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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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sind nöthigenfalls für einen Theil des Schadens auszukommen. Dafür kann
ihnen dann auch nicht aller Gewinn verwehrt werden.

Daß unser Verfasser das Aktienwesen beschränken und den Umsatz der
ausländischen Spielpapiere ebenso durch eine hohe Steuer beschränken will,
läßt sich erwarten, ebenso, daß er die Wechselfähigkeit und den Wucher ein¬
schränken will. Es sind dies alles gute Ziele, die Frage ist nur, ob die
Mittel richtig sind, was wir hier nicht erörtern wollen, da die summarischen
Forderungen des Verfassers zu wenig Gelegenheit zum Eingehen geben. Ganz
und gar beistimmen können wir dem Verfasser, wenn er die Grund- und
Gebäudesteuer den Kreisen und Provinzen zuweisen will, und die erstere Steuer
gleichzeitig der Katasterform entkleiden. Ebenso richtig ist die Forderung,
die Partikularbeiträge zu beseitigen und für das Reich ein rationelles System
indirekter Steuern auszubilden. Nur stellt sich der Versasser die Aufgabe
etwas zu leicht vor und bei der Ausmalung des schnellen Segens ihrer Lö¬
sung wird er wieder zum vollkommenen Schwärmer. Er wendet sich zur
Socialdemokratie und will diese beseitigen durch möglichste Rückkehr zum ge¬
bundenen Gewerbebetrieb, während er in der Zollpolitik Freihändler ist.
Aber das ist ein schreiender Widerspruch. Der gebundene Gewerbebetrieb
kann nur durch das Monopol bestehen (? D. Red.) und dieses wird durch
äußere Conkurrenz ebenso wie durch innere vernichtet.

Der Verfasser, welcher von den inneren Verfassungsaufgaben zur
socialen Gesetzgebung übergegangen, wendet sich von da zur Reichsverfassung.
Er will dieselbe nicht negiren, erklärt sich aber für die Aufrechthaltung des
zu Recht bestehenden föderativem Charakters des Reiches, während dem
Liberalismus der Vorwurf gemacht wird, auf den Einheitsstaat loszusteuern.
Hier kann man dem Verfasser abermals zurufen: Du forderst viel mit Einem
großen Wort. Er fordert den föderativem Charakter des Reiches, weil mit
diesem das monarchische Prinzip in Deutschland stehe und falle. Jede ein¬
sichtige Geschichtsbetrachtung weiß dagegen, daß die Menge der Monarchien
in einem großen Theile Deutschlands die Monarchie ridicül und verhaßt ge¬
macht hat. Das monarchische Prinzip ist in Deutschland sittlich gerettet
worden durch den großen und ernsthaften Sinn, mit welchem die Hohen--
zollern sich der Herstellung eines wirklichen Staates widmeten im Gegensatz
zu vielen mit souveränen Titeln und leider auch Rechten geschmückten Guts¬
herrschaften. Wenn die Größe des Staats der Monarchie gefährlich wäre,
so müßte das monarchische Prinzip in Rußland längst zu Grunde gegangen
sein. Es lohnt in der That nicht der Mühe, von Ansichten zu sprechen, die
es schwer hält für Ernst zu nehmen. Was aber den deutschen Einheitsstaat
betrifft, so mag es viele nationalgesinnte Männer geben, die ihn wünschen,
aber schwerlich Einen, der ihn mit Hintansetzung aller aus unserer un-


sind nöthigenfalls für einen Theil des Schadens auszukommen. Dafür kann
ihnen dann auch nicht aller Gewinn verwehrt werden.

Daß unser Verfasser das Aktienwesen beschränken und den Umsatz der
ausländischen Spielpapiere ebenso durch eine hohe Steuer beschränken will,
läßt sich erwarten, ebenso, daß er die Wechselfähigkeit und den Wucher ein¬
schränken will. Es sind dies alles gute Ziele, die Frage ist nur, ob die
Mittel richtig sind, was wir hier nicht erörtern wollen, da die summarischen
Forderungen des Verfassers zu wenig Gelegenheit zum Eingehen geben. Ganz
und gar beistimmen können wir dem Verfasser, wenn er die Grund- und
Gebäudesteuer den Kreisen und Provinzen zuweisen will, und die erstere Steuer
gleichzeitig der Katasterform entkleiden. Ebenso richtig ist die Forderung,
die Partikularbeiträge zu beseitigen und für das Reich ein rationelles System
indirekter Steuern auszubilden. Nur stellt sich der Versasser die Aufgabe
etwas zu leicht vor und bei der Ausmalung des schnellen Segens ihrer Lö¬
sung wird er wieder zum vollkommenen Schwärmer. Er wendet sich zur
Socialdemokratie und will diese beseitigen durch möglichste Rückkehr zum ge¬
bundenen Gewerbebetrieb, während er in der Zollpolitik Freihändler ist.
Aber das ist ein schreiender Widerspruch. Der gebundene Gewerbebetrieb
kann nur durch das Monopol bestehen (? D. Red.) und dieses wird durch
äußere Conkurrenz ebenso wie durch innere vernichtet.

Der Verfasser, welcher von den inneren Verfassungsaufgaben zur
socialen Gesetzgebung übergegangen, wendet sich von da zur Reichsverfassung.
Er will dieselbe nicht negiren, erklärt sich aber für die Aufrechthaltung des
zu Recht bestehenden föderativem Charakters des Reiches, während dem
Liberalismus der Vorwurf gemacht wird, auf den Einheitsstaat loszusteuern.
Hier kann man dem Verfasser abermals zurufen: Du forderst viel mit Einem
großen Wort. Er fordert den föderativem Charakter des Reiches, weil mit
diesem das monarchische Prinzip in Deutschland stehe und falle. Jede ein¬
sichtige Geschichtsbetrachtung weiß dagegen, daß die Menge der Monarchien
in einem großen Theile Deutschlands die Monarchie ridicül und verhaßt ge¬
macht hat. Das monarchische Prinzip ist in Deutschland sittlich gerettet
worden durch den großen und ernsthaften Sinn, mit welchem die Hohen--
zollern sich der Herstellung eines wirklichen Staates widmeten im Gegensatz
zu vielen mit souveränen Titeln und leider auch Rechten geschmückten Guts¬
herrschaften. Wenn die Größe des Staats der Monarchie gefährlich wäre,
so müßte das monarchische Prinzip in Rußland längst zu Grunde gegangen
sein. Es lohnt in der That nicht der Mühe, von Ansichten zu sprechen, die
es schwer hält für Ernst zu nehmen. Was aber den deutschen Einheitsstaat
betrifft, so mag es viele nationalgesinnte Männer geben, die ihn wünschen,
aber schwerlich Einen, der ihn mit Hintansetzung aller aus unserer un-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/520>, abgerufen am 27.11.2024.