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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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lassen und meine Wohnung ein Stück weiter draußen aufzuschlagen, wo sie
den Gebrauch eines Garten haben und sich viel in freier Luft bewegen konn¬
ten. Eine reizende Villa in der malerischsten und gesündesten Gegend war
zu vermiethen, von wo man eine ausgedehnte Aussicht über den Thalkessel
von Palermo, die "goldene Muschel" der sicilischen Dichter, hatte. Auf der
einen Seite stieg eine Kette hochragender Berge als Hintergrund des Bildes
empor, auf der andern breitete sich die bezaubernde schöne Bucht mit ihrem
blauen Wasser aus. Der einzige Einwand gegen die Herrlichkeit war der,
daß die Gegend eins der schlimmsten Nester der Mafiosi war, die sich hier
vorzüglich damit beschäftigten, daß sie Lebensmittel, namentlich Oel und Wein,
über die Zollgrenze in die Stadt schmuggelten. Da ich indeß hinsichtlich des
Verfahrens, durch welches ich allen Unannehmlichkeiten aus dem Wege gehen
konnte, gut berathen war, miethete ich die Villa und schlug meinen Wohn¬
sitz in ihr auf.

Dieses Landhaus war in einem barocken Styl erbaut, der halb gothisch -
und halb toskanisch war. Auf der Seite nach der Straße hin befand sich
eine prächtige Terrasse, auf die wir durch jede Glasthür im Hause, ja ich kann
sagen, durch jedes Zimmer gelangen konnten; denn das Gebäude hatte nur
ein Stockwerk. Diese Terrasse erhob sich, mit riesigen Blumenvasen geschmückt,
welche Magnolien, Feigenbäume, Aloen und verschiedene Cactusarten enthiel¬
ten, etwa acht Fuß über die Landstraße, von welcher aus jeder gewandte
junge Mann sich hätte hinaufschwingen können. Parallel mit dieser lief hinter
dem Hause eine zweite mächtige Terasse hin. Sie war hundert Fuß lang und
fünfzig Fuß breit und mit buntfarbigen Seekieseln gepflastert, eine Mosaik,
deren Muster zwölf eirunde, mit weißen Steinen eingefaßte Schilde bildete,
auf denen sich Wappen aus der alten Zeit Siciliens befanden. Man sah hier
die dreibeinige Medusa oder Trinacria, das syraeusanische Pferd, den arabi¬
schen Halbmond, das normannische Schachbret, den schwarzen Adler Schwabens,
die Pfeiler Spaniens und andere Wappenzeichen. Diese innere Terrasse, in
der Mitte mit einem prachtvollen Oleanderbusch, ringsum mit großen Blumen¬
vasen geschmückt und von einem riesenhaften Rebstock wie mit einem Sommer¬
zeit von grünem Blattwerk überspannt, sah auf einen entzückenden Garten
hinab, der Citronen-, Orangen-, Simonen-, Mandarinen- und Feigenbäume, zwei
hochragende Palmen und alle möglichen Arten von Aloen, Cacteen, Rosen,
Nelken, Sonnenblumen und anderen süßduftenden Gewächsen in morgenlän¬
discher Fülle enthielt, sodaß wir in den Monaten Mai und Juni oft ge¬
nöthigt waren, die Fenster zu schließen, da der Wohlgeruch, der aus ihm
emporstieg, geradezu betäubend war.

Der Garten war von einer sieben Fuß hohen Mauer umgeben, welche
auf der einen Seite an den Garten eines Arztes des Stadtkrankenhauses


lassen und meine Wohnung ein Stück weiter draußen aufzuschlagen, wo sie
den Gebrauch eines Garten haben und sich viel in freier Luft bewegen konn¬
ten. Eine reizende Villa in der malerischsten und gesündesten Gegend war
zu vermiethen, von wo man eine ausgedehnte Aussicht über den Thalkessel
von Palermo, die „goldene Muschel" der sicilischen Dichter, hatte. Auf der
einen Seite stieg eine Kette hochragender Berge als Hintergrund des Bildes
empor, auf der andern breitete sich die bezaubernde schöne Bucht mit ihrem
blauen Wasser aus. Der einzige Einwand gegen die Herrlichkeit war der,
daß die Gegend eins der schlimmsten Nester der Mafiosi war, die sich hier
vorzüglich damit beschäftigten, daß sie Lebensmittel, namentlich Oel und Wein,
über die Zollgrenze in die Stadt schmuggelten. Da ich indeß hinsichtlich des
Verfahrens, durch welches ich allen Unannehmlichkeiten aus dem Wege gehen
konnte, gut berathen war, miethete ich die Villa und schlug meinen Wohn¬
sitz in ihr auf.

Dieses Landhaus war in einem barocken Styl erbaut, der halb gothisch -
und halb toskanisch war. Auf der Seite nach der Straße hin befand sich
eine prächtige Terrasse, auf die wir durch jede Glasthür im Hause, ja ich kann
sagen, durch jedes Zimmer gelangen konnten; denn das Gebäude hatte nur
ein Stockwerk. Diese Terrasse erhob sich, mit riesigen Blumenvasen geschmückt,
welche Magnolien, Feigenbäume, Aloen und verschiedene Cactusarten enthiel¬
ten, etwa acht Fuß über die Landstraße, von welcher aus jeder gewandte
junge Mann sich hätte hinaufschwingen können. Parallel mit dieser lief hinter
dem Hause eine zweite mächtige Terasse hin. Sie war hundert Fuß lang und
fünfzig Fuß breit und mit buntfarbigen Seekieseln gepflastert, eine Mosaik,
deren Muster zwölf eirunde, mit weißen Steinen eingefaßte Schilde bildete,
auf denen sich Wappen aus der alten Zeit Siciliens befanden. Man sah hier
die dreibeinige Medusa oder Trinacria, das syraeusanische Pferd, den arabi¬
schen Halbmond, das normannische Schachbret, den schwarzen Adler Schwabens,
die Pfeiler Spaniens und andere Wappenzeichen. Diese innere Terrasse, in
der Mitte mit einem prachtvollen Oleanderbusch, ringsum mit großen Blumen¬
vasen geschmückt und von einem riesenhaften Rebstock wie mit einem Sommer¬
zeit von grünem Blattwerk überspannt, sah auf einen entzückenden Garten
hinab, der Citronen-, Orangen-, Simonen-, Mandarinen- und Feigenbäume, zwei
hochragende Palmen und alle möglichen Arten von Aloen, Cacteen, Rosen,
Nelken, Sonnenblumen und anderen süßduftenden Gewächsen in morgenlän¬
discher Fülle enthielt, sodaß wir in den Monaten Mai und Juni oft ge¬
nöthigt waren, die Fenster zu schließen, da der Wohlgeruch, der aus ihm
emporstieg, geradezu betäubend war.

Der Garten war von einer sieben Fuß hohen Mauer umgeben, welche
auf der einen Seite an den Garten eines Arztes des Stadtkrankenhauses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/62>, abgerufen am 27.11.2024.