, daß ich nur meine Haare geschnitten zu sehen wünschte, da ich
mich selbst rasirte, so warf er einen etwas verblüfften Blick auf meinen
Scheitel. Aber ich machte ihm wieder Muth, indem ich ihm sagte, ich beab¬
sichtige ihm in der Weise Beschäftigung zu geben, daß er meinen Kindern
wöchentlich ein paar Mal die Haare kämmen und frisiren solle, wofür ich ihm
die übliche monatliche Vergütung von zwei Thalern zu zahlen gedenke. Dieß
versetzte ihn natürlich sofort in gute Laune, und er plauderte eine Stunde
lang fort, während welcher Zeit ich alles und mehr, als ich wünschte, über
jede einigermaßen hervorragende Familie dieser Gegend erfuhr.

Als er seine Arbeit besorgte, fragte ich, wie von ungefähr: "Don Piddu,
wie steht es mit der Sicherheit dieser Straße? Kann ich spät in der Nacht


Wächter und Gärtner zugleich, und meine Doppelflinte ist in der Nachbar¬
schaft sehr gut bekannt. Befürchten Sie deßhalb nichts; i xieeiotti ini xor-
t-mu rispetto" (die Jungen haben Respect vor mir).

Er sagte diese letzten Worte mit einer so vollkommen zuversichtlichen
Miene, daß in meiner Seele alle Zweifel in Betreff der Sicherheit der Villa
schwanden; denn ich kannte den Einfluß und die Macht, die solche Leute über
ihre Standesgenossen ausüben. Indem ich nun über die Gartenseite beruhigt
war, gedachte ich auch die Straßenseite zu berücksichtigen, um mich doppelt
sicher zu stellen. Ich brauche den Barbier nur sehr wenig, da ich mich selbst
rastre, und die meisten meiner Haare sind schon vor Jahren verschwunden,
dennoch aber schickte ich, da er eine wichtige und nützliche Persönlichkeit war,
nach Don Piddu, dem Figaro unsrer Straße. Wie der Name des heiligen Joseph,
im sicilischen Dialekt Giuseppi, jemals zu Piddu einschrumpfen konnte, ist eine
jener philologischen Metamorphosen, welche das Nachdenken der gelehrtesten
Forscher vereiteln.

Don Piddu kam, ein kleiner, dicker, rundbäuchiger Mann, der immer sich
mit Maccaroni überfüllt zu haben schien. Sein derbes, stets lächelndes Ge¬
sicht glänzte wie der volle Mond. Er hatte kleine graue Augen und kasta-
nienbraunes Haar, welches sehr kurz geschnitten war. Er kleidete sich sehr
bunt in der Weise der besseren Stände, indem er Tuchhosen, einen hellblauen
Rock und eine große weiße Weste trug, aus deren Tasche eine ungeheure goldne
Kette baumelte. Er zeigte nicht den leisesten Anflug vom Mafiuso, ausgenom¬
men die ungewöhnliche Menge von Ringen an seinen Fingern. Doch war
dabei der Unterschied, daß, während die Mafiusi gemeiniglich ganz einfache
goldne Ringe tragen, die seinen Steine von allen Arten, mit Buchstaben,
Chiffern und Cameen hatten.

Er kam mit würdevoller Miene und jenem Bestreben, elegant zutraulich
und zugleich artig zu sein, herein, welches beim Figaro herkömmlich ist. Als
ich ihm sagte, daß ich nur meine Haare geschnitten zu sehen wünschte, da ich
mich selbst rasirte, so warf er einen etwas verblüfften Blick auf meinen
Scheitel. Aber ich machte ihm wieder Muth, indem ich ihm sagte, ich beab¬
sichtige ihm in der Weise Beschäftigung zu geben, daß er meinen Kindern
wöchentlich ein paar Mal die Haare kämmen und frisiren solle, wofür ich ihm
die übliche monatliche Vergütung von zwei Thalern zu zahlen gedenke. Dieß
versetzte ihn natürlich sofort in gute Laune, und er plauderte eine Stunde
lang fort, während welcher Zeit ich alles und mehr, als ich wünschte, über
jede einigermaßen hervorragende Familie dieser Gegend erfuhr.

Als er seine Arbeit besorgte, fragte ich, wie von ungefähr: „Don Piddu,
wie steht es mit der Sicherheit dieser Straße? Kann ich spät in der Nacht


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[0067] Wächter und Gärtner zugleich, und meine Doppelflinte ist in der Nachbar¬ schaft sehr gut bekannt. Befürchten Sie deßhalb nichts; i xieeiotti ini xor- t-mu rispetto" (die Jungen haben Respect vor mir). Er sagte diese letzten Worte mit einer so vollkommen zuversichtlichen Miene, daß in meiner Seele alle Zweifel in Betreff der Sicherheit der Villa schwanden; denn ich kannte den Einfluß und die Macht, die solche Leute über ihre Standesgenossen ausüben. Indem ich nun über die Gartenseite beruhigt war, gedachte ich auch die Straßenseite zu berücksichtigen, um mich doppelt sicher zu stellen. Ich brauche den Barbier nur sehr wenig, da ich mich selbst rastre, und die meisten meiner Haare sind schon vor Jahren verschwunden, dennoch aber schickte ich, da er eine wichtige und nützliche Persönlichkeit war, nach Don Piddu, dem Figaro unsrer Straße. Wie der Name des heiligen Joseph, im sicilischen Dialekt Giuseppi, jemals zu Piddu einschrumpfen konnte, ist eine jener philologischen Metamorphosen, welche das Nachdenken der gelehrtesten Forscher vereiteln. Don Piddu kam, ein kleiner, dicker, rundbäuchiger Mann, der immer sich mit Maccaroni überfüllt zu haben schien. Sein derbes, stets lächelndes Ge¬ sicht glänzte wie der volle Mond. Er hatte kleine graue Augen und kasta- nienbraunes Haar, welches sehr kurz geschnitten war. Er kleidete sich sehr bunt in der Weise der besseren Stände, indem er Tuchhosen, einen hellblauen Rock und eine große weiße Weste trug, aus deren Tasche eine ungeheure goldne Kette baumelte. Er zeigte nicht den leisesten Anflug vom Mafiuso, ausgenom¬ men die ungewöhnliche Menge von Ringen an seinen Fingern. Doch war dabei der Unterschied, daß, während die Mafiusi gemeiniglich ganz einfache goldne Ringe tragen, die seinen Steine von allen Arten, mit Buchstaben, Chiffern und Cameen hatten. Er kam mit würdevoller Miene und jenem Bestreben, elegant zutraulich und zugleich artig zu sein, herein, welches beim Figaro herkömmlich ist. Als ich ihm sagte, daß ich nur meine Haare geschnitten zu sehen wünschte, da ich mich selbst rasirte, so warf er einen etwas verblüfften Blick auf meinen Scheitel. Aber ich machte ihm wieder Muth, indem ich ihm sagte, ich beab¬ sichtige ihm in der Weise Beschäftigung zu geben, daß er meinen Kindern wöchentlich ein paar Mal die Haare kämmen und frisiren solle, wofür ich ihm die übliche monatliche Vergütung von zwei Thalern zu zahlen gedenke. Dieß versetzte ihn natürlich sofort in gute Laune, und er plauderte eine Stunde lang fort, während welcher Zeit ich alles und mehr, als ich wünschte, über jede einigermaßen hervorragende Familie dieser Gegend erfuhr. Als er seine Arbeit besorgte, fragte ich, wie von ungefähr: „Don Piddu, wie steht es mit der Sicherheit dieser Straße? Kann ich spät in der Nacht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/67>, abgerufen am 27.11.2024.