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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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und Brot verhelfen wollte", verschwand "mit ihrem Paris, und keine Fährte
war von ihr mehr auszuspüren."

Inzwischen nahm Beil's Hang zum Spiel überHand; Dalberg versuchte
eine Einwirkung durch Götter. In einem Briefe des Letzteren vom 11. Juni
1786 heißt es: er habe an Beil in Angelegenheiten seines eigenen Besten ge¬
schrieben und schließe "auf Befehl" den Brief bei. "Geschont habe er den
Ehrenmann nicht, noch die Wahrheit überzuckert." Dann werden wieder
Theaterangelegenheiten besprochen; "Figaro ist, wie ich höre" (schreibt
Götter) "das zweyte mal ungleich weniger rund und lebhaft gespielt worden,
als das erstemal. Ich habe große Lust einmal öffentlich gegen diesen Fehler
der Deutschen bey Wiederholung ber besten Stücke zu deklamiren. Daß die
Herren den Schaden nicht einsehen, den sie sich selbst durch dergleichen Nach-
lcihigkeiten zufügen! Aus Ueberdruß der kleinen Mühe, eine gelernte Rolle
sorgfältig wieder durchzugehen, setzen sie sich der Nothwendigkeit aus, Rolle
auf Rolle in ihr Gedächtniß zu pfropfen."

Am 23. Juni 1785 hat Beil Götter's "Hirtenbrief trefflich aufgenommen
und wahr und treuherzig Besserung gelobt". Dann wird von neuen Studien
Cumberland's gesprochen, und Götter wundert sich, "daß sie Schröters Schnell¬
feder entwischt sind. Haben Sie" (fragt er) "seit der Eröffnung seines Thea-
ters Briefe von ihm?"

Letztere Frage ist zu bejahen; Friedrich Ludwig Schröder's Briefe an
W. H. von Dalberg hat der Verfasser des vorliegenden Aufsatzes im Ltteraturblatt
zum Hamburger Correspondenten, No. 136--160, vom 13. Juni bis 11. Juli
1875 veröffentlicht.

Aus Götter's nächsten Briefen interessirt uns -- wir werden später sehen
warum? -- das Lob eines "Tenoristen bei Bellomo in Weimar, Namens
Grave". -- "Er soll," versicherte der Gothaische Dichter nach Hörensagen am
30. August 1785, "eine treffliche Stimme und viel Methode haben. Zugleich
eine schöne Figur und leidlicher Akteur."

Am 20. Oetober 1785 klagt Götter, daß "das angenehme Geschenk
einiger Dramen" Dalberg's, welches dieser ihm bestimmt habe, gar nicht in
seine Hände kommen wolle. "Verzeih' es der Himmel den Postmeistern, durch
deren Schuld es sich noch zwischen Mannheim und Gotha herumtreibt."

Unterdessen hatte Jffland an verschiedenen bedeutenden Bühnen (nament¬
lich zu Hamburg und zu Lübeck, unter Schröder's Augen) gastirt. Götter
bemerkt darüber, er freue sich, daß der Künstler, mit neuen Lorbeern bedeckt,
glücklich wieder in Mannheim sei. "Ich hoffe, er wird neuen Eifer für Schau-
spielkunst und Schriftstellerei mitgebracht haben! Aber -- mich so ganz
vorbeizureisen! Das habe ich nicht um ihn verdient!"

Endlich hatten denn aber die säumigen Postmeister ihre Pflicht erfüllt:


und Brot verhelfen wollte", verschwand „mit ihrem Paris, und keine Fährte
war von ihr mehr auszuspüren."

Inzwischen nahm Beil's Hang zum Spiel überHand; Dalberg versuchte
eine Einwirkung durch Götter. In einem Briefe des Letzteren vom 11. Juni
1786 heißt es: er habe an Beil in Angelegenheiten seines eigenen Besten ge¬
schrieben und schließe „auf Befehl" den Brief bei. „Geschont habe er den
Ehrenmann nicht, noch die Wahrheit überzuckert." Dann werden wieder
Theaterangelegenheiten besprochen; „Figaro ist, wie ich höre" (schreibt
Götter) „das zweyte mal ungleich weniger rund und lebhaft gespielt worden,
als das erstemal. Ich habe große Lust einmal öffentlich gegen diesen Fehler
der Deutschen bey Wiederholung ber besten Stücke zu deklamiren. Daß die
Herren den Schaden nicht einsehen, den sie sich selbst durch dergleichen Nach-
lcihigkeiten zufügen! Aus Ueberdruß der kleinen Mühe, eine gelernte Rolle
sorgfältig wieder durchzugehen, setzen sie sich der Nothwendigkeit aus, Rolle
auf Rolle in ihr Gedächtniß zu pfropfen."

Am 23. Juni 1785 hat Beil Götter's „Hirtenbrief trefflich aufgenommen
und wahr und treuherzig Besserung gelobt". Dann wird von neuen Studien
Cumberland's gesprochen, und Götter wundert sich, „daß sie Schröters Schnell¬
feder entwischt sind. Haben Sie" (fragt er) „seit der Eröffnung seines Thea-
ters Briefe von ihm?"

Letztere Frage ist zu bejahen; Friedrich Ludwig Schröder's Briefe an
W. H. von Dalberg hat der Verfasser des vorliegenden Aufsatzes im Ltteraturblatt
zum Hamburger Correspondenten, No. 136—160, vom 13. Juni bis 11. Juli
1875 veröffentlicht.

Aus Götter's nächsten Briefen interessirt uns — wir werden später sehen
warum? — das Lob eines „Tenoristen bei Bellomo in Weimar, Namens
Grave". — „Er soll," versicherte der Gothaische Dichter nach Hörensagen am
30. August 1785, „eine treffliche Stimme und viel Methode haben. Zugleich
eine schöne Figur und leidlicher Akteur."

Am 20. Oetober 1785 klagt Götter, daß „das angenehme Geschenk
einiger Dramen" Dalberg's, welches dieser ihm bestimmt habe, gar nicht in
seine Hände kommen wolle. „Verzeih' es der Himmel den Postmeistern, durch
deren Schuld es sich noch zwischen Mannheim und Gotha herumtreibt."

Unterdessen hatte Jffland an verschiedenen bedeutenden Bühnen (nament¬
lich zu Hamburg und zu Lübeck, unter Schröder's Augen) gastirt. Götter
bemerkt darüber, er freue sich, daß der Künstler, mit neuen Lorbeern bedeckt,
glücklich wieder in Mannheim sei. „Ich hoffe, er wird neuen Eifer für Schau-
spielkunst und Schriftstellerei mitgebracht haben! Aber — mich so ganz
vorbeizureisen! Das habe ich nicht um ihn verdient!"

Endlich hatten denn aber die säumigen Postmeister ihre Pflicht erfüllt:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/57>, abgerufen am 24.11.2024.