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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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endete -- zog sich anfangs in die Länge, weil ein kleiner Roman Hineinspielte.
Das Nähere besagen folgende Briefe Götter's, der erste aus Gotha vom
1. Aug. 1784:

"Hr. Leonhard hat Herrn Bellomo zuerst eben so dringend als höflich
um Entlaßung gebeten und die Bestimmung der Zeit seiner Billigkeit heim¬
gestellt. Als er aber hieraus keine befriedigende Antwort erhalten, hat er ihm
in unzweydeutigen Ausdrücken angekündigt, daß er in sechs Wochen, den 18. Sey"
leader, von seinem Theater abgehen werde. Gewiße Umstände, die in An¬
sehung Leonhard's zur Geschichte der Verirrungen guter, aber schwacher
Herzen gehören, auf der Gegenseite aber einen häßlichen Beytrag zur Karak-
teristik der Jtaliäner abgeben, machen es Herrn Bellomo unmöglich, auf einem
Kontrakte zu bestehen, dessen Gültigkeit er, durch sein nachheriges Betragen
gegen L. selbst entkräftet hat".

Noch deutlicher redet Götter's nächster Brief (vom 12. Aug. 1784), der
nichts Geringeres bewirken möchte, als eine durch W. H. von Dalberg zu ver¬
anlaßende Dazwischenkunft von dessen Bruder, dem Statthalter Karl Theodor
zu Erfurt:

"Herr Bellomo ist in diesen Tagen mit seiner Gesellschaft hierdurch
nach Erfurt gereist, wo er bis zum Anfange seines Weimarischen Engage¬
ments zu spielen denkt.

Leonhard träumt von nichts als seiner nahen Versetzung. Aber
Bellomo fährt fort, auf seinen Kontrakt zu trozen und ihm mit Weitläufig¬
keiten zu drohen. Da er rachegierig genug seyn könnte, des Herrn Statthal¬
ters Excellenz durch eine Verdrehung der Umstände gegen Leonhard einzuneh¬
men, so Kalte ich es für Pflicht, Euer Excellenz vom ganzen Zusammenhange
zu unterrichten, um Sie in den Stand zu sezen, jenen Übeln Eindrücken zu¬
vorzukommen.

Mit der Gewalt, die eine in allen weiblichen Ränken erfahrne Italiänerin
so leicht und unumschränkt über das neue Herz eines 23jährigen Mannes
ausübt, beherrschte Madame Bellomo seit geraumer Zeit meinen armen
Leonhard, und überredete ihn, den Mannheimer Antrag nicht nur auszu¬
schlagen, sondern auch auf der Stelle einen neuen halbjährigen Kontrakt bey
ihrem Manne zu unterzeichnen. Wenige Tage nachher siel es Leztern ein,
eifersüchtig zu werden und bey Gelegenheit des Kindes, mit dem seine Frau
entbunden wurde, sich so brutal zu benehmen, daß er sich nebst Frau und
Cieisbeo zum Mährchen der Stadt machte. Nun erwachte der eingeschläferte
Leonhard, bereute das Opfer, das er einer thörichten Leidenschaft gebracht
hatte und erklärte Herrn Bellomo, daß, nach diesem für sie beyde gleich
schimpflichen Lärm, die Ehre ihnen nicht erlaubte, länger beysammen zu bleiben,
mithin jener Kontrakt von selbst wegfiele und Bellomo dessen Ungültigkeit


endete — zog sich anfangs in die Länge, weil ein kleiner Roman Hineinspielte.
Das Nähere besagen folgende Briefe Götter's, der erste aus Gotha vom
1. Aug. 1784:

„Hr. Leonhard hat Herrn Bellomo zuerst eben so dringend als höflich
um Entlaßung gebeten und die Bestimmung der Zeit seiner Billigkeit heim¬
gestellt. Als er aber hieraus keine befriedigende Antwort erhalten, hat er ihm
in unzweydeutigen Ausdrücken angekündigt, daß er in sechs Wochen, den 18. Sey«
leader, von seinem Theater abgehen werde. Gewiße Umstände, die in An¬
sehung Leonhard's zur Geschichte der Verirrungen guter, aber schwacher
Herzen gehören, auf der Gegenseite aber einen häßlichen Beytrag zur Karak-
teristik der Jtaliäner abgeben, machen es Herrn Bellomo unmöglich, auf einem
Kontrakte zu bestehen, dessen Gültigkeit er, durch sein nachheriges Betragen
gegen L. selbst entkräftet hat".

Noch deutlicher redet Götter's nächster Brief (vom 12. Aug. 1784), der
nichts Geringeres bewirken möchte, als eine durch W. H. von Dalberg zu ver¬
anlaßende Dazwischenkunft von dessen Bruder, dem Statthalter Karl Theodor
zu Erfurt:

„Herr Bellomo ist in diesen Tagen mit seiner Gesellschaft hierdurch
nach Erfurt gereist, wo er bis zum Anfange seines Weimarischen Engage¬
ments zu spielen denkt.

Leonhard träumt von nichts als seiner nahen Versetzung. Aber
Bellomo fährt fort, auf seinen Kontrakt zu trozen und ihm mit Weitläufig¬
keiten zu drohen. Da er rachegierig genug seyn könnte, des Herrn Statthal¬
ters Excellenz durch eine Verdrehung der Umstände gegen Leonhard einzuneh¬
men, so Kalte ich es für Pflicht, Euer Excellenz vom ganzen Zusammenhange
zu unterrichten, um Sie in den Stand zu sezen, jenen Übeln Eindrücken zu¬
vorzukommen.

Mit der Gewalt, die eine in allen weiblichen Ränken erfahrne Italiänerin
so leicht und unumschränkt über das neue Herz eines 23jährigen Mannes
ausübt, beherrschte Madame Bellomo seit geraumer Zeit meinen armen
Leonhard, und überredete ihn, den Mannheimer Antrag nicht nur auszu¬
schlagen, sondern auch auf der Stelle einen neuen halbjährigen Kontrakt bey
ihrem Manne zu unterzeichnen. Wenige Tage nachher siel es Leztern ein,
eifersüchtig zu werden und bey Gelegenheit des Kindes, mit dem seine Frau
entbunden wurde, sich so brutal zu benehmen, daß er sich nebst Frau und
Cieisbeo zum Mährchen der Stadt machte. Nun erwachte der eingeschläferte
Leonhard, bereute das Opfer, das er einer thörichten Leidenschaft gebracht
hatte und erklärte Herrn Bellomo, daß, nach diesem für sie beyde gleich
schimpflichen Lärm, die Ehre ihnen nicht erlaubte, länger beysammen zu bleiben,
mithin jener Kontrakt von selbst wegfiele und Bellomo dessen Ungültigkeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/52>, abgerufen am 24.11.2024.